Eigentlich dachte die Journalistin und vierfache Mutter Elena Richardson (Reese Witherspoon), dass sie etwas Gutes tut, als sie Mia Warren (Kerry Washington) und ihrer Tochter Pearl (Lexi Underwood) eine Wohnung vermietet und sogar noch etwas im Preis runtergeht. Schließlich ist sie Afroamerikanerin und alleinerziehende Mutter, hat als Künstlerin nicht viel Geld und damit wenig Chancen auf dem Wohnungsmarkt. Doch nach der anfänglichen Euphorie kehrt bald Ernüchterung ein – und viel Ärger. So steht Pearl beispielsweise zwischen Elenas Söhnen Trip (Jordan Elsass) und Moody (Gavin Lewis). Tochter Izzy (Megan Stott), das schwarze Schaf der Familie, findet in Mia hingegen eine Vertraute, wie es ihre eigene Mutter nicht sein kann. Und auch bei Lexie (Jade Pettyjohn), der ältesten Tochter, bringt die Veränderung nicht nur Gutes hervor. Dabei ist es vor allem Mia selbst, die mit einem ganzen Koffer voller Geheimnisse angereist ist …
Es braucht Geduld bei Little Fires Everywhere. Zwar dürfen wir schon früh erfahren, dass es in der Geschichte irgendwann feurig zugehen wird. Doch bis wir eine Erklärung bekommen, was es genau mit diesem Feuer auf sich hat, das geschieht erst am Ende der acht Folgen. Genauer verfolgt die Serie die gerade auch bei Genretiteln beliebte Taktik, einen kurzen Ausblick auf das Desaster zu geben, was den Figuren bevorsteht, bevor wir zum Anfang zurückkehren, nach und nach diese kennenlernen, ihre Hintergründe und was alles geschehen musste, bis wir an dem Höhepunkt ankommen. Um einen Genretitel handelt es sich jedoch nicht. Stattdessen ist die Adaption von Celeste Ngs gleichnamigen Roman Kleine Feuer überall ein Drama, das gleichzeitig persönliches Porträt wie auch eins der Gesellschaft ist.
Und wer ist hier jetzt die Gute?
Tatsächlich ist es gar nicht so einfach zu sagen, wovon Little Fires Everywhere eigentlich handelt oder auch handeln will. Das ist einerseits eine Stärke, wenn die Serie zunehmend Grenzen verwischt, die man anfangs noch meint, relativ leicht errichten zu können. An Überraschungen mangelt es jedenfalls nicht, vieles wird im Laufe der rund acht Stunden etwas anders sein als erwartet. Gleichzeitig macht dies aber auch eine Schwäche aus, die im weiteren Verlauf immer deutlicher wird. Die irgendwann sogar so stark ausgeprägt ist, dass man an mehr als einer Stelle voller Frust und Wut alles abbrechen und nie wieder etwas mit diesen Figuren zu tun haben möchte.
Der Einstieg ist dabei noch recht gut gelungen. Auf der einen Seite haben wir die weiße Bilderbuchfamilie in ihrem schicken Haus, mit genügend Geld und Privilegien ausgestattet, auf der anderen die alleinerziehende schwarze Frau, die in ihrem Auto schläft, weil sie kein Zuhause hat. Das sind dann auch die beiden anfänglichen Hauptthemen: die Kluft zwischen arm und reich sowie die zwischen schwarz und weiß – was oft überlappt, aber nicht identisch sein muss. Anders als man erwarten könnte, ist Elena jedoch weder die Vorstadt-Rassistin noch ein White Savior, auch wenn sie es gern wäre. Vielmehr ist sie zwar von Vorurteilen geprägt, gleichzeitig aber auch selbst Opfer von Erwartungen, will etwas für die Welt tun, stellt sich dabei jedoch nicht immer ganz geschickt an.
Figuren mit Ecken und Abgründen
Und auch auf Mias Seite ist das alles nicht so eindeutig. Zwar wird sie sich selbst immer wieder als Opfer inszenieren, lässt dabei aber gerne unter den Tisch fallen, was sie selbst anderen antut. Was sie auch ihrer eigenen Tochter antut. Je mehr wir die beiden kennenlernen, umso mehr Facetten treten zum Vorschein, umso schwieriger wird es auch, das eigene Bedürfnis nach Antworten und klaren Einteilungen zu stillen. Doch was anfangs gefällt als Versuch, mit ambivalenten, komplexen Charakteren zu arbeiten, eskaliert mit der Zeit so sehr, dass Little Fires Everywhere irgendwo zwischen Seifenoper und Karikatur herauskommt. Und das betrifft nicht nur die beiden Hauptfiguren, auch in deren Umfeld, gerade den Familien, tun sich Abgründe auf. Genauer ist irgendwie jeder, der in dem beschaulichen Shaker Heights herumläuft, irgendwann so grauenvoll, dass man am liebsten den kompletten Ort niederbrennen und am besten im Anschluss noch Salz drüber streuen würde, nur um sicherzugehen.
Nun gibt es natürlich viele Serien und Dramen, die das Gespür verlieren, was eine Geschichte verträgt, bevor sie krachend zusammenbricht. Selten jedoch war das so frustrierend wie hier. Zum einen ist Little Fires Everywhere sehr gut besetzt, wenn Reese Witherspoon (Walk The Line) und Kerry Washington (Django Unchained) erst Gegenpole darstellen, sich dann annähern, nur um zu erbitterten Feindinnen zu werden – und das mal nuanciert, mal mit Feuereifer darstellen. Außerdem gibt es so vieles in der Serie, über das es sich lohnt zu reden und nachzudenken. Doch das Publikum bekommt kaum Gelegenheit dazu, wenn alles noch mal getoppt werden muss, sich der Hysterie ergibt, Flashbacks ohne Ende kommen, dazu eine aufdringliche Musik, die alles unter sich begräbt. Die eigentlichen Bezüge zum Leben, die anfangs noch präzise ausgearbeitet werden, sie werden in dem Feuer gleich mitverbrannt, bis nicht mehr viel übrig bleibt.
OT: „Little Fires Everywhere“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Lynn Shelton, Michael Weaver, Nzingha Stewart
Drehbuch: Liz Tigelaar, Nancy Won, Raamla Mohamed, Attica Locke, Rosa Handelman, Shannon Houston, Harris Danow, Amy Talkington
Vorlage: Celeste Ng
Musik: Mark Isham, Isabella Summers
Kamera: Trevor Forrest, Jeffrey Waldron
Besetzung: Reese Witherspoon, Kerry Washington, Joshua Jackson, Rosemarie DeWitt, Jade Pettyjohn, Lexi Underwood, Megan Stott, Gavin Lewis, Jordan Elsass, Huang Lu
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)