War das wirklich schon alles? So richtig glücklich ist Barnabé ja schon länger nicht mehr. Er, der so früh von dem Glauben erfüllt war und alles für seine kleine Kirche tat, hängt nun in dauernden Zweifeln fest. Manchmal auch an der Flasche, denn der Priester gönnt sich schon mal den einen oder anderen Schluck, um seinen Alltag zu vergessen. So rein gar nicht alltäglich ist dafür ein Vorfall, der ihn an allem zweifeln lässt, was er zu kennen glaubte: Ein Blitz schlägt ein und trifft den Wetterhahn, der daraufhin zum Leben erwacht. Ein ausgesprochen mürrischer Wetterhahn, wie Barnabé bald feststellen muss …
Eines muss man Jean-François Lévesque lassen: Es ist schon sehr ungewöhnlich, was der Kanadier da mit I, Barnabé abgeliefert hat. Aber er hat sich auch Zeit damit gelassen. Zwölf Jahre ist es her, dass er seinen ersten animierten Kurzfilm The Necktie veröffentlichte. Nun also Werk Nummer zwei. Rund 15 Minuten ist es lang. 15 Minuten, die nicht nur dazu verwendet werden, um eine Reise durch die Psyche des krisengeplagten Geistlichen zu machen, sondern auch ein bisschen mit den verschiedensten Animationstechniken zu experimentieren.
Lasst die Puppen zweifeln
Den Löwenanteil nimmt dabei der Part ein, den Lévesque als Stop-Motion-Film mit Puppen umgesetzt hat. Der Schauplatz ist eher begrenzt, I, Barnabé wechselt zwischen der Kirche, der angrenzenden Wohnung der Titelfigur und sonstigem hin und her, das auf dem geistlichen Territorium zu finden ist. Langweilig wird es dort jedoch nicht: Die Figuren selbst sind liebevoll, wenn auch etwas kurios gestaltet, es gibt einige schöne Details und Ideen zur Auflockerung. Später kommen noch andere Techniken zum Einsatz, darunter klassischer Zeichentrick und der experimentelle Einsatz von Flüssigkeiten. Das sieht toll aus, zum Ende mit einer stark sinnlichen Komponente, vorher schwankt man zwischen unheimlich und drollig.
Überhaupt ist nicht klar, in welches Genre man den Kurzfilm, der beim Annecy Festival 2020 läuft, einordnen sollte. Scheint dieser anfangs noch eine Komödie zu sein, nimmt er später Horroranteile auf und ist doch letztendlich eine Art Drama über einen Mann, der aus seinem Tief wieder herausfindet – auf ungewöhnliche Weise. Lévesque braucht hierfür nicht einmal Worte, das komplett dialogfreie I, Barnabé findet andere Wege, um seine metaphysische Geschichte zu erzählen. Und man sieht dieser gerne zu, selbst wenn die Auflösung ein bisschen abrupt ausfällt und man von manchen Einfällen doch gern mehr gesehen hätte.
OT: „Moi, Barnabé“
Land: Kanada
Jahr: 2020
Regie: Jean-François Lévesque
Drehbuch: Jean-François Lévesque
Musik: Robert Marcel Lepage
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