Henry Page (Austin Abrams) weiß ganz genau, was er will: Chefredakteur bei seiner Schulzeitung werden! Fast hat er dies auch geschafft. Allerdings beschließt sein Lehrer, dass er sich den Posten mit Grace Town (Lili Reinhart) teilt. Die ist neu an der Schule und soll gleich mal in den Alltag integriert werden, zumal sie die nötigen Vorkenntnisse mitbringt für den Redaktionsalltag. Nur kein wirkliches Interesse. Zwar erklärt sie sich bereit, Input zu liefern und mitzuarbeiten, den Posten der Chefredakteurin lehnt sie jedoch ab. Fasziniert von der geheimnisvollen Fremden beginnt Henry immer mehr Zeit mit ihr zu verbringen und entwickelt dabei bald Gefühle …
Auch wenn die Menschen immer älter werden, die Lebenserwartung inzwischen um die 80-Jahre-Marke pendelt, kein Lebensabschnitt ist wichtiger und prägender als der zwischen 15 und 20. Zumindest ist das der Eindruck, den Filmemacher und Filmemacherinnen erwecken, wenn sie immer wieder dorthin zurückkehren und von den Erfahrungen junger Menschen berichten. Meistens sind es schwierige Erfahrungen, wenn die Figuren in der Phase zwischen Kind und Erwachsenen feststecken. Sie sind gerade dabei, einen eigenen Weg zu suchen, was oftmals in die Irre führt. Und natürlich ist das auch das Alter, wo es einen meistens das erste Mal in Sachen Liebe so richtig erwischt – was oft mit gebrochenen Herzen einhergeht und dem Gefühl, dass bald die Welt untergeht. Mehrfach.
Die Jugend als Hölle
Mit dem Amazon Prime Video-Drama Chemical Hearts – alternativ Unsere verlorenen Herzen – kommt nun ein weiterer Film dazu, der sich in das Leben junger Menschen hineinversetzt und vor allem von dem Leid erzählt, das einen in diesem Alter beschäftigt. Wobei die Adaption von Krystal Sutherlands Roman Wer fliegen will, muss schwimmen lernen noch einmal deutlich über das hinausgeht, was in diesem Bereich so üblich ist. Tatsächlich beschreibt das Werk diesen Lebensabschnitt weniger als spannendes Abenteuer, sondern vielmehr als eine Abfolge von Prüfungen, die es zu bewältigen gilt. Die Jugend, so scheint es hier, ist etwas, das nicht erlebt, sondern höchstens überlebt wird. „Adults are just scarred kids who were lucky enough to make it out of teenage limbo alive“, beschreibt es Grace an einer Stelle.
Wobei ihr Fall natürlich noch mal etwas spezieller ist. Chemical Hearts ist nicht allein die Geschichte von zwei Jugendlichen, die erste Gefühle füreinander entwickeln, auch wenn der Titel eine reine Romanze erwarten lässt. Vielmehr wird recht bald klar, dass Grace, die sich nur mühselig mit Hilfe eines Stocks fortbewegt, noch deutlich mehr Lasten auf ihrem Rücken herumträgt. Und ihrem Herzen natürlich. Regisseur und Drehbuchautor Richard Tanne (My First Lady) erzählt in seinem zweiten Spielfilm von Traumata und den Schwierigkeiten, über ein solches hinwegzukommen. Einfach ist das nie, die im Film beschriebene Situation ist so schrecklich, dass tatsächlich Narben davon für den Rest des Lebens bleiben werden. Es ist vor allem dann nicht einfach, wenn die Erfahrung noch so jung geschieht, zu einem Zeitpunkt, in dem man noch nicht wirklich gefestigt ist.
Das Licht am Ende des Tunnels
Doch Chemical Hearts ist kein Film, der dieses Leid zelebriert und mit aller Macht Tränen erzwingen will. Stattdessen erinnert uns Tanne daran, dass es zwar harte Arbeit bedeuten kann, es vielleicht auch viele Jahre dauert und nicht das übliche High-School-Happy-End mit sich bringt, dass es aber durchaus möglich ist im Anschluss weiterzumachen. Das kann durch die Unterstützung des Umfelds geschehen, durch einen einfühlsamen Partner, auch eine künstlerische Verarbeitung kann helfen. Ein Patentrezept gibt es jedoch nicht und man muss es dem Drama hoch anrechnen, dass Henry nicht zum strahlenden Ritter ernannt wird, der die hilflose Damsel in Distress von ihrem Leid befreit mit der Macht der Liebe. Er ist vielmehr selbst oft hilflos und muss lernen auch damit umgehen zu können.
Das macht Chemical Hearts zu einem realistischeren Vertreter in einem Feld, das gern mit viel Herzschmerz, aber auch Glückskeksen um ein Publikum wirbt. Gleiches gilt für die Nebenhandlung um Lola (Kara Young) und Cora (Coral Peña), die ebenfalls mit ihren Gefühlen zu kämpfen haben, was bei ihnen aber mehr auf eine wenig geglückte Kommunikation zurückzuführen ist. Insgesamt wäre es schön gewesen, wenn der ruhig erzählte Film das Umfeld noch stärker miteinbezieht. Er ist teilweise so sehr auf das Hauptduo fixiert, dass man kaum noch glaubt, in der Welt da draußen unterwegs zu sein. Dafür passt aber die Besetzung: Lili Reinhart (Hustlers), die den Film initiierte und mitproduzierte, und Austin Abrams (Scary Stories to Tell in the Dark) geben zusammen ein interessantes und rührendes Paar, obwohl – oder weil – da einiges nicht so passt. Wie so oft im Leben.
OT: „Chemical Hearts“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Richard Tanne
Drehbuch: Richard Tanne
Vorlage: Krystal Sutherland
Musik: Stephen James Taylor
Kamera: Albert Salas
Besetzung: Lili Reinhart, Austin Abrams, Kara Young, Coral Peña
Was veranlasste ihn dazu, den Roman zu verfilmen? Muss Erwachsenwerden mit Schmerzen verbunden sein? Und was hat Liebe eigentlich mit Chemie zu tun? Diese und weitere Fragen haben wir in unserem Interview Regisseur und Co-Autor Richard Tanne über sein Coming-of-Age-Drama Unsere verlorenen Herzen gestellt.
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