In Barcelona Ende der 60er Jahre beobachtet ein Überwachungsteam um dessen Anführer Julius (Luis Prendes) einen nach außen hin eher unauffälligen Architekten namens Erich Fromm (Luis Padrós). Jedoch vermuten die Ermittler des Teams, Raphael (Jean-Louis Trintignant) und Nils (Josep-Maria Angelat), hinter der Maske des Herrn Fromm den berüchtigten SS-Mann Schmitt, dessen gnadenlosen Verhörtechniken einst Julius’ Bruder zum Opfer fiel. Trotz ihrer Indizien und bereits tagelanger Arbeit ist Julius noch nicht restlos davon überzeugt, dass die Vermutung tatsächlich stimmt. Als Raphael und Nils dann bei einer ihrer Beschattungen von Fromms Mitarbeitern auffallen und gezwungen sind, den Zeugen zu beseitigen, müssen sie handeln und gegen Fromm vorgehen. Während Fromm wie immer zur Arbeit geht, will sich Julius endgültig Gewissheit verschaffen und bricht in dessen Wohnung ein. Als schließlich auch seine Zweifel beseitigt sind, will man dem alten Nazi eine Falle stellen, doch dieser hat schon längst eine Ahnung, dass man ihm gefolgt ist.
Das Psychogramm eines Beobachters
Im Politthriller des französischen Regisseurs Philippe Condroyer geht es um ein Thema, welches gerade in den 60er Jahren die Gesellschaft besonders in Europa beschäftige, nämlich die Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Insbesondere die Jagd und letztliche Festnahme von Adolf Eichmann machte die Gräueltaten des Nazi-Regimes noch einmal gegenwärtig für viele, vor allem wegen des Prozesses in Jerusalem, der das Ausmaß der Verbrechen für alle Beteiligten und Zuschauer greifbar machte. In seinem Film konzentriert sich Condroyer hingegen auf die Figur des Ermittlers, wie seine am Rande der Legalität gebaute Arbeit auch ihn verändert und wie emotional zermürbend solche Ermittlungen sind.
Wer bei dem deutschen Titel Hetzjagd einen Actionthriller erwartet, wird wohl bitter enttäuscht werden. Action findet sich nur im letzten Drittel des Films, während Condroyer vor allem Wert auf die Darstellung der Welt seiner Figuren legt und deren Arbeit. Der Fokus liegt hierbei auf den von Jean-Louis Trintignant gespielten Raphael, dessen Tätigkeit bereits deutliche Spuren in seinem Privatleben hinterlassen hat, wenn er beispielsweise von seinem Fenster aus per Fernglas die Nachbarschaft beobachtet und seinem Kollegen, als dieser ihn besucht, Bericht über die Vorkommnisse in der Wohnung seiner Nachbarin macht. Trintignant spielt diesen Mann als jemand, der für sich selbst maximale Anonymität beansprucht, sich aber sowohl bei seiner Arbeit als auch zu Hause in der Beobachterfunktion sieht. In seinem Flirt mit der Nachbarin, gespielt von Valérie Lagrange, zeigt sich die wenig fassbare Persönlichkeit dieses Mannes, der selbst dem Zuschauer immer wieder Rätsel aufgibt.
Die graue Welt des Ermittlers
Auch die Welt, in der sich Raphael und seine Kollegen bewegen, zeichnet sich durch diese Kälte des Beobachters aus. Fast nicht wiederzuerkennen ist Barcelona, da sich der Film mehrheitlich in den dunklen Wohnungen oder Absteigen der Ermittler sowie grauen, scheinbar stillgelegten Fabrikgeländen abspielt. Jean-Bernard Penzers Kamera sucht selbst die Beobachterpostion auf, präferiert die Distanz zum Geschehen und imitiert in gewisser Weise eben jene Perspektive, die jemand wie Raphael zu Menschen wie Fromm aufsucht. Dies ist nur folgerichtig, bedenkt man, dass Emotionen bei dieser Arbeit, der die Charaktere nachgehen, eher fehl am Platz sind und im Ernstfall Leben kosten können.
Ein ganz besonders faszinierender Effekt in diesem ansonsten eher spröden Film ist das Spiel mit der Identität. Neben der Idee, das Leben eines anderen, fremden Menschen anzunehmen und sich hinter der Maske aus Alltagsroutine zu verstecken, spielen viele Elemente des Films auch auf die Veränderung des Ichs an. Gerade die kunstvolle Eröffnungssequenz zeigt diesen Aspekt, wenn das Gesicht eines Menschen puzzleartig immer wieder verändert wird, eine neue Nase, ein neuer Mund oder andere Augen hinzukommen. Später findet sich diese Collage von Phantombildern in den Büros von Raphaels Kollegen wieder, die mithilfe dieser Technik Indizien für die wahre Identität Fromms sammeln wollen, indem sie die Versatzstücke der Gesichter Fromms und Schmitts miteinander verknüpfen.
OT: „Un homme à abattre“
Land: Frankreich, Spanien
Jahr: 1967
Regie: Philippe Condroyer
Drehbuch: Philippe Condoryer, Mariette Condroyer
Musik: Antoine Duhamel
Kamera: Jean-Bernard Penzer
Besetzung: Jean-Louis Trintignant, Valérie Lagrange, Luis Prendes, André Oumansky, Jose-Maria Angelat
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