Deutscher
© ZDF/Martin Rottenkolber

Deutscher

Kritik

Deutscher
„Deutscher“ // Deutschland-Start: 28. April 2020 (TV)

Seit Jahren schon wohnen die Familien Schneider und Pielck Tür an Tür. Wirklich eng befreundet sind sie zwar vielleicht nicht. Aber man kennt sich, versteht sich, hilft sich immer mal wieder aus. Als dann jedoch in Berlin eine rechtspopulistische Partei an die Macht kommt, hängt der nachbarschaftliche Segen schief. Während sich Ulrike (Milena Dreißig) und Frank Pielcke (Thorsten Merten) über den Machtwechsel freuen, sind Eva (Meike Droste) und Christoph Schneider (Felix Knopp) entsetzt. Die Söhne der beiden Familien, Marvin (Johannes Geller) und David (Paul Sundheim), versuchen sich zwar so gut es geht aus der Geschichte herauszuhalten. Doch das wird immer schwieriger in der zunehmend erhitzten Stimmung, die sowohl daheim wie auch an der Schule herrscht …

Für viele war es die absolute Horrorvorstellung: Was passiert, wenn auf einmal die AfD an die Macht kommt? Wenn auf einmal die Rechtspopulisten das Sagen haben, die sich offen gegen alles wenden, was auch nur so aussieht, als wäre es aus dem Ausland gekommen, und damit Stimmung machen? Eingetreten ist der Fall bislang noch nicht. Aber das bedeutet ja nicht, dass man nicht zumindest ein bisschen darüber spekulieren kann. Stefan Rogall tat es bei seinen Drehbüchern für die TV-Serie Deutscher. Der Name der Partei wird hier zwar nie in den Mund genommen, woran der erfahrene Fernsehautor jedoch beim Schreiben gedacht hat, daraus macht er nicht wirklich ein Geheimnis.

Ein Mangel an Nuancen
Eins vorweg: Subtilität oder Nuancen braucht man in dem Vierteiler nicht zu erwarten. Die Serie verwendet die üblichen Klischees, die sich in so einem Fall anbieten. Da werden beispielsweise einfach die Sprüche kopiert, welche bei den Auftritten der AfD oder in Stammtischen aufgeschnappt wurden und den Figuren in den Mund gelegt. Für ein bisschen Lügenpresse-Verunglimpfung ist auch noch Platz. Welche Familie die gute ist, welche nicht, das wird früh klar gemacht. Bei Familie Pielcke gibt es sogar noch ein klares Gefälle: Während Papa Pielcke ganz offen über die Schmarotzer motzt, die aus dem Ausland kommen, da lächelt Ulrike nur nett und artig. So wie Frauen es nun einmal machen.

Deutscher unternimmt keinen Versuch, da einmal genauer hinzuschauen und zu verstehen oder zu erklären, warum wer wie denkt. Man begnügt sich hier damit zu sagen, wie schlimm das alles ist, und davor zu warnen, dass das alles noch schlimmer kommen kann. Das Ergebnis ist etwas zwiespältig. Einerseits zeigt die Serie auf, wie sehr eine solche Entwicklung eskalieren kann, wenn beispielsweise aus Worten Taten werden. Außerdem wird deutlich, dass im Fall der Fälle doch viele sich wegducken würden oder desinteressiert mit den Achseln zucken – was eine beunruhigende Vision ist, die nicht viel Hoffnung auf Gemeinschaft oder Solidarität macht.

Ja, wissen wir schon
Gleichzeitig hat Deutscher aber nicht wirklich etwas zu der Diskussion beizutragen. Der Ansatz, gar nichts über die Politik zu sagen und die Regierungen irgendwo in der Ferne zu platzieren, dafür die Menschen aus dem Volk in den Vordergrund zu stellen, der war gut. Rogall befasst sich eben nicht mit den Hetzern, sondern der Frage, was dies konkret im Alltag bedeutet. Damit bringt die Serie den sonst eher distanzierten Diskurs auf dir Straße, zu den Leuten, lässt Nachbarn auf einmal zu Widersachern werden. Wenn daraus aber kein wirklicher Diskurs folgt, nur das „was“ wiederholt wird, ohne nach dem „warum“ zu fragen, dann ist das zu wenig für das wichtige Thema. Der Vierteiler zeigt sich ebenso überfordert mit der Situation wie die Politik und muss sich schon eines wirklich üblen Klischees bedienen, um wieder aus der Sackgasse herauszufinden.

Das ist sicherlich irgendwo enttäuschend. Ganz verkehrt ist die Serie aber nicht. Ganz losgelöst von dem gut gemeinten Ziel, auf den Rechtsruck innerhalb der Gesellschaft aufmerksam machen zu wollen, ist Deutscher ein streckenweise sehenswertes Drama um zwei Familien in der Krise. Gerade die sehr gute Besetzung trägt dazu bei, dass bei aller Kritik an der mangelnden Detailarbeit viele Szenen doch die beabsichtige Wirkung erzielen. Das muss dann gar nicht mal zwangsläufig etwas mit dem Thema Rassismus zu tun haben, auch ganz alltägliche Momente, die von Eheproblemen, falschen Erwartungen und Schwierigkeiten innerhalb der Kommunikation sprechen, finden sich in den Episoden. Und das ist etwas, was in den besten Familien vorkommen kann – egal an welchem Rand der politischen Skala sie sich nun aufhalten mögen.

Credits

OT: „Deutscher“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Simon Ostermann, Sophie Linnenbaum
Drehbuch: Stefan Rogall
Musik: Leonard Petersen
Kamera: Ramin Sabeti, Martin Wunschick
Besetzung: Milena Dreißig, Thorsten Merten, Johannes Geller, Meike Droste, Felix Knopp, Paul Sundheim, Lara Aylin Winkler, Michael Lott, Junis Marlon, Atheer Adel

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„Deutscher“ handelt von zwei benachbarten Familien, die nach der Regierungsübernahme einer rechtspopulistischen Partei immer weiter auseinanderdriften. Die Serie ist sehr gut besetzt und schafft in ihren besten Momenten durchaus anschauliche, intensive Szenen. Es fehlt jedoch der Mut zur Auseinandersetzung, man hält sich zu sehr mit Klischees auf, anstatt wirklich die Figuren und die Themen näher zu beleuchten.
6
von 10