Kann jemand gleichzeitig verkannt und erfolgreich sein? Offensichtlich schon, zumindest wenn es nach Anton Bruckner – Das verkannte Genie geht, einer Dokumentation, die dem österreichischen Komponisten gewidmet ist. Schicksale von Künstlern, die es zeit ihres Lebens nicht geschafft haben, von ihren Werken zu leben, gab es bekanntlich einige, was unser romantisches Bild von Künstlern geprägt hat, die erst nach dem Tod den ihn zustehenden Ruhm erhalten haben. Als Bruckner 1896 in Wien starb, war er hingegen beinahe Millionär – was man zu der Zeit und in diesem Bereich erst einmal schaffen muss. Sicher hat das auch mit seiner Sparsamkeit zu tun bedingt durch seine Biografie. Trotzdem: So ganz passt das nicht zusammen, ebenso wenig die vielen Ehrungen, die der Komponist seit seinem Ableben erfahren hat.
Zwischen Lob und Spott
Wobei zumindest die Rezeption während seines Schaffens durchaus gemischt war. Immer wieder werden in dem Film Kritiken aus Zeitungen vorgelesen, die seinerzeit veröffentlicht wurden. Kritiken, die mal wohlwollend ausfielen, manchmal aber auch böse Verrisse waren und von einem Publikum berichteten, das vorzeitig die Konzerte verließ. Das passt dann gut zum Narrativ von Regisseur Reiner Moritz, der Anton Bruckner – Das verkannte Genie als überfällige Würdigung versteht. Es ist auch eine kleine Wohltat im Vergleich zu den anderen Lobpreisungen, wenn der Dokumentarfilm – wie die meisten Künstler-Biografien – nur das Beste über den eigenen Protagonisten zu sagen hat.
Das ist von der Idee ganz originell, zumal es auch ein kleines Gegengewicht zu den ansonsten eher akademischen Auseinandersetzungen bildet. Die Umsetzung lässt jedoch zu wünschen übrig, wenn sie jedes Mal von dem Schauspieler Cornelius Obonya in monotoner Stimme in der immer gleichen Pose vorgetragen werden. Überhaupt: Anton Bruckner – Das verkannte Genie kümmert sich recht wenig um den filmischen Aspekt, interessiert sich nicht dafür, wie man den Inhalt irgendwie inszenieren könnte. Da gibt es mäßig spannende Bilder von Gedenktafeln, dazu die üblichen Talking-Head-Interview-Szenen. Lediglich die eingebauten Konzert-Mitschnitte bringen mal ein wenig Leben hinein.
Ein hoher Einstieg
Dabei hat der Film durchaus interessante Sachen zu erzählen, sowohl in biografischer wie auch beruflicher Hinsicht. Spannend ist zum Beispiel, wenn das Werk von Bruckner in einen historischen Kontext gerückt wird, durch Vergleiche mit Zeitgenossen. Auch die Verbindung zur volkstümlichen Musik bringt einige lohnenswerte Erkenntnisse mit sich. An manchen Stellen ist die Einstiegshürde jedoch schon etwas höher: Anton Bruckner – Das verkannte Genie richtet sich an ein Publikum, das in diesem Umfeld bereits zu Hause ist, sich wohl fühlt, im Idealfall einige Vorkenntnisse mitbringt. Ansonsten drohen die stärker akademischen Passagen zu einer Geduldprobe zu werden und mehr Fragen aufzuwerfen als Antworten zu bringen.
Aber auch als kompletter Neuling lohnt sich der Blick, da aus den vielen zusammengetragenen Infos das Porträt eines Mannes ist, der sowohl als Mensch wie auch als Künstler ungewöhnlich war. Die Konzerte und theoretischen Ausführungen, welche abwechselnd gezeigt werden, ergänzen sich gut. Zu erzählen haben die Interviewpartner*innen ebenfalls einiges, selbst wenn es nicht sehr viele sind. Wer also mehr über Bruckner erfahren möchte oder über die Musik seiner Zeit, findet hier einen guten Anfang, trotz der tendenziell wenig inspirierten Vorgehensweise.
OT: „Anton Bruckner – Das verkannte Genie“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Reiner Moritz
Kamera: Danny Zober, Ludwig Hart, Christoph Ainedter, Dominique Crespel
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