Im 5. Jahrhundert v. Chr. stehen die beiden Großreiche Persien und Griechenland im Krieg, erbittert kämpfen sie um Länder, Reichtum und Macht. Doch das persische Herrschergeschlecht steht unter keinem guten Stern, denn auch wenn es eine gigantische, schwer gerüstete Armee befehligt, immer wieder scheitern sie an den Strategien und Kniffen der Griechen. Als dabei auch noch der König Darius ums Leben kommt, scheint das Schicksal endgültig besiegelt zu sein. Dessen Sohn Xerxes will diese Schmach aber nicht auf sich beruhen lassen, sondern schwört Rache. Und so setzt er nach einer kürzeren Selbstsuche an, das griechische Reich zu unterwerfen und als Gott über alle zu herrschen …
Ein spätes Wiedersehen
Wenn ein Titel aus einem künstlerischen Gebiet Erfolg hat, dann liegt die Versuchung nahe, irgendwie an diesen anschließen zu wollen. Bei narrativen Werken bietet es sich beispielsweise an, eine Fortsetzung auf den Markt zu bringen, mit dem Kalkül, dass die Fans des ersten Teils auch beim zweiten mit am Start sein werden. Manche lassen, sich dabei jedoch recht viel Zeit. Während der 2006 veröffentliche Schlachtenfilm 300 2014 mit 300: Rise of an Empire fortgesetzt wurde, liegen sogar zwanzig Jahre zwischen dem gleichnamigen Comic von Frank Miller und Xerxes, mit dem der Autor in die Zeit der großen Kämpfe zwischen Persern und Griechen zurückkehrte.
Um eine reine Fortsetzung handelt es sich hierbei jedoch nicht, was auch kaum möglich gewesen wäre. Schließlich starb Leonidas am Ende des Buches, der große, mutige Anführer der Spartaner, der mit seiner Heldentat den Triumph der Griechen erst möglich gemacht hat. Also wechselte Miller hier die Seiten, erzählt dieses Mal die Geschichten der Perser, wie der Titel Xerxes bereits verrät. Wobei Letzterer etwas trügerisch ist: Der Comic umfasst ein Zeitspanne von rund 160 Jahren, die ersten und letzten Kapitel haben deswegen mit der Titelfigur recht wenig zu tun, sondern schildern das Schicksal des persischen Königshauses an sich. Wo sich 300 auf einen zeitlich und personell sehr eng gefassten Rahmen stützte, ist das hier umfassender und ambitionierter.
Es geht auch ohne Worte
Aussagekräftiger ist der neue Anlauf von Miller aber kaum geworden. Waren die Figuren in 300 schon keine besonders ausgeprägten Plaudertaschen, verzichtet Xerxes über weite Strecken völlig auf Dialoge. Das Ergebnis ist etwas zwiespältig. Auf der einen Seite ist der Informationsgrad dadurch ausgesprochen überschaubar. Schon der erste Comic hielt sich nicht lange damit auf, den Lesern und Leserinnen tatsächliche Einblicke in die damalige Zeit und Verhältnisse zu geben. Hier wird nun endgültig darauf verzichtet, mit historischen Kontexten zu arbeiten. In Folge weiß man, sofern man sich nicht zufällig in dem Bereich auskennt, kaum, was hier genau geschieht. Es ist zudem nahezu unmöglich, einen Zugang zu den Figuren und Ereignissen zu finden, was in Hinblick auf die Spannung wenig förderlich ist. Es wird zwar viel gekämpft und intrigiert. Eigentlich ist das aber auch egal.
Gleichzeitig hilft es dabei, sich auf die eigentlichen Stärken des Comics zu konzentrieren: die Bilder. Die doch recht plumpe Heldenverehrung von 300, einhergehend mit fragwürdigen Geschlechterbildern und Homophobie, ist durch den Seitenwechsel und die schweigende Entfremdung nicht mehr so stark gegeben. Vereinzelt findet man das zwar noch vor. Die meiste Zeit ist Xerxes aber in erster Linie ein großflächiger Bilderrausch, erfüllt von Schlachten und Brutalität. Das wird denjenigen vermutlich weniger gefallen, die sich vor allem an dem Pathos erfreuten, wenn eine kleine wackere Truppe dem übermächtigen Feind trotzt. Die düsteren, teils bizarren Zeichnungen, die den Menschen das Menschliche rauben, sind jedoch geblieben und bieten einen Blick auf die Geschichte, der gerade deshalb fasziniert, weil er sich wenig für das Reale interessierte. Miller hat seine eigene Welt erschaffen, in der überlebensgroße Männer umherschreiten, während um sie herum alles zerbricht und das Individuum zu einem reinen Accessoire wird.
OT: „Xerxes“
Land: USA
Jahr: 2018
Text: Frank Miller
Zeichnungen: Frank Miller
Farben: Alex Sinclair
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