Erst stirbt der geliebte Wellensittich, dann macht das Auto Zicken, es gibt Ärger mit der Scheidung und zu guter Letzt wollen die Eltern auch noch kollektiv Selbstmord begehen: In Irgendwann ist auch mal gut spielt Fabian Hinrichs einen Bestatter, in dessen Leben so rein gar nichts mehr funktioniert. Nach der Premiere beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2020 läuft die Tragikomödie am 23. Juli 2020 im Rahmen der ZDF-Reihe Shooting Stars und ist auch in der Mediathek zu finden. Wir haben uns mit dem Schauspieler über seine Rolle, unseren Umgang mit dem Tod und die Frage der Verantwortung unterhalten.
Was hat Sie an der Rolle in Irgendwann ist auch mal gut gereizt?
Da gab es eine Reihe von Gründen. Zunächst wäre da das Drehbuch. Wenn man dem Film ein Etikett aufkleben wollte, könnte man ihn eine Screwball-Tragikomödie nennen. Solche werden heute kaum noch gedreht. Versuche gibt es zwar immer wieder mal, die meisten scheitern aber schon beim Drehbuch. Das von Irgendwann ist auch mal gut war hingegen so verspielt und dabei doch ernst, so eigen und widersprüchlich, sogar auch mutig, dass ich unbedingt dabei sein wollte. Die Figur des Karsten fand ich spannend, der in seinem Leben viele falsche Entscheidungen getroffen hat, dafür aber andere verantwortlich macht, und irgendwann damit konfrontiert wird. Denn jetzt bricht ihm alles weg. Ich mochte dabei sehr gern diese Mischung aus Skurrilem und Bewegendem, die mit dieser Krise einhergeht. Dann war die Begegnung mit Christian Werner wunderbar, der Regisseur des Films. Und mich hat die Zusammenarbeit mit Franziska Walser und Michael Wittenborn gelockt, die in dem Film meine Eltern spielen.
Der Film behandelt ein Thema, das man nicht so oft im Fernsehen sieht: der Tod. Warum fällt es uns so schwer, über dieses Thema zu reden und auch zu lachen?
In Deutschland hadert man tatsächlich sehr damit. Das ist in anderen Ländern und anderen Kulturen etwas anders. Das vielbesprochene Tanzen auf den Gräbern in Mexiko zum Beispiel, das wir aus den Reiseführern kennen. Bei uns wird auch nicht laut gewehklagt, wenn jemand gestorben ist, sondern ganz still in uns getrauert. Selbst bei der Beerdigung setzen wir uns nicht damit auseinander, die Trauerreden halten völlig Fremde, die den Toten gar nicht kannten. Als ich noch ein Kind war, ist meine Oma gestorben. Und dann kam ein fremder Mann, der sich vorher Informationen von den Verwandten geholt hat, und hat über sie gesprochen, ohne sie je getroffen zu haben. Das war für mich völlig befremdlich. Ein anderes aktuelles Beispiel: Bei uns wurde auch im Rahmen der Corona-Pandemie die ethische Debatte der Beatmung zunächst kaum geführt, wenn beispielsweise einige Menschen an Beatmungsgeräte kamen, ohne gefragt zu werden, ob sie das angesichts der möglichen schweren Folgeschäden überhaupt wollten. Um den Tod unter allen Umständen zu verhindern.
Wie haben Sie die letzten Wochen und Monate erlebt, als uns der mögliche Tod ständig umgeben hat?
Für mich war das gerade auch als Künstler erschreckend. In der Krise wurden die Künste lange Zeit als etwas behandelt, das vollkommen unwichtig ist. Klar war es wichtig, sich um das Überlebensnotwendige zu kümmern. Doch das, was uns zu Menschen macht, also die Kultur, die wurde dabei herb vernachlässigt. Ein Luxus, bei dem es ganz nett ist, dass es ihn gibt, mehr aber auch nicht. Und das sehe ich ganz anders. Der Tod ist etwas, das uns innen richtig angreift. Die mögliche Vernichtung von uns selbst, das löst große Gefühle aus. Und auch große Fragen. Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was kommt danach? Wie war mein Leben? Wie fühle ich mich da? Was sind die verpassten Chancen? Diese existenziellen Fragen, die scheinen immer wieder hinter Normen und Abstandregelungen zu verschwinden, weil wir mit denen einfacher umgehen können als mit einer inneren Auseinandersetzung, welche die Kunst eben sein kann. Deswegen werden wohl seltener Filme zu dem Thema gedreht. Deswegen wollen manche Leute solche Filme vielleicht auch nicht sehen.
In Irgendwann ist auch mal gut geht es dabei nicht allein um den Tod an sich, sondern um einen selbstbestimmten Tod. Darüber wollen die Leute noch weniger reden. Ihre Figur fällt auch völlig aus den Wolken, als sie erfährt, dass die eigenen Eltern Selbstmord begehen wollen, und will ihnen das unbedingt ausreden. Gibt es Ihrer Ansicht nach eine Pflicht zu leben?
Das ist vermutlich eine der schwierigsten Fragen, die man überhaupt jemandem stellen kann. Theologisch könnte man darauf vermutlich antworten, dass alles Seiende danach ruft, dass es ist. Der schöpferische Auftrag ist es zu sein und eben nicht nicht zu sein, womit ein Selbstmord ausgeschlossen ist. Und wenn du beispielsweise Kinder hast, die auch wirklich noch Kinder sind, dann hast du schon eine Fürsorgepflicht und damit diese Pflicht zum Leben. Wenn man aber täglich vergewaltigt und misshandelt wird, jemand schon morgens Zigaretten in deinem Gesicht ausdrückt, dann ist das schwierig. Oder wenn du unerträgliche Schmerzen hast. Ich denke da an einen Satz aus Ibsens Gespenster. Darin leidet der Sohn an Syphilis, eine Krankheit, von der niemand zur Zeit der Handlung weiß, was das genau ist und woher das kommt und deshalb als Strafe Gottes angesehen wird. Er hat deswegen Morphium angesammelt und sagt zu seiner Mutter: „Ich habe dich um das Leben nicht gebeten. Und was für ein Leben hast Du mir gegeben? Ich will es nicht haben. Du sollst es mir wieder nehmen!“ Das ist natürlich ein teuflischer Satz, weil keiner von uns hat darum gebeten, auf die Welt zu kommen. Und wenn du nicht darum gebeten hast, wer kann es dir dann versagen, wenn du dieses Leben nicht möchtest? Man muss manchmal schon sehr stark sein in diesem Leben, um das auszuhalten.
An einer Stelle von Irgendwann ist auch mal gut wird Karsten darauf aufmerksam gemacht, dass er seine Eltern von ihrem Vorhaben abbringen will, indem er Nein zum Tod sagt. Er solle doch lieber Ja zum Leben sagen und zeigen, warum es lebenswert ist. Was sind die Sachen, die Ihr Leben für Sie lebenswert machen?
Die Liebe zu meiner Frau, zu meinen Kindern, zu meinen Freunden und zur Welt an sich.
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