Wo sind all die Fische hin? Im Meer hat ein gewaltiges Sterben eingesetzt, so sehr die Wissenschaftler auch suchen, es lässt sich kaum noch ein Lebenszeichen finden. Daniel (Gustave Kervern) ist einer der Wissenschaftler, die dieses Phänomen untersuchen und Möglichkeiten erforschen, diese ökologische Katastrophe wieder aufzuhalten. Dabei wird er derzeit von einem ganz anderen Wunsch angetrieben: Er möchte gern Vater werden! Doch auch das ist ein schwieriges Unterfangen, schließlich gibt es in der ländlichen Gegend an der Atlantikküste Frankreichs kaum noch freie Frauen im zeugungsfähigen Alter. Erst als er Lucie (India Hair) über den Weg läuft und einen seltsamen Fisch im Meer findet, scheint sein Leben die erwünschte Wendung zu nehmen …
Seit Jahren schon warnen Wissenschaftler vor den unabsehbaren Folgen, welche die menschliche Lebensweise auf die Natur hat. Neben dem zuletzt wieder etwas stärker bewanderten Klimawandel ist es vor allem das drohende Massensterben der Tiere, welches Anlass zur Sorge bietet. Ob nun Insekten oder Vögel, seltene Schildkröten oder Nashörner – die Bedrohung betrifft praktisch alle Tierarten, die es heute auf der Erde gibt. Und das gilt natürlich auch für die Meeresbewohner: Dokumentationen wie The Whale and the Raven und Sea of Shadows – Kampf um das Kokain des Meeres machen auf die Gefahren aufmerksam, denen Fische und maritime Säugetiere ausgesetzt sind, sind leidenschaftliches Plädoyer dafür, die Lebewesen zu schützen.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Nun nimmt sich auch Olivier Babinet dieses Themas an. Der französische Regisseur und Co-Autor, der zuletzt mit seinem dokumentarischen Jugendporträt Swagger von sich hatte reden machen, wählt hierfür jedoch das Mittel des Spielfilms. Genauer macht er eine Tragikomödie daraus, die mit viel schrägem bis absurdem Witz arbeitet. Das betrifft beispielsweise die verzweifelten Versuche der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die noch verbliebenen Fische zur Fortpflanzung zu bewegen. Ob diese Form von Galgenhumor in der aktuellen Situation angemessen ist, darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein. Die Figuren begegnen der Katastrophe mit so viel resignierter Distanz, dass daraus kein Gefühl der Dringlichkeit mehr entsteht.
Allerdings passt das zu der melancholischen, etwas surrealen Stimmung der belgisch-französischen Coproduktion. Diese wird maßgeblich durch Daniel mitgeprägt, der – vergleichbar zu den Fischen – keine wirkliche Möglichkeit mehr sieht, sich zu reproduzieren. Normalerweise sind es in Filmen Frauenfiguren, die sich danach sehnen, Kinder zu bekommen. Wenn hier ein Mann mittleren Alters, der nicht unbedingt dem gängigen Schönheitsideal entspricht, diesen Wunsch teilt, ist das schon etwas Besonderes. Ein Mann, der sich nach einem eigenen Sinn in der Welt sehnt, nach Nähe auch, und doch nur von Leere und Tod umgeben ist, einem künstlichen, klinischen Leben, dem schon vor langer Zeit die Wärme entfleucht ist.
Das Glück inmitten der Einsamkeit
Das spiegelt sich in den oft kühlen Bildern wieder. Selbst der Strand, sonst immer für ein paar idyllische und romantische Aufnahmen gut, wird hier zu einem Ort, der ein Gefühl der Verlorenheit und unerfüllten Sehnsucht vermittelt. Immer wieder gleitet der Blick zum Horizont, auf der Suche nach Leben und Erfüllung, nur um wieder enttäuscht zu werden. Gleichzeitig ist Fishlove, an anderen Stellen unter dem Alternativtitel Sexfish bekannt, aber ein Film voller Wärme, der hoffnungsvoll stimmt. Denn inmitten der Einsamkeit gibt es sie immer wieder, die Momente des Glücks und der Annäherung, Anzeichen, dass da doch noch etwas ist, um das es sich zu kämpfen lohnt. Dass inmitten der Leere und des Todes etwas wartet.
Dass der vermeintliche Fisch, der zum Hoffnungsträger von Daniel wird, eigentlich ein Axolotl ist, macht da nicht wirklich was aus. Der possierlich-eigenartige Schwanzlurch, der bis heute der Wissenschaft durch seine verblüffende Heilungsfähigkeit Rätsel aufgibt, passt zu gut zu einem Film, bei dem alles irgendwie komisch ist. Hin und wieder darf beim Beitrag vom Neuchâtel International Fantastic Film Festival 2020 auch kräftig gelacht werden, wenn es zwischenzeitlich besonders abstrus wird. Fishlove ist jedoch eher ein leiserer Film, der an die Seltsamkeiten von Quentin Dupieux erinnert, dies aber mit mehr Wärme und Zärtlichkeit verbindet als beim Landsmann üblich. Eine schrullige Komödie, die dabei trotz allem das Herz nicht aus den Augen verloren hat.
OT: „Poissonsexe“
AT: „Sexfish“
Land: Frankreich, Belgien
Jahr: 2019
Regie: Olivier Babinet
Drehbuch: Olivier Babinet, David Elkaïm
Musik: Jean-Benoît Dunckel
Kamera: Timo Salminen
Besetzung: Gustave Kervern, India Hair, Ellen Dorrit Petersen, Okinawa Valérie Guerard, Alexis Manenti, Sofian Khammes
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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César | 2021 | Beste Nachwuchsdarstellerin | India Hair | Nominierung |
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