Unter Schlagwörtern wie National- oder Leitkultur, aber auch im Rahmen der Globalisierung beobachten wir zunehmend einen Prozess der kulturellen Vereinheitlichung. Während man bei einigen Traditionen wie der Zwangsehe nicht wirklich hinterher trauert, ist dennoch generell der Verlust vieler kultureller Werte, von Bräuchen und vor allem Sprachen als ein negativer Aspekt der Modernisierung zu werten. Alleine die Zahl der Dialekte und Sprachräume, die weltweit diesem Prozess jährlich zum Opfer fallen, weil sie schlichtweg in Vergessenheit geraten, ist unermesslich. Umso mehr obliegt es Vertretern der Politik und besonders unserer Kultur, diese Facetten zu erhalten oder zumindest für die Nachwelt festzuhalten, bevor sie aus dem Weltgedächtnis verschwinden.
Bereits seit der Gründung der Produktionsfirma Cineminga, einer Non-Profit-Organisation, hat sich die Dokumentarfilmerin Naomi Mizoguchi des Erinnerns und Erhaltens verschrieben. Mehrere ihrer Filme behandeln die Kultur, die Sprache und die Traditionen indigener Völker Südamerikas wie auch ihrer Heimat. In ihrem 2019 entstandenen Film Ainu – Indigenous People of Japan beschäftigt sie sich mit den Ainu, den Ureinwohnern Japans, welche heute im Norden des Landes wie auch in Teilen Russlands zu finden sind. Anhand von Archivmaterial sowie mittels Gesprächen mit den wenigen noch verbleibenden Mitgliedern der Ainu zeigt Mizoguchi, wie sie heute leben, wie sie ihre Traditionen versuchen zu erhalten und welchem Verlust es gleichkommt, wenn die Ainu, wie so viele andere Kulturen, in Vergessenheit geraten würden.
Eine schwierige Suche nach Spuren
Seit dem Jahre 1869, einer Jahreszahl, welche am Anfang der Dokumentation steht, gelten die Ainu in den Augen der japanischen Politik als „einfache Bürger“, deren Kultur und Sprache über einen langen Prozess hinweg letztlich in die japanische Kultur übergehen soll, also in ihr integriert werden soll. Diese Assimilation, so zeigt der Film, hat, wenn man die Lage der Ainu heute betrachtet, dazu geführt, dass Traditionen in Vergessenheit geraten sind und sich nur noch wenige an diese erinnern. Mizoguchis Gesprächspartner sind meist 70 Jahre und älter und haben sich dem Erhalt ihrer Kultur verschrieben, wobei sie sich teils selbst nicht mehr sicher sind, wie zuverlässig ihr Wissen noch ist. Durch die wiederholte Gegenüberstellung von Archivmaterial, teils aus den 1930ern, zu der Situation heute, zeigt sich der fundamentale Umbruch nicht nur eines Landes, sondern einer ganzen Kultur, die schließlich um ihr Überleben kämpft.
Jedoch tut man Mizoguchis Film unrecht, wenn man ihn lediglich darauf reduziert, dass er diesen Zustand anprangere. Vielmehr führt die Kamera auch in die Kultur der Ainu, deren Sprache, deren Küche und deren Kunst, vor allem die reiche und prächtige Näh- und Webkunst, die man anhand der schönen Trachten der Ainu in fast jedem Bild bestaunen kann. Darüber hinaus zeigt Mizoguchi diverse Zeremonien wie das Brauen von Sake, welcher bei diversen Ritualen eine gewichtige Rolle spielt oder das Trocknen von Baumrinde, die wiederum bei der Herstellung der Kleidung der Ainu wichtig ist. Speziell im Vergleich zu der modernen, urbanisierten Welt betont Mizoguchi die Ursprünglichkeit der Ainu, die nach einem Leben in Einklang mit der Natur anstreben, ohne diese auszubeuten.
OT: „Ainu hito“
Land: Japan
Jahr: 2019
Regie: Naomi Mizoguchi
Musik: Yasunobu Matsuo
Kamera: Naomi Mizoguchi
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