In seinem Spielfilmdebüt Dünnes Blut erzählt Mehrdad Taheri, der im Film nicht nur die Rolle des Gabriel übernimmt, sondern auch Regie führte, das Drehbuch schrieb und als Produzent fungierte, von einem Kriminalkommissar, der den Leiter eines Schmugglernetzes fassen will – mithilfe eines Boxes. Neben Taheri spielen noch bekannte Darsteller wie Simon Licht, Kida Khodr Ramadan oder Jenny Eichin im Film mit. Im Interview unterhalten wir uns mit dem Filmemacher über die Herausforderungen beim Dreh von Dünnes Blut, über seine Darsteller und über die Lage des deutschen Genrefilms.
In Dünnes Blut bürdest du dir gleich mehrere Pflichten auf, denn nicht nur spielst du eine Hauptrolle, sondern du führst auch Regie, schriebst das Drehbuch und warst Produzent. Wie hast du diese Belastung wahrgenommen?
Am Anfang hatte ich nicht geplant, all diese Posten zu übernehmen. Eigentlich hatte ich vor, das Projekt von einer anderen Firma produzieren zu lassen oder zumindest eine solche als Ko-Produzent zu gewinnen und somit nur die Regie zu übernehmen. Dadurch, dass das Drehbuch bei den Firmen, zu denen ich es schickte, auf Ablehnung stieß, war ich gezwungen, das selbst zu machen und bin dann Stück für Stück in die einzelnen Rollen hineingerutscht.
Ich hatte mir das nicht so stressig vorgestellt, aber letztlich habe ich diesen Stress, der durch meine Rolle als Produzent, Regisseur und Darsteller entstand, mit in den Charakter des Gabriel, den ich im Film spiele, einfließen lassen. Gabriel hat ja auch eine Menge Stress und für mich war dies ein Ventil, um diesen Stress beim Dreh zu verarbeiten.
Man merkt auch bei deiner Antwort, dass in dem Projekt eine Menge Leidenschaft und Herzblut steckt. Was hat dich denn zu der Geschichte inspiriert? Waren es die Figuren oder vielleicht die Themen?
Das war so eine Mischung aus den beiden Aspekten. Dünnes Blut spielt im Gangstermilieu, aber an und für sich geht es vor allem um das Thema der Familie. Die Geschichte handelt im Kern von Eltern-Kind-Beziehungen oder was passiert, wenn man ohne Eltern aufwächst. Das waren die Themen, die mich interessierten und beschäftigen.
Vor dem Hintergrund der Clankriminalität in Deutschland, gibt es für die Kaplans im Film ein reales Vorbild?
Ich hatte jetzt keine spezifische Großfamilie in Berlin oder Hamburg im Blick, als ich das Drehbuch schrieb. In den letzten Jahren gab es immer wieder Berichte über Clans in Deutschland und deren Machenschaften, sodass dies aber bestimmt unterbewusst in die Geschichte mit einfloss.
Das Milieu, in welchem sich dein Film bewegt ist eines, welches der Zuschauer aus Serien wie 4 Blocks oder Filmen wie Nur Gott kann mich richten kennt. Was glaubst du fasziniert das Publikum an dieser Welt? Was fasziniert dich an dieser Welt?
Ich glaube, hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Auf der einen Seite hängt es mit der Faszination mit dem Verbotenen zusammen, die wir empfinden. Dann aber beschäftigt einen als Zuschauer auch diese Familie, deren Zusammenhalt und wie sie funktioniert. Gerade dieser letzte Aspekt berührt, denke ich, viele Menschen, unabhängig von deren kulturellem Hintergrund.
Beide Figuren, sowohl deine im Film als auch die, welche Simon Licht spielt, zeichnen sich durch ihre Wunden aus, die körperlichen wie auch die emotionalen. Was macht es für einen Schauspieler so attraktiv einen solchen Charakter zu spielen?
Diese Figuren wie sie Simon und ich in Dünnes Blut spielen, kommen beim Publikum gut an. Die Leute wollen keine Gewinnertypen, die alles schaffen und alles können, sondern sie interessieren sich für Menschen, die scheitern, wieder aufstehen, sich durchs Leben kämpfen und am Ende gewinnen. Das macht solche Figuren sowohl für den Schauspieler als auch für den Zuschauer interessant.
Kida Kodr Ramadan hat einmal gesagt, ein Genrefilm, erst recht ein Gangsterfilm, wäre ohne ihn in Deutschland nicht vorstellbar. Nachdem du nun mit ihm gedreht hast, würdest du das unterschreiben?
