Julie Powell (Amy Adams) führt ein solides, sicheres und unglaublich langweiliges Leben. Ihre Arbeit in dem Großraumbüro fordert sie kaum, gibt ihr zu wenig Abwechslung. Eher aus einer Laune heraus stellt sie sich einer besonderen Koch-Herausforderung und schreibt darüber im Internet. Was eigentlich nur ein kleines Projekt hätte sein sollen, wird zu einer Sensation. Im ganzen Lang verfolgen die Menschen, wie Julie die Rezepte der bekannten Köchin Julia Child (Meryl Streep) nachkocht und dabei immer mal wieder danebengreift. Aber das hat sie mit ihrem Vorbild gemeinsam. Denn als die US-Amerikanerin in den späten 40ern nach Paris kommt, hat sie nur wenig Ahnung vom Kochen, was ihr in den Kochkursen anfangs jede Menge Spott einbringt …
Im Filmbereich wimmelt es vor Titeln, die gleich zu Beginn damit werben, dass sie auf einer wahren Begebenheit basieren. Das Ergebnis ist dann zwar oft zweifelhaft, die ursprünglichen Ereignisse und Menschen mit sehr viel dichterischer Freiheit ausgeschmückt. Aber ist ja egal, Hauptsache das Publikum darf sich der Illusion hingeben, eine echte und echt unglaubliche Geschichte sehen dürfen. Wer sich an dieser inflationären Pseudo-Historizität stört, für den dürfte Julie & Julia erst einmal ein wirklicher Albtraum sein, denn der Film basiert gleich auf zwei realen Vorbildern, die miteinander verknüpft werden. Doch das Ergebnis ist ausgesprochen charmant, auch weil vielem hier mit einem gewissen Augenzwinkern begegnet wird.
Lasst uns Spaß haben!
An einer tatsächlichen Auseinandersetzung mit den beiden Menschen hat Nora Ephron wenig Interesse. Stattdessen legte die unter anderem für Schlaflos in Seattle und ihr Drehbuch von Harry & Sally bekannte Filmemacherin eine locker-leichte Wohlfühlkomödie vor, ein narratives Soufflee, nach dem man beglückt ins Leben torkeln darf. Wobei das nicht bedeuten soll, dass ihr Werk reine Oberflächenunterhaltung wäre und nichts zu sagen hat. Vor allem der Handlungsstrang um Julia Child ist mit wichtigen Themen wie Diskriminierung und Selbstbehauptung beschäftigt. Wenn eine US-Amerikanerin in Frankreich in der von Männern dominierten Kochwelt mitmischt, dann bedeutet das gleich in zweifacher Hinsicht gegen Vorurteile und Bevormundung anzukämpfen. Kochen wird da, entgegen so mancher Intuition, zu einem Akt des Feminismus.
Der Strang ist aber nicht nur der aussagekräftigere, er ist auch der witzigere. Das liegt vor allem an Meryl Streep, die für ihre Rolle – mal wieder – eine Oscar-Nominierung erhielt. Wie auch in der Komödie Florence Foster Jenkins spielt sie hier eine doch irgendwie exzentrische Frau, die überall fehl am Platz zu sein scheint, sich davon aber nicht abhalten lässt, ihren Traum zu verfolgen. Die diversen Missgeschicke, die ihr immer wieder geschehen, macht sie mit umso mehr Leidenschaft wieder wett. Wie ein Berserker fällt sie über Zwiebeln her, entfernt nonchalant die Spuren des Versagens und ist von einem derart enthusiastischen Optimismus angetrieben, dass man durchaus versteht, weshalb Child zu einer Sensation im Fernsehen werden konnte. Sie ist gleichzeitig eine von uns, jemand, dem man sich nahe fühlt, und dabei doch jemand, zu dem man aufblicken kann.
Ein kochendes Mäuschen
Im Vergleich dazu ist Julie Powell die weniger dankbare Rolle. Zwar erfüllt sie Amy Adams (Arrival) mit Charme und Liebenswürdigkeit. Und natürlich ist auch ihre Geschichte die einer Selbstbehauptung. Sie begnügte sich eben nicht damit, einfach nur die anonyme Großraumarbeit zu machen, sondern wollte mehr aus sich machen, mehr aus dem Leben, was ebenfalls Vorbildfunktion hat. Schön ist zudem, wie sie sich später von ihrer Idealisierung Childs lösen und sich erneut emanzipieren muss. Trotzdem ist die Figur weniger spannend, geht einem mit ihrer konstant verhuschten Art manchmal auch ein wenig auf die Nerven, da sie zu sehr von anderen angetrieben wird. Die amüsanteren Texte, welche sie schrieb und in denen sie ihre Kochversuche festhielt, übertragen sich nur wenig auf die Person an sich, die so gar keinen Humor zeigt.
Spannender sind da schon die Querverbindungen der beiden Handlungsstränge. Ähnlich zu The Hours wechseln sich die Zeitebenen ab, zeigen die Kämpfe einer Frau, welche die einer anderen Jahrzehnte später beeinflussen sollen. Ganz so kunstvoll wie dort funktioniert das in Julie & Julia nicht, der emotionale Faktor ist ohnehin deutlich geringer: Hier soll in erster Linie gelacht oder zumindest geschmunzelt werden, dazu ein wenig geträumt. Dazu gibt es so viele Aufnahmen aus der Küche, welche dem Film eine deutlich sinnliche Note geben, dass man allein deshalb schon hier reinschauen kann. Und wer weiß: Vielleicht fühlt sich der eine oder die andere im Anschluss selbst dazu berufen, zum Kochlöffel zu greifen oder auch etwas ganz Neues in Angriff zu nehmen. Denn wenn uns Ephron in ihrem letzten Film eines lehrte, dann das: Man sollte vor nichts Angst haben, nicht einmal vor einer Ente.
OT: „Julie & Julia“
Land: USA
Jahr: 2009
Regie: Nora Ephron
Drehbuch: Nora Ephron
Musik: Alexandre Desplat
Kamera: Stephen Goldblatt
Besetzung: Amy Adams , Meryl Streep, Stanley Tucci, Chris Messina
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 2010 | Beste Hauptdarstellerin | Meryl Streep | Nominierung |
BAFTA Awards | 2010 | Beste Hauptdarstellerin | Meryl Streep | Nominierung |
Golden Globe Awards | 2010 | Bester Film – Komödie oder Musical | Nominierung | |
Beste Hauptdarstellerin – Komödie oder Musical | Meryl Streep | Sieg |
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