Zwei Geheimnisse gibt es, welche die Schülerin Miyo Sasaki mit sich herumträgt. Nummer eins: Sie ist unsterblich in ihren Mitschüler Kento Hinode verliebt. Während sie dieses Geheimnis mit ihrer besten Freundin teilt, gibt es ein zweites, von dem niemand etwas weiß: Sie kann sich mithilfe einer verzauberten Maske in eine Katze verwandeln. Diese Fähigkeit nutzt sie, um ihrem Schwarm näherzukommen und ein bisschen besser kennenzulernen, was ihr in Menschengestalt einfach nicht gelingen will. Doch auf Dauer kann dieses Versteckspiel nicht gut gehen – zumal da auch noch der unheimliche Maskenverkäufer ist, der Miyo immer wieder zuredet und eigene Ziele verfolgt …
Die Turteltauben, Artemis Fowl, Greyhound – die Liste an Filmen, die es aufgrund der Corona-Pandemie nicht in die Kinos schaffen und stattdessen direkt bei einem Streaminganbieter landen, wird länger und länger. Nun ist diese Liste um einen Titel erweitert worden, bei dem zumindest hierzulande ein paar Augen leuchten dürften. Denn mit Um ein Schnurrhaar ist nun ein Anime Opfer des Virus geworden, der unter regulären Umständen vermutlich nicht oder deutlich später bei uns veröffentlicht worden wäre. Da nimmt man dann auch in Kauf, dass die kurzfristige Umdisponierung Netflix keine Zeit mehr für eine Synchronisation ließ, die erst etwas später kommt. Wer mit Animes aufgewachsen ist, der ist von früher ohnehin gewohnt, Untertitel lesen zu müssen – oder zu wollen.
Gefühle können so schwierig sein
Fans der japanischen Animationskunst könnten aber auch der Beteiligung von Mari Okada wegen Interesse an dem Werk haben, eine der berühmtesten Drehbuchautorinnen in diesem Bereich. Ihre Spezialität sind Geschichten, die Emotionen mit Fantasy-Elementen verbinden. Oft geht es darum, Schwierigkeiten zu überwinden, sich mit traurigen Erfahrungen oder Situationen auseinanderzusetzen oder sich selbst zu finden. Um ein Schnurrhaar ist da keine Ausnahme, bietet mehr von dem Stoff, wofür die Japanerin bekannt geworden ist. Das bedeutet neben einem kurzen Ausflug zum Thema Mobbing, das Okada aufgrund eigener Erfahrungen als Kind ans Herz gewachsen ist, die weit verbreitete Schwierigkeit, über Gefühle zu reden.
Zumindest ist das die Behauptung des Films. So richtig überzeugend ist Um ein Schnurrhaar in der Hinsicht jedoch nicht. Miyo, die wegen ihres eigenwilligen Auftretens gern Muge genannt wird – für unendlich mysteriös –, lässt bei ihren Begegnungen mit Hinode eigentlich keinen Zweifel daran, was sie für ihn empfindet. Eigentlich ist sie sogar ziemlich aufdringlich. Gleichzeitig zu behaupten, sie würde nicht ihre Gefühle offenbaren, ist da schon reichlich absurd, wird mit Fortlaufen der Geschichte immer unglaubwürdiger. Gleichzeitig verpasst es Okada aufzuzeigen, was genau die Jugendliche denn an ihm findet. Allgemein ist vieles an dem Film emotional wenig nachvollziehbar, gerade die Wankelmütigkeit der Figuren der Charaktere kann schon sehr irritierend sein – gleiches gilt für die fortwährende dramatische Musik.
Die (fast) tägliche Maske
Interessanter ist da schon der Fantasyaspekt, auch wenn Um ein Schnurrhaar zu wenig draus macht. Die Idee, mithilfe einer Maske die Gestalt zu wandeln, ist ein schönes Symbol für die Versteckspiele, die unseren Alltag so bestimmen können. Der besagte Maskenverkäufer ist eine imposante Gestalt. Und auch die Parallelwelt der Katzen kann sich sehen lassen, erinnert ein wenig an Chihiros Reise ins Zauberland. Dessen technische Finesse erreicht der Anime hier natürlich nicht. Das vergleichsweise junge Animationsstudio Studio Colorido (Penguin Highway) hat hier und da seine Defizite, etwa bei den Animationen selbst. Aber es ist doch eine insgesamt stimmige Optik, welche die Japaner da auf die Bildschirme zaubern.
Insgesamt ist der Netflix-Einkauf dann auch sehr solide geworden, mit vereinzelten Höhepunkten, aber auch diversen schwachen Phasen. Ein etwas jüngeres Publikum, das sich selbst noch in dem Alter befindet, wenn Kleinigkeiten als das Ende der Welt erscheinen, wird sich in den unbeholfenen Versuchen von Muge natürlich besser wiederfinden können. Aber auch erwachsene Zuschauer und Zuschauerinnen dürfen sich daran erinnern lassen, wie wahnsinnig kompliziert Gefühle sein können, wie schlimm eine (vermeintlich) unerwiderte Liebe sein kann. Katzenfans schauen sowieso rein, wenn die tierische Version der Hauptfigur nicht nur innerhalb der Geschichte die Herzen höher schlagen lässt und ganz weit oben auf der Niedlichkeitsskala herumschnurrt.
OT: „Nakitai Watashi wa Neko o Kaburu“
IT: „A Whisker Away“
Land: Japan
Jahr: 2020
Regie: Junichi Sato, Tomotaka Shibayama
Drehbuch: Mari Okada
Musik: Yorushika
Animation: Studio Colorido
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