The Town

Kritik

The Town
„The Town“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Wie so viele andere auch, freut sich Qing schon sehr darauf, endlich ihr Gesicht operieren zu lassen. Denn das gehört inzwischen einfach dazu, wer sein angeborenes Gesicht hat, der wird schnell zum Außenseiter, kann Karriere oder Partnerschaft vergessen. Aus diesem Grund arbeitet Qing auch sehr hart, werkelt unentwegt an den Masken, welche die Grundlage für die Operationen bilden. Doch noch immer wird sie übergangen, wenn es darum geht, wer als nächstes eine dieser begehrten Operationen erhält. Daran dürfte ihre Familiengeschichte nicht ganz unschuldig sein, gerade ihr Bruder lehnt sich ständig gegen die vorgefertigten Gesichter auf, die jeder nun tragen soll …

Dass jeder Mensch irgendwo eine Maske trägt und sein Inneres vor der Welt da draußen versteckt, das ist keine besonders originelle Ansicht. Selten aber wurde das so wörtlich verstanden wie in The Town. Anfangs meint man in dem animierten Kurzfilm aus China, man würde einer Fabrik einen Besuch abstatten, die für den Theatergebrauch Holzmasken anfertigt, im Stil der traditionellen Gesichtsbedeckungen, wie sie in Fernost manchmal zum Einsatz kommen. Erst etwas später darf das Publikum in einer recht kurzen Sequenz sehen, wie diese Masken verwendet werden, um das Gesicht der Menschen zu formen.

Stimmige, wenig subtile Gesellschaftskritik
Die Absicht von Yifan Bao ist dabei eindeutig: The Town ist eine Anklage gegen eine Gesellschaft, in der alles genormt sein soll und der Individualismus so stark abgelehnt wird, dass nicht einmal mehr für ein eigenes Gesicht Platz ist. Das ist natürlich dystopisch überspitzt, denkt aber durchaus konsequent derzeitige Tendenzen weiter, nach der einige wenige vorgeben, wie die breite Masse auszusehen hat. Der Blick Baos dürfte dabei auf China gerichtet sein, ein Land, in dem Gruppendenken und Formalismus ohnehin immer in einem Konflikt mit allzu viel Individualität steht. Das Ideal des Kollektivs muss schließlich verteidigt werden. Doch auch in individualistischeren Gesellschaften gibt es Normen und Vorgaben, die eingehalten werden müssen, wer am Leben teilhaben will.

Sonderlich subtil ist das hier nicht vorgetragen, zumal Bao seine Figuren die Gedanken im Zweifel lieber mehrfach aufsagen lässt, damit auch ja jeder verstanden hat, worum es hier wirklich geht. Doch die Absicht ist gut, die Rahmengeschichte um die Masken originell mit ihrer Mischung aus Tradition und Science-Fiction. Und auch die Bilder gefallen: Der Beitrag vom Annecy Festival 2020 orientiert sich optisch an Animes, ist dabei aber realistisch gehalten und überzeugt besonders bei den Hintergründen und der stimmigen Darstellung der Stadt. Die Animationen sind manchmal etwas holprig, die eingebauten 3D-Elemente stechen hervor. Doch die positiven Merkmale überwiegen, das Plädoyer für Individualismus und freie Entfaltung ist sehenswert und ein gelungener Einstand, der neugierig macht auf künftige Werke Baos.

Credits

OT: „The Town“
Land: China
Jahr: 2020
Regie: Yifan Bao
Drehbuch: Yifan Bao
Animation: Arc Anime Studio

Trailer

Filmfeste

Annecy 2020



(Anzeige)

„The Town“ erzählt von einer Gesellschaft, in der Gesichter anhand vorgefertigter Masken operiert werden. Der animierte Kurzfilm aus China ist eine zwar nicht subtile, aber doch interessante, dystopische Weiterentwicklung von aktuellen Zwängen zur Normierung, die auch optisch stimmig ist.
7
von 10