Spätestens seit der #MeToo-Bewegung interessiert sich eine breite Öffentlichkeit endlich wieder für die Rechte von Frauen und berichtet über die Auswüchse von Unfreiheit und Ungleichheit. Jedoch fragt man sich wie bei jeder dieser Bewegungen in der heutigen Zeit, welche nachhaltigen Effekte diese erzielen werden und was bleiben wird, wenn die Augen der Welt sich auf andere Themen richten werden. Schon lange vorher haben Politiker und Aktivisten gegen Umstände gekämpft oder solche aufgezeigt, die in einer modernen, demokratisch organisierten Gesellschaft aus vielerlei Gründen der Vergangenheit angehören sollten. Doch die wahre Wirkung dieser Bewegungen liegt nicht alleine in den Werten, für die sie kämpfen, denn bevor man für so etwas wie Freiheit kämpft, muss man zunächst einmal definieren, wie man selbst zu diesem Wert steht und was es für einen selbst bedeutet.
Gerade in den Emanzipationsbewegungen der 60er und 70er Jahre findet sich nicht nur ein reines Aufbegehren gegen das System, sondern oftmals auch eine präzise Vision, was sich zu ändern hat, für den einzelnen Menschen und dann für die Gesellschaft. In ihrer Heimat Japan gilt Mitsu Tanaka als eine der federführenden Aktivistinnen hinter der Frauenbewegung, die sich noch heute für verschiedene Belange, nicht nur für die Rechte von Frauen einsetzt. Ihr Leben und ihr Wirken steht im Fokus der Dokumentation This Planet Is Not My Planet von Regisseurin Miwa Yoshimine und erfährt im Rahmen der diesjährigen Nippon Connection seine Europapremiere. Entstanden ist dabei nicht nur ein Porträt einer Frau, die in ihrer Zeit als Aktivistin streitbare Ansichten vertrat, sondern auch ein Film darüber, was es heißt, für seine Rechte zu kämpfen, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder Religion.
Der eigene Planet
Der Film beginnt mit einer eher ungewöhnlichen Szene, denn die Kamera zeigt Tanaka, die hinaus aufs Meer sieht, scheinbar ohne etwas Konkretes im Blick zu haben. Lächelnd und ein wenig peinlich berührt fragt sie, ob man sie tatsächlich gefilmt habe und Yoshimine bejaht und erklärt, sie habe so gedankenverloren gewirkt und man habe sich gefragt, an was Tanaka gerade denke. Nachdenklich spricht sie von ihrem eigenen Lebensende, was nun umso näher wirkt und dass sie gewillt ist, die Zeit bis dahin noch sinnvoll und „voller Energie“ zu nutzen. Vor allem in dieser Einstellung zum Leben und der Zeit, die man als Mensch zur Verfügung gestellt bekommen hat, zeigt sich der Wert eines Lebens, nicht der, den man von außen einem Leben gibt, sondern den man selber definiert.
Schon nach wenigen Minuten ist man im Kern der Arbeit eines Menschen wie Mitsu Tanaka und der Werte, für die sie einsteht. Auf Basis der eigenen Lebensgeschichte, die Yoshimine anhand von Bildern wie auch Gesprächen mit Tanaka nachvollzieht sowie in Begegnungen mit ihren vielen Wegbegleitern, insistiert Tanaka auf der Idee, dass Freiheit und Befreiung nichts als leere Worthülsen seien, wenn man sie für sich selbst nicht definieren könne. Für Tanaka heißt dies nach dieser Erkenntnis zu handeln, sich selbst wertzuschätzen und zu erkennen, wie einem die Welt begegnen soll und wie man sie formen kann. Aus der im Titel des Films formulierten Feststellung, dies sei nicht mein Planet, resultiert die Schlussfolgerung, man müsse den Planeten selbst definieren.
Doch in der Rückschau zeigt die Kamera auch eine mit sich selbst hadernde Mitsu Tanaka, die sich fragt, wo die Werte dieser Bewegung heute sind, was sich geändert hat. Den kämpferischen Pamphleten, die sie in den 70ern formulierte und welche auszugsweise im Film vorgetragen werden, geht die Frage voraus, was die Autorin damals angetrieben hat, wie sie heute dazu steht und, noch viel wichtiger, was der Zuschauer damit anfangen kann und soll.
OT: „Kono hoshi wa, watashi no hoshi janai“
Land: Japan
Jahr: 2019
Regie: Miwa Yoshimine
Kamera: Miwa Yoshimine, Yukio Minami, Hisayo Oguchi
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)