Das ist eine schwierige Frage. Es gibt auf jeden Fall viele gute, talentierte Schauspieler in Deutschland, die so eine Rolle spielen können, aber ich würde schon sagen, dass Kida vom Typ her schon ziemlich einzigartig ist.
Wir hatten mit Kida schon 2014, vor seiner Rolle in 4 Blocks, über die Rolle in Dünnes Blut gesprochen und uns war schon damals klar, er muss diese Rolle spielen. Er passte einfach wie die Faust aufs Auge, wenn man das so sagen kann. Von daher ist an seiner Aussage schon ein bisschen was dran.
Du hast schon erwähnt, dass das Drehbuch zu Dünnes Blut von einigen Produktionsfirmen abgelehnt wurde. Vor diesem Hintergrund würde ich dich fragen, wie du generell die Lage des Genrefilms in Deutschland beurteilen würdest?
Wie ich bereits erwähnte, hatte ich 2014 das Drehbuch mehreren Produktionsfirmen angeboten, aber erhielt immer das Feedback, dass ein Genrefilm in Deutschland immer schwierig sei. Im Laufe der Jahre hat sich das etwas verbessert, weil es auch viele Versuche im deutschen Film gab, den Genrefilm hierzulande zu etablieren, allerdings wenig erfolgreich. Es gibt aber Regisseure und Produktionsfirmen, die in diesem Bereich viel versuchen und ich würde mir wünschen, da würden noch mehr solcher Versuche stattfinden. Ich glaube aber, dass wir hierzulande was den deutschen Genrefilm angeht, vor einem kleinen Wandel stehen.
Dünnes Blut zeichnet sich auf ästhetischer Ebene durch die Bilder von Patrizio Guerras sowie die Musik Sam Kužels aus. Was kannst Du uns über die Zusammenarbeit mit den beiden sagen?
Patrizio kam recht spät zu dem Projekt dazu, nachdem schon zwei Kameraleute abgesprungen waren. Uns war von Anfang an klar, dass wir aufgrund der Thematik und der Figuren einen bestimmten Look haben wollten, es sollte schon alles recht düster sein. Eine Figur wie die, welche Simon Licht im Film spielt, ist ja ziemlich verrucht, denn man weiß als Zuschauer nicht, ob er vielleicht kriminell oder korrupt ist. Um so eine Wirkung zu erzielen, braucht es schon eine gewisse Stimmung. Von daher war uns klar, was wir brauchen, nämlich viel Schatten und wenig Licht. Patrizio und ich waren da von Anfang an auf einem Level, hatten die gleich Vorstellung, wie die Bilder auszusehen haben.
Bevor der Film fertig wurde, kannte ich Sam nur aus Chats und aus der Kommunikation per Mail. Er hat einen ziemlich speziellen Stil, auf den ich über einen Clip auf seiner Facebook-Seite aufmerksam wurde. Ich habe dann per Chat Kontakt mit ihm aufgenommen und so entstand der Plan für die Musik zu Dünnes Blut. Persönlich getroffen haben wir uns aber erst bei der Teampremiere, da er Amerikaner ist.
Gab es Szenen, die du – entweder als Darsteller oder als Regisseur – als eine besondere Herausforderung empfandest?
Die größte Herausforderung war definitiv der Showdown am Ende des Films. Das ist eine Sequenz von circa 20 Minuten, in der es eine Kampfszene und einen SEK-Einsatz gibt. Für die Kampfszene hatten wir keine wirkliche Vorbereitung. Wir hatten zwar eine Choreografie, aber keinen Profi, für den so eine Szene wahrscheinlich zur Routine gehört. Wir hatten auch keine Stuntdoubles, sodass ich als Schauspieler komplett da reinspringen musste und mir einige Verletzungen zugezogen habe.
Bei dieser Szene kam so vieles zusammen: die Kälte, weil wir im Winter drehten sowie die Zeit, weil wir von zwei bis vier Uhr morgens am Set waren, die Kampfszene sowie der Zeitdruck. Das alles zusammen machte die Szene zu einer der großen Herausforderungen.
Was kannst du uns über deine neuen Projekte als Darsteller bzw. Regisseur sagen? Willst du dich weiter im Genrefilm bewegen?
Zurzeit arbeite ich an einer Mini-Serie, einem Krimi, der in Berlin spielt und in dem es um einen Konflikt zwischen Iranern und der Kriminalpolizei geht. Dann gibt es da noch eine romantische Komödie, eine Geschichte über culture clash, welche schon recht fortgeschritten ist und eigentlich mein Traumprojekt ist, was ich als Nächstes gerne realisieren würde.
Und was den Genrefilm angeht, bin ich prinzipiell nie abgeneigt.
Vielen Dank für das nette Gespräch.
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