Was hat sie sich auf den Tag gefreut: Seitdem Lene (Luise Heyer) in Kopenhagen auf einem Konzert des Singer-Songwriters Leif war, hat sie darauf hingearbeitet, dass er auch einmal in ihrer Kneipe auftritt. Heute ist es endlich so weit, sie ist nach einer längeren Pause das erste Mal wieder in dem kleinen Musikkeller, die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Doch das ist alles nicht so einfach wie gedacht. Erst gibt es Ärger mit dem Lieferanten, auch sonst muss die Barfrau Nervenstärke beweisen. Aber sie freut sich auf den Abend, spielt Stammgästen und Fremden die Musik des Dänen vor, um kräftig Werbung zu machen. Nach und nach füllt sich die Kneipe, es kann losgehen – oder etwa doch nicht?
Ist der Zeitpunkt jetzt perfekt gewählt oder doch irgendwie unpassend? Zumindest ist es ein bisschen gemein, einen Kneipenfilm in die Kinos zu bringen, wenn die Zukunft eben dieser Kneipen und auch bisschen der Kinos sehr unsicher geworden sind – schließlich haben beide unter der Corona-Pandemie zu leiden. Als Regisseur und Drehbuchautor Christian Klandt Leif in Concert Vol. 2 drehte, war dies alles natürlich noch nicht abzusehen gewesen. Premiere feierte die Tragikomödie um einen Abend in einer Kneipe schon im Sommer 2019 beim Filmfest München. Danach stand eine Tour durch diverse Festivals an, bevor es nun in die Kinos geht, wenn auch einige Monate später als geplant.
Ein Zuhause im Nirgendwo
Andererseits, Leif in Concert Vol. 2 ist kein Film, der an eine bestimmte Zeit gebunden ist – oder einen bestimmten Ort. Die Geschichte beginnt damit, dass Lene durch die Gegend radelt, an den unterschiedlichsten Städten vorbeikommt und damit anzeigt: Sie könnte überall spielen. Auch die Kneipe selbst wird nicht als konkreter Ort festgelegt, wie es beispielsweise die Kultserie Cheers seinerzeit getan hat. Man weiß hier selbst nach fast zwei Stunden Laufzeit nicht, wie die Kneipe heißt, wo sie sich befindet. Zwar gibt es später einen Hinweis, der den Radius doch einschränkt, wo wir uns befinden. Ganz aufgeklärt wird es aber nicht – soll auch gar nicht.
Leif in Concert Vol. 2 ist vielmehr eine Ode an die Kneipe an sich, an jene kleinen Spelunken, in denen man zusammensitzt, die unterschiedlichsten Leute aufeinandertreffen, um ein Bier zu trinken, ein bisschen zu quatschen oder vielleicht der Musik zu lauschen, ob sie nun von der Bühne oder aus dem Lautsprecher kommt. Damit einher geht ein entsprechendes Menschenbild, das Klandt im Herzen trägt. Sicher, da ist nicht alles Friede Freude Eierkuchen im Keller, man kommt sich in die Haare, mal mit Gästen, mal im Beruflichen, mit Vertrauten oder völlig Fremden. Und doch entsteht dabei das Gefühl einer Gemeinschaft, einer Art Heimat, bei der es völlig egal ist, woher du kommst oder was du tust.
Der Traum von der Gemeinschaft
Das ist natürlich schon etwas idealisierend, nostalgisch-verklärend, ein bisschen märchenhaft. Aber es ist ein sehr schönes Märchen, das gerade in einer Zeit, in der die Gesellschaft auseinanderbricht ein wichtiges Zeichen dafür setzt, doch etwas zusammenzurücken. Wobei Leif in Concert Vol. 2 dabei keine Geschichte erzählt im eigentlichen Sinn. Vielmehr hat Klandt einen klassischen Ensemblefilm gedreht, der zwar an einem einzigen Schauplatz stattfindet, dabei jedoch aus vielen voneinander unabhängigen Einzelteilen besteht. Während am einen Tisch über neue Geschäftsideen sinniert wird, typische Schnapsideen eben, geht es an einem anderen vielleicht gerade um große Gefühle, Lene ist zwischenzeitlich damit beschäftigt, irgendwie das verstopfte Klo wieder einsatzfähig zu bekommen, bevor der große Andrang ansteht. Das ist alles nicht aufregend oder weltbewegend. Es ist nicht einmal so, dass Klandt à la Cheers tatsächliche Gags eingebaut hätte, um sein Publikum zum Lachen zu bringen.
Vielmehr gibt es hier diverse Anlässe zum Schmunzeln, gerade wegen der diversen kauzigen Figuren, die von zahlreichen bekannten Künstlern und Künstlerinnen verkörpert werden. Da treffen beispielsweise die Schauspieler Florian Bartholomäi und Godehard Giese auf Punk-Ikone Bela B, dazwischen tummeln sich die Filmemacher David Wnendt und Tom Lass. Doch im Mittelpunkt steht natürlich Luise Heyer (Der Junge muss an die frische Luft, Das schönste Paar), die als Bindeglied die unterschiedlichsten Leute zusammenbringt, ein zerbrechlicher Anker, der zwischendurch selbst kräftig ins Schwimmen kommt. Ihr zuzusehen, wie sie von Tisch zu Tisch läuft, versucht irgendwie alles ins Lot zu bringen, mit einer Mischung aus Frust und echter Begeisterung, das ist einem so nahe, als würde man sie seit Jahren kennen. Als würde man sie alle kennen, die Spinner und Träumer, die Braven und Verkrachten, mit denen wir etwas teilen, von dem wir bis vor Kurzem vielleicht gar nicht bemerkt haben, wie wertvoll es ist. Herausgekommen ist ein wundervoller kleiner Film, der gleichermaßen von Wehmut und Zuversicht geprägt ist, voller Persönlichkeit und Leben und dabei doch bei jedem um die Ecke spielen könnte.
OT: „Leif in Concert Vol. 2“
Land: Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Christian Klandt
Drehbuch: Christian Klandt
Kamera: René Gorski
Besetzung: Luise Heyer, Klaus Manchen, Michael Klammer, Katharina Matz, Florian Bartholomäi, Gerdy Zint, Volkan Türeli, Godehard Giese, Michael Specht, David Wnendt, Tom Lass
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