Dreiviertelblut Weltraumtouristen
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Dreiviertelblut – Weltraumtouristen

Kritik

Dreiviertelblut Weltraumtouristen
„Dreiviertelblut – Weltraumtouristen“ // Deutschland-Start: 6. August 2020 (Kino) // 25. Februar 2021 (DVD)

Willkommen zurück! Zuletzt bewegte sich Marcus H. Rosenmüller ja auf etwas ungewohnten Pfaden. In Unheimlich perfekte Freunde erzählte er von den fantastischen Doppelgänger-Abenteuern von Schülern, in Trautmann reiste er nach England, um dort dem gleichnamigen Torwart ein filmisches Denkmal zu setzen. Doch jetzt bewegt sich der Regisseur wieder in heimischen Gefilden, ist wieder in dem Element, das ihn einst berühmt gemacht hat. Schließlich waren es seine bayerischen Geschichten, etwa in Wer früher stirbt, ist länger tot und Beste Zeit, die ihm als Vertreter eines neuen Heimatfilms viele Fans bescherten. Da war jemand, der mit Einfühlungsvermögen, aber auch Humor sein Umfeld genau beobachtete und aus dessen Alltag berichtete, ohne sich auf plumpen Klischees auszuruhen.

Das kommt ihm in Dreiviertelblut – Weltraumtouristen zugute, seinem zweiten musikalischen Porträt nach dem 2015 erschienenen Dokumentarfilm Hubert von Goisern – Brenna tuat’s schon lang. Dieses Mal nimmt er sich der titelgebenden Gruppe Dreiviertelblut an, die in bayrischer Mundart geschriebene Lieder singt. Es ist aber nicht allein der Bayern-Bezug, der Rosenmüller und seinen Co-Regisseur Johannes Kaltenhauser angezogen haben dürfte. Gerd Baumann, eines der beiden Gründungsmitglieder, komponiert sonst für Filme, hat auch mehrfach mit Rosenmüller zusammengearbeitet. Das andere Mitglied ist Sebastian Horn, den manche vielleicht als Sänger der Bananafishbones kennen.

Gedanken unter Freunden
Diese Vertrautheit ist dem Film anzumerken. Rosenmüller wird nicht nur zwischendurch mit seinem Spitznamen Rosi angesprochen. Auch beim Umgang miteinander sieht man, dass da Leute zusammengekommen sind, die sich schon lange kennen und mögen. Für einen Dokumentarfilm ist das nicht zwangsläufig die beste Voraussetzung. Gerade bei Künstlerporträts fehlt oft die kritische Distanz, wie etwa Tarantino – The Bloody Genius und Suzi Q gezeigt haben, die sich selbst zu einer reinen Heldenverehrung degradiert haben. Zu oft verkommt ein solches Werk dann zu einem Imagefilm, der eher dem Abverkauf als der Information dient. Die Fans freut das dann vielleicht, für andere lohnt sich das nur bedingt.

Bei Dreiviertelblut – Weltraumtouristen ist das zwar prinzipiell ähnlich, aber doch ganz anders. Im Gegensatz zu obigen Kollegen tut der Dokumentarfilm gar nicht so, als wäre er eine neutrale Instanz, die der Wissensvermittlung dient. Rosenmüller und Kaltenhauser erzählen relativ wenig zum Drumherum, arbeiten sich nicht an einer Chronologie ab. Stattdessen gibt es viele persönliche Gespräche, die sich beispielsweise mit der Frage nach der Inspiration auseinandersetzen. Woher haben Künstler eigentlich ihre Ideen? Wie kommt es, dass manchen immer etwas einfällt und anderen gar nichts?

Hier und doch woanders
Ein anderes Thema, welches in dem Film aufkommt, ist das ambivalente Verhältnis zu der eigenen Heimat. Dreiviertelblut ist dabei einerseits wichtig, die bestehende Kultur zu bewahren, als prägendes Element der Menschen – weswegen dann auch auf Bayrisch gesungen wird. Doch dies soll nicht ausschließend aufgefasst werden, die Musik wagt einen Spagat aus Lokalkolorit und Weltoffenheit. Nicht ganz grundlos trägt der Film das Wort „Weltraumtouristen“ im Titel. Hier geht es um eine Suche, die einerseits nah bei den Menschen ist, gleichzeitig aber auch zum Horizont blickt, etwas will und braucht, was über selbst gesetzte Grenzen à la „mia san mia“ hinausgeht.

Anders als die visionären Höheflüge gewisser anderer bayerischer Herren, die jede Menge Spott nach sich zogen, ist die Weltraumkomponente hier nicht Ausdruck eines gesteigerten Selbstbewusstseins. Vielmehr ist dies Teil eines Films, der eben auch skurril und manchmal poetisch ist, der einem Spaziergang durch einen Wald eine mystische Komponente abgewinnt, anstatt diesen mit einer zünftigen Brotzeit auszuschlachten. Zu der leicht märchenhaften, nachdenklichen Stimmung passen die in Schwarzweiß gehaltenen Bilder, die immer leicht entrückt wirken. Selbst wer eher weniger mit der Musik anfangen kann, die mal rockig, dann wieder melancholisch ist, bodenständig und doch in anderen Sphären, findet hier eine Künstlerdoku, die tatsächlich auch Nicht-Fans etwas zu sagen hat.

Credits

OT: „Dreiviertelblut – Weltraumtouristen“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Marcus H. Rosenmüller, Johannes Kaltenhauser
Kamera: Johannes Kaltenhauser

Bilder

Trailer

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„Dreiviertelblut – Weltraumtouristen“ geht mit den beiden Gründungsmitgliedern der bayerischen Volksmusik-Gruppe Dreiviertelblut auf Spurensuche. Das hat jedoch nichts mit plump-krachenden Provinzgeklöppel zu tun, sondern ist eine skurril-märchenhafte, oft nachdenkliche Beschäftigung mit der Kunst an sich.