Das hatte sich KFZ-Mechaniker Charlie Menzinger (Markus Stoll) alles irgendwie anders vorgestellt. Anstatt weiterhin ungestört an Autos herumzuschrauben oder auch nichts zu tun, soll er die nächsten fünf Jahre als Schöffe ehrenamtlich und unbezahlt bei der Rechtsprechung behilflich sein. Ausgerechnet er, der nach dem Tod seiner Frau und seiner Schwiegermutter nicht mehr an Gerechtigkeit glaubt! Aber es kommt noch schlimmer, denn Richterin Dr. Julia Kellermann (Lisa Bitter), die gerade erst unfreiwillig von Berlin nach München gekommen ist, interessiert sich weder für die Gerechtigkeit noch die Meinung der Schöffen. Schon bei ihrem ersten gemeinsamen Fall geraten die beiden dann auch kräftig aneinander – und das ist nur der Anfang einer äußerst turbulenten Zusammenarbeit, die das Leben beider kräftig verändern wird …
Ob nun Netflix, Apple TV+ oder Disney+, im hart umkämpften Segment des Video on Demand Streamings setzen die Big Player oft auf große Namen, gerne von internationalem Format, um sich Marktanteile und Zuschauer zu sichern. Doch es geht auch anders, wie ein aktuelles Beispiel von Amazon Prime Video beweist. Eine Handvoll deutscher Produktionen hatte der Streamingdienst des Einkaufsmultis natürlich vorher schon im Dienst, etwa Pastewka oder Deutschland 86. Während sich dort jedoch einiges an hiesiger Schauspielprominenz herumtreibt, sind Tatort-Ermittlerin Lisa Bitter und Kabarettist Markus Stoll, auch als Kunstfigur Harry G unterwegs, sicherlich nicht die Aushängeschilde der deutschen Unterhaltungsindustrie.
München über alles
Vor allem ist Der Beischläfer aber eine durch und durch lokale Produktion. Dass die Serie in München spielt, das ergibt sich dem Publikum nicht beiläufig. Vielmehr wird das Setting wieder und wieder thematisiert, die Geschichte handelt ebenso sehr von ihren Figuren wie von dem Ort, an dem man einiges anders sieht. Betont bayerische Produktionen hat es im Laufe der Zeit natürlich immer mal wieder gegeben. Gerade in den letzten Jahren hat man im Freistaat mächtig Selbstbewusstsein getankt, seitdem mit Dampfnudelblues und den diversen Fortsetzungen der Provinzpolizist Franz Eberhofer zu einem Phänomen wurde, das jedes Jahr mehr als eine Million Menschen in die Kinos lockt.
Wer mit diesen oder vergleichbaren Provinzkomödien aus Bayern nichts anfangen kann, muss deshalb Der Beischläfer aber noch nicht automatisch abschreiben. Tatsächlich orientiert sich die Serie stärker an den TV-Produktionen von einst, wie sie vor allem Helmut Dietl gedreht hat, und sucht nach einer Möglichkeit, diese in die Neuzeit zu übertragen. Man ist hier weniger auf derbe Gags aus, gibt sich oft nachdenklicher, verträumter, manchmal auch ein bisschen melancholisch. So haben Menzinger und sein Schwiegervater Paul Seidl (Helmfried von Lüttichau) noch mit dem Tod der ihnen geliebten Menschen zu kämpfen, was ihnen deutlich mehr Erdung verschafft als ihrem leberkäsmampfenden Landsmann. Sie nahbarer macht, auch für ein zugezogenes Publikum vor den Bildschirmen.
Was ist gerecht?
Der zu erwartende Culture-Clash-Humor, wenn eine Berliner Richterin auf einen bayerischen KFZ-Mechaniker trifft, ist da, wird aber ebenso wie die romantischen Untertöne eher zurückhaltend angebracht. Deutlich prominenter ist ein anderer Gegensatz, der oft die Geschichte bestimmt: der Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit. Dass dies nicht deckungsgleich ist, dürften die meisten schon einmal festgestellt haben, wenn die Reaktionen der Justiz so gar nicht dem eigenen Gerechtigkeitsempfinden entsprechen. Der Trick von Der Beischläfer ist es, beides regelmäßig gegeneinander auszuspielen, indem die beiden Hauptfiguren da komplett gegensätzlich sind. Während Kellermann auf dem Gesetz besteht und dem Einhalten von Regeln, die für jeden zu gelten haben, ist Menzinger der Bauchgefühl-Typ, dem das Ergebnis wichtiger und für den der Zweck schon mal die Mittel heiligt.
Der Beischläfer neigt dazu, es sich hier ein bisschen einfach zu machen: Wenn es zum Konflikt zwischen den beiden kommt, schlägt sich die Serie implizit fast immer auf seine Seite. Die juristischen Alleingänge bleiben am Ende immer folgenlos. Aber um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema handelt es sich ohnehin nicht, sondern um eine Komödie über eine Reihe von Leuten, die irgendwie alle nach ihrem Lebensweg suchen. Das Ergebnis ist manchmal ein bisschen schematisch, glänzt auch nicht mit abwechslungsreichem Humor. Aber die Geschichte um einen Hallodri, der zwischen Träumen und Trägheit gefangen ist, ist durchaus sympathisch. Für einen ähnlichen Sensationserfolg wie die Krimikomödien nach Rita Falk wird das kaum reichen oder auch einen neuen Klassiker à la Monaco Franze. Eine nette Serie für zwischendurch ist das hier aber schon.
OT: „Der Beischläfer“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Anna-Katharina Maier
Drehbuch: Murmel Clausen, Mike Viebrock
Musik: Dreiviertelblut
Kamera: Thomas Wittmann
Besetzung: Lisa Bitter, Markus Stoll, Daniel Christensen, Helmfried von Lüttichau, Lilly Forgách, Florian Jahr
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