Für den Antiquitäten- und Kunsthändler Pierre Niox (Alain Delon) sind Arbeit und Leben gleichbedeutend. Zusammen mit seinem Assistenten sucht er unaufhörlich nach neuen Gegenständen, Kunstwerken und neuerdings sogar Häusern, die er meist sogleich wieder verkauft und nie lange behält. Aufgebracht, nachdem sich Niox das Grundstück ihres Vaters unrechtmäßig erschlichen hat, verlangt Edwige (Mireille Darc) ihren rechtmäßigen Anteil. Die Beharrlichkeit der schönen Frau zeigt eine unerwartete Wirkung, denn nicht nur zeigt sich Pierre bereit, die geforderte Summe zu zahlen, er hat sich zudem in Ediwge verliebt und bittet kurzentschlossen um ihre Hand. Während Pierre auf einer weiteren Geschäftsreise ist, hat er Edwige freie Hand beim Kauf und der Einrichtung ihres gemeinsamen Apartments mitten in Paris gelassen. Doch Edwige muss einsehen, dass auch ihre Liebe zu Pierre es nicht schafft, diesen zu bremsen. Ohne an seine Gesundheit und das Wohl anderer zu denken, hetzt er weiter von einem Termin zu nächsten und wirkt geradezu hysterisch, als eine wertvolle Vase zur Auktion steht, die er schon immer haben wollte. Als Pierre versucht, das Geld für den Kauf aufzutreiben, kommt es zwischen ihm und Edwige zu einer Auseinandersetzung und ein Arzt stellt ihm eine ernüchternde Diagnose.
Unter Strom
Basierend auf dem 1941 erschienen Romans L’Homme presse von Paul Morand erzählt der gleichnamige Film des für seine TV-Produktionen bekannten Regisseurs Édouard Molinaro von einer Gesellschaft, in der Effizienz und Besitzdenken die obersten Prämissen sind. Hauptdarsteller Alain Delon war von der Vorlage mehr als überzeugt und wirkte bei Der Antiquitätenjäger auch als Produzent mit. In einer Zeit, in der sich der Schauspieler mit mehr oder weniger vergessenswerten Rollen in Thrillern die Zeit vertrieb, sticht dieser Film als eine Geschichte heraus, die gerade vor dem Hintergrund der immer schneller werdenden Leistungsgesellschaft eine geradezu erschreckende Aktualität aufweist.
Alain Delon spielt einen Mann, der konstant unter Strom zu stehen scheint. Kaum in seiner Hotelsuite angekommen, die ihm als Büro dient, dirigiert er neben einem Treffen mit einem anderen Antiquitätenhändler noch gleich drei andere Gespräche, die sich alle um das Kaufen oder Verkaufen von Dingen drehen. Immer in Bewegung bleiben, ist die Devise dieses Menschen, der seine kaum angetraute Ehefrau geradezu in die Flitterwochen zerrt und, kaum das sie in der Hochzeitssuite angekommen sind, schon wieder mit gepackten Koffern zum nächsten Flieger zieht, da abermals ein Geschäft ansteht, das er sich nicht entgehen lassen kann. Kaum eine Szene in Molinaros Drama zeigt Pierre, wie er ruhig irgendwo sitzt oder steht, denn er geht oder vielmehr stürmt durch das Bild und hetzt sein Umfeld zu eben solchen Leistungen an, da keiner mit seinem Tempo mithalten kann.
Wer einen Film wie Der Antiquitätenjäger als ein persönliches Drama versteht, verkennt die Dimensionen der Geschichte, den tieferen Sinn einer Figur, wie sie Delon spielt. Immer wieder sieht man, wie die von Mireille Darc gespielte Edwige vor der Frage steht, ob es die Person ist, die sich dieses Tempo aufbürdet oder ob nicht gar ein System dahintersteckt, ein Markt, der seine Beteiligten zu einer solchen Geschwindigkeit treibt. Heutzutage trennt den Jäger von Antiquitäten in diesem Film nicht sehr viel vom Börsianer, der im Sekundentakt Kurse und Entwicklungen, Käufe und Verkäufe überblicken muss. Dass dieses Tempo Konsequenzen nach sich zieht, sowohl psychologischer wie auch physischer Art, liegt auf der Hand, blickt man alleine schon auf die ungesunde Hautfarbe Pierre und wie dieser außerhalb des Kaufens als Akt an sich kaum mehr Genuss im Leben findet.
Der Akt des Kaufens
Es wäre einfach (und wahrscheinlich etwas platt) gewesen, hätte man Delons Figur beispielsweise zu einem Immobilienmakler gemacht. Sein Geschäft mit alten Gegenständen, die neben einem monetären auch vielfach einen sentimentalen oder gar kulturellen Wert haben, lässt ihn blind werden für alles, was außerhalb der reinen Akkumulation dieser Dinge stattfindet. In einer bezeichnenden Szene fragt Edwige Pierre, ob er sie geheiratet hat, weil es für ihn zum Teil des Kaufes zählte, was dieser mit einem vielsagenden, charmanten Lächeln quittiert.
Auch wenn nicht jede Episode sinnstiftend für dessen Aussage und Thema ist, rettet sich Molinaros Film immer wieder durch seine Darsteller, allen voran natürlich Alain Delon. Mit der für sein Spiel üblichen Nonchalance, dem Charme, der bisweilen so durchlässig wird, dass man die spirituelle Leere in diesem Menschen spürt, ist Pierre Niox eine faszinierende und zugleich schockierende Figur, zeigt sie doch auf, wie das Hamsterrad des ewigen Leistungsdrucks uns antreibt und wie wir unter dessen Räder geraten.
OT: „L’Homme pressé“
Land: Frankreich, Italien
Jahr: 1977
Regie: Édouard Molinaro
Drehbuch: Christopher Frank, Maurice Rheims
Musik: Masaru Sato
Kamera: Jean Charvein, Maurice Fellous
Besetzung: Alain Delon, Mireille Darc, Michel Duchaussoy, Monica Guerritore
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