Seit sie ein kleines Kind ist, fertigt Olistene bereits Laternen an, die jedes Jahr zum Neujahrsfest in einer feierlichen Zeremonie in den Himmel steigen. Doch inzwischen ist aus dem Mädchen eine greise Frau geworden, deren Hände nicht mehr so wollen wie sie. Immer wieder fangen diese zu zittern an, sie schafft kaum mehr etwas zu greifen. Da fällt ihr eine alte Legende ein, die früher erzählt wurde: Wer die alte blaue Laterne im richtigen Moment einsetzt, kann die Zeit noch einmal zurückdrehen, um ein ganzes Jahr. Das würde Olistene erlauben, weiterhin ihrer Arbeit nachzugehen und sich an ihrem Leben zu erfreuen. Allerdings bedeutet es auch, dass alle anderen in diesem Jahr feststecken, ohne es zu merken und ohne eine Chance, ganz normal weiterzumachen …
Seit Bill Murray 1993 gezwungen war, in Und täglich grüßt das Murmeltier… denselben wieder und wieder zu durchleben, erfreut sich das Prinzip der Zeitschleife in Filmen und Serien großer Beliebtheit. Das wurde wie beim Vorbild oft zu humoristischen Zwecken genutzt, wenn die Hauptfigur vergeblich versucht, aus diesem Dauerszenario auszubrechen. Die Geschichten können aber auch sehr tragischer Natur sein, wie etwa Matrjoschka oder auch The Endless bewiesen, wenn etwa die Unausweichlichkeit die Wiederholung traumatischer Ereignisse bedeutete. Es eben nicht darum ging, sich über wiederkehrende Missgeschicke zu amüsieren, sondern in einem Albtraum gefangen zu sein.
Gefangenschaft aus Überzeugung
Die Hüterin der blauen Laterne nimmt dieses beliebte Prinzip auch auf, macht daraus jedoch etwas ganz Eigenes. Anders als man es sonst bei diesen Geschichten gewohnt ist, ist die Zeitschleife bei dem kanadischen Animationsfilm eben kein nerviges Zufallsprodukt, das eines Tages über die Hauptfigur herfällt. Vielmehr hat diese die Wiederholung gezielt gesucht, weil sie der Zukunft entkommen will, die nach der Schleife auf sie warten würde. Das geht dann zwar auch mit dem einen oder anderen humorvollen Moment einher, gerade im Zusammenhang mit einem anderen Dorfbewohner, der jedes Jahr dieselben Fehler macht und sich damit ruiniert. Die Absicht ist jedoch eine andere.
Bemerkenswert ist zum einen, dass ein Kinderfilm anhand der zunehmend leidenden und zittrigen Olistene eine Parkinson-Erkrankung zeigt, selbst wenn diese nicht so genannt wird. Regisseur und Drehbuchautor Caleb Hystad geht mit Die Hüterin der blauen Laterne einen deutlich menschlicheren Weg. Die Angst vor dem Alter und Krankheit mag dem Zielpublikum noch fern sein, wird aber so glaubhaft vermittelt, dass man diese ohne wenn und aber nachempfinden kann. Selbst wenn die Großmutter anfangs als eher widerspenstig und grimmig gezeigt wird, das Mitleid ist ihr doch sicher. Und damit das Verständnis für ihre Tat, selbst wenn von Anfang an klar ist, dass es nicht richtig ist, was sie tut.
Das Leben mit dem Schmerz
Die Hüterin der blauen Laterne funktioniert deshalb auf mehreren Ebenen. Es handelt sich einerseits um ein fantasievolles Abenteuer, erzählt gleichzeitig die rührende Geschichte von einer Großmutter und ihrem Enkel, die sich langsam annähern. Letzten Endes verfolgt der Film aber auch ein pädagogisches Ziel, indem er den jungen Zuschauern und Zuschauerinnen vermittelt, dass man vor seinen Problemen nicht davonlaufen kann, man manchmal das Leben akzeptieren muss, wie es ist, und auch Verantwortung übernehmen muss, was geschieht. Das geschieht hier natürlich ein bisschen schnell, dem Film bleibt kaum Zeit für eine Entwicklung. Und zum Schluss wird dann doch eher idealisiert, das Ganze einfacher dargestellt, als es in Wirklichkeit wäre. Doch insgesamt ist das hier stimmig, unterhaltsam und eine interessante Mischung.
Das gilt auch für die etwas eigenwillige Optik. Die kanadische Produktion verwendet starre 2D-Hintergründe im Zeichentrickstil, ähnlich zu dem, was man in Der kleine Rabe Socke so sieht. Die Figuren selbst sind jedoch in 3D gehalten, fallen durch ungewöhnliche Designs auf und seitliche Münder auf, wie man sie etwa bei Shaun das Schaf – Der Film oder Mumins an der Riviera sieht. Technisch ist das alles natürlich nicht überragend, bei den Animationen muss man sich mit wenig zufriedengeben. Aber der Mix hat Charme, hebt sich von den vielen deutlich teureren CGI-Filmen ab, die ausgefeilter sind, aber auch ziemlich austauschbar. Umso mehr wäre es zu hoffen, dass der kleine Geheimtipp sein Publikum findet, verdient hätte er es.
OT: „Valley of the Lanterns“
Land: Kanada
Jahr: 2018
Regie: Caleb Hystad
Drehbuch: Caleb Hystad
Musik: Marc Junker
Kamera: Chad Veinot
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