Sie träumten davon, die Hölle hinter sich zu lassen, zu der das von Zombies überlaufene Südkorea geworden war. Doch schon die Fahrt in die neue Heimat stellte sich als tödlicher Albtraum heraus. Vier Jahre später leben Jung-seok (Dong-won Gang) und sein Schwager Chul-min (Do-yoon Kim) in Hongkong, sind über die schweren Verluste aber nicht hinweg gekommen. Da erhalten sie das Angebot, noch einmal nach Südkorea zurückzukehren und gegen eine fünfzigprozentige Beteiligung eine größere Summe US-Dollars zu stehlen, die dort noch in einem Truck herumliegen sollen. Tatsächlich gelingt es der Truppe, die Summe relativ schnell ausfindig zu machen. Dafür geht im Anschluss alles schief. Während Chul-min in die Hände des gesetzlosen Sergeants Hwang (Min-jae Kim) fällt, wacht Jung-seok bei Min-jung (Jung-hyun Lee) auf, die sich zusammen mit ihrer Familie allein durchschlägt …
In einem derart überlaufenen Feld wie dem des Zombiefilms irgendwie herauszustechen, das muss man erst mal schaffen. Kaum ein Unterbereich des Horrorgenres wurde schließlich derart konsequent abgegrast wie dieser. Train to Busan schaffte es dennoch, dieser zahlenmäßig übermächtigen Konkurrenz zu trotzen und wurde zu einem weltweiten Phänomen. Allein in Südkorea sahen den Film über elf Millionen Menschen – was bei einer Bevölkerung von etwas mehr als 50 Millionen schon ein sehr hoher Prozentsatz ist. Das war gleich in doppelter Hinsicht überraschend. Zum einen kannte man aus dem fernöstlichen Land zwar durchaus Horrorfilme, als Zombiehochburg war es aber sicher nicht bekannt. Außerdem war Regisseur Sang-ho Yeon eigentlich so gar kein Blockbuster-Kandidat, kannte man ihn vorher doch durch die animierten Dramen The King of Pigs und The Fake, die zwar gute Kritiken bekamen, an den Kinokassen jedoch durchfielen.
Abkehr von der Gesellschaft
Vier Jahre später versucht Yeon an seinen Überraschungshit anzuknüpfen, was er auf die denkbar einfachste Methode macht: Er drehte eine Fortsetzung. Wobei Peninsula nur zum Teil an den Vorgänger anschließt. Der Film beginnt zwar mit einem kleinen Rückblick auf die Ereignisse des ersten Teiles. Gesehen haben muss man den jedoch nicht, um der Geschichte hier folgen zu können. Die Figuren sind ganz andere, es gibt keine direkten Anschlusspunkte. Es reicht zu wissen, dass Südkorea von einer Zombie-Epidemie heimgesucht wurde und das komplette Land nun unter Quarantäne steht. Das ist angesichts der derzeit grassierenden Virus-Pandemie vielleicht nicht der beste Zeitpunkt für eine derartige Schreckensvision. Anderer wirkt der Film seltsam losgelöst von allem, was da draußen tatsächlich in der Welt geschieht.
Das ist gerade bei Yeon überraschend – und enttäuschend –, da er eine der spannendsten südkoreanischen Stimmen war, wenn es um gesellschaftskritische Kommentare ging. Gerade seine Animationsfilme gewährten düstere Einblicke in ein Land, das in vielerlei Hinsicht auseinanderbricht. Aber auch Train to Busan gelang es, diese sozialanalytischen Elemente mit deftiger Action zu verbinden. In Peninsula beschränkt er sich jedoch nahezu völlig auf Letzteres. Zwar versucht er an mehreren Stellen, noch individualmoralistische Aussagen einzubauen, wenn Menschen in der Not ihre Menschlichkeit verlieren. Die wirken jedoch ziemlich aufgesetzt, umso mehr, da der Filmemacher diese Stellen mit richtig viel Pathos verbindet und einer Holzhammer-Musik, die so grob ist, dass man sie nicht mal mehr als manipulativ bezeichnen kann.
Eine rasante Videospiel-Apokalypse
Peninsula verabschiedet sich aber auch anderweitig von der realen Welt. Der Vorgänger forderte Puristen bereits dadurch heraus, dass Zombies mal nicht die kriechende Bedrohung, sondern rasend schnelle Verfolger waren. Im Nachfolger wurde das noch einmal ausgebaut: Der Streifen ist vollgestopft mit hyperaktiven Actionszenen, die eher nach einem Videospiel aussehen als nach einem Film. Da das begrenzte Setting eines Zugs kein zweites Mal verwendet werden sollte, sind die Figuren nun mit Autos unterwegs, liefern sich unentwegt Wettrennen – mal mit anderen Menschen, mal mit den Zombies –, was auf eine atemberaubend absurde Weise eskaliert.
Spannend ist Peninsula nicht, intelligent schon gar nicht. Yeon hat ein frenetisches Hirn-aus-Zombie-Dauerfeuer geschaffen, bei dem es ständig was zu sehen gibt. Es wäre interessant gewesen zu sehen, wie die Reaktionen in Cannes wohl ausgefallen wären, wo der Film eigentlich hätte Premiere haben sollen, dann aber doch selbst einer Virus-Epidemie zum Opfer fiel. Das Arthouse-Publikum, das 2016 durchaus noch Anknüpfungspunkte fand, dürfte bei diesem geballten Blödsinn vermutlich schnell aussteigen. So richtig tat man sich wohl auch keinen Gefallen, das hier als Fortsetzung verkaufen zu wollen, wo die Schwerpunkte doch so unterschiedlich sind. Doch das bedeutet nicht, dass man hierbei keinen Spaß haben kann. Die überzogene Mischung aus Mad Max und Die Klapperschlange findet immer neue Methoden, wie Zombies aus dem Weg geräumt oder umgekehrt für die eigenen Zwecke genutzt werden können. Plausibel sind die eher weniger, kurzweilig aber schon. Gleiches gilt für die Figuren, die zu einem größeren Teil Karikaturen sind und mit realen Menschen höchstens das Aussehen gemeinsam haben.
OT: „Bando“
Land: Südkorea
Jahr: 2020
Regie: Sang-ho Yeon
Drehbuch: Joo-Suk Park, Sang-ho Yeon
Musik: Mowg
Kamera: Hyung-deok Lee
Besetzung: Dong-won Gang, Jung-hyun Lee, Re Lee, Hae-hyo Kwon, Min-jae Kim, Kyo-hwan Koo, Do-yoon Kim, Ye-won Lee, Kyu-baek Kim
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)