Für Dr. Kim In-hae (Soo Ae) hätte es echt nicht blöder laufen können. Erst stürzt die Ärztin mit ihrem Auto in einen Schacht, aus dem sie Rettungssanitäter Kang Ji-goo (Hyuk Jang) nur mit Mühe befreit. Und dann muss sie auch noch feststellen, dass ihre Tasche weg ist, in der wichtige Unterlagen sind. Doch die eigentliche Katastrophe kommt noch: Eine Ladung illegaler Einwanderer hat ein gefährliches Virus eingeschleppt, das sich kurze Zeit drauf bereits rasend schnell durch Bundang ausbreitet, eine nahe Seoul gelegene Stadt. Während Behörden und Militär kaum noch der Gefahr hinterherkommen und schwere Geschütze auffahren, schlagen sich In-hae, ihre Tochter Mi-reu (Min-ha Park) und Ji-goo durch die Stadt, um der Seuche irgendwie zu entkommen …
Filme und Serien als Mittel, um der Realität zu entkommen und den Alltag ein bisschen zu vergessen? Nicht 2020. Die Corona-Pandemie hält die Welt nach wie vor in Atem, was sich auch direkt auf das Angebot sowie unsere Sehgewohnheiten auswirkt. Die lange geplanten Blockbuster wurden allesamt verschoben, dafür erfreute sich der mehrere Jahre alte Thriller Contagion plötzlich großer Beliebtheit, bei dem es um eben eine solche Pandemie ging. Die bereits letztes Jahr gedrehte Katastrophenserie Sløborn über den Ausbruch eines Virus wurde zu einem echten Renner. Und damit wir auch ja nicht vergessen, was uns allen blühen könnte, kommt jetzt auch noch Pandemie ins Kino, eine besonders blutrünstige Zuspitzung der derzeitigen Ereignisse.
Aus Liebe zur Katastrophe
Ob das nun clever oder geschmacklos ist, einen bereits sieben Jahre alten Film auszugraben und ins Kino zu bringen, um aus der aktuellen Lage Profit zu ziehen, das sei mal dahingestellt. So oder so wird es spannend sein, ob sich die Dreistigkeit bezahlt macht. In Südkorea war der Katastrophenfilm seinerzeit auf jeden Fall erfolgreich, mehr als drei Millionen Menschen gingen damals ins Kino. Allerdings sind im fernöstlichen Land Katastrophenfilme allgemein sehr gefragt. Ob nun der Zombie-Ausbruch Train to Busan oder das Vulkan-Desaster Ashfall, die Menschen dort scheinen eine größere Vorliebe dafür zu haben, dass vor ihren Augen das eigene Land in Schutt und Asche gelegt wird, sowie für einsame Helden, die diesen Gefahren trotzen.
Das ist dann auch bei Pandemie so, das als Film sehr viel weniger spannend ist als die begleitenden Umstände. Der Ablauf des Virus-Ausbruchs, der streng genommen keine Pandemie ist, da lokal auf Bundang begrenzt, mag nach außen hin sehr chaotisch wirken, folgt aber natürlich strengen filmischen Konventionen. Tatsächlich dürfte es im Publikum nur wenige Menschen geben, die nicht vorhersagen können, wie sich das Ganze hier so abspielen wird. Natürlich wird Panik ausbrechen, natürlich werden sich die Leute im Zweifelsfall selbst die nächsten sein, natürlich wird in den Hinterzimmern von Politik und Militär kräftig gemauschelt, Verantwortung abgeschoben und schreckliche Dinge unter den Teppich gekehrt. Wenn niemand weiß, was los ist, dann uns nichts passieren – was tatsächlich diverse Parallelen zur aktuellen Lage zulässt.
Groß, größer, am größten
Erfrischend ist in dem Zusammenhang nur, dass man in Südkorea so gar keine Hemmungen hat, die USA auch mal als den Bösen dastehen zu lassen. Wie auch in The Host zeigt die vorgeblich als Freiheitskämpfer auftretende Weltmacht, dass sie allein von Eigeninteressen getrieben ist und im Zweifelsfall lieber Tausende krepieren lässt. Diese patriotische Beimischung muss man ignorieren können, ebenso den Hang zur Theatralik, der im asiatischen Kino nicht unbedingt selten ist. Vor allem zum Ende wird so richtig dick aufgetragen mit Szenen, wie sie plumper nicht wirklich sein könnten und die das Publikum zu einer bevorzugt ergriffenen Reaktion zwingen sollen – begleitet von der „passenden“ Musik.
Unterhaltsamer sind da schon die Interaktionen. Von Anfang an wird kräftig zwischen den beiden Hauptfiguren gezündelt. Wenn später noch Tochter Mi-reu hinzukommt, die immer mal wieder für einen trockenen Spruch gut ist, dann macht das durchaus Spaß – bevor sie in der zweiten Hälfte zur Heulboje verkommt. Dafür geht es dann richtig zur Sache. Wer die Qualität eines Katastrophenfilms daran festmacht, wie sehr die Menschen sich gegenseitig an die Gurgel gehen, der kommt bei Pandemie sicher auf seine Kosten. Man sollte sich nur darauf einstellen, dass hier schrille Hysterie auf dem Plan steht, nicht Realismus, billige Spezialeffekte statt tatsächlicher Auseinandersetzung, laute Überspitzung an Stelle von nuancierter Figurenzeichnung.
OT: „Gamgi“
IT: „The Flu“
Land: Südkorea
Jahr: 2013
Regie: Sung-soo Kim
Drehbuch: Young-jong Lee, Sung-soo Kim
Musik: Tae-seong Kim
Kamera: Mo-gae Lee
Besetzung: Soo Ae, Hyuk Jang, Min-ha Park, Dong-seok Ma, Hae-jin Yoo
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