Tenet
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Kritik

Tenet
„Tenet“ // Deutschland-Start: 26. August 2020 (Kino) // 17. Dezember 2020 (DVD/Blu-ray)

Mitten in der Vorführung eines klassischen Konzerts in der Ukraine kommt es zu einem brutalen Überfall, der nur dank einer ausgebildeten Spezialeinheit verhindert werden kann. Dabei geht es jedoch um deutlich mehr als einen terroristischen Anschlag, handelt es sich doch um einen ganz besonderen Auftrag, von dessen Ausgang das Wohl der gesamten Welt abhängt. Das zumindest muss einer der Männer (John David Washington) erfahren, der dort im Einsatz ist. Ein Auftrag, der ihn und Neil (Robert Pattinson) durch die ganze Welt führt. Das Ziel stellt sich bald als der russische Oligarch Sator (Kenneth Branagh) und dessen Frau Kat (Elizabeth Debicki) heraus, bei denen alle Fäden zusammenlaufen …

Schon unter normalen Umständen ist ein neuer Film von Christopher Nolan ein Ereignis, dem viele entgegenfiebern. Kaum einer schafft es wie der britisch-amerikanische Regisseur und Drehbuchautor, Mainstreamkino mit weitreichenden Ideen zu verknüpfen. Ob nun seine Comic-Adaption The Dark Knight, der Traum-Thriller Inception oder das Weltraumabenteuer Interstellar: Er liefert zuverlässig Blockbuster, obwohl er immer wieder Themen und Genres wechselt, braucht dafür – abgesehen von seinen Batman-Filmen – nicht einmal bekannte Vorlagen, sondern setzt auf eigen entwickelte Stoffe. Tenet wurde wie kaum ein anderer Film 2020 herbeigesehnt. Das lag einerseits am geheimniskrämerischen Marketing, das kaum was über den Inhalt verraten wollte. Es lag aber auch daran, dass nach dem cornoabedingten Wegfall der gesamten großen Konkurrenz von Fast & Furious 9 über Mulan bis zu Minions 2 der Film zum Retter der gesamten Kinobranche ernannt wurde.

Die Zukunft mit alten Schwächen

Ob sich das Wagnis, den Film in die Kinos zu bringen, während die Pandemie nach wie vor weltweit wütet, wirtschaftlich bezahlt machen wird, das bleibt abzuwarten. Gut möglich, dass ein solches Spektakel, das einen den Alltag für zweieinhalb Stunden vergessen lässt, genau das ist, was viele jetzt brauchen. Inhaltlich ist Tenet aber leider nicht der Heilsbringer, den manch einer sich erhofft haben dürfte. Vielmehr ist die Geschichte um zwei Männer, welche die Welt vor der Apokalypse retten müssen, ein typischer Christopher Nolan, mit den Stärken, die ein solches Werk mit sich bringt. Aber eben auch mit den Schwächen, welche von Anfang an den Filmemacher begleitet haben und die er wohl, bestärkt von dem kommerziellen Erfolg seiner Titel, nicht mehr ablegen wird.

Das betrifft beispielsweise die Dialoge, die immer mal wieder dazu neigen, etwas ungelenk Sachen erklären zu wollen und die sich selten nach dem anhören, was Menschen da draußen in der wahren Welt so sagen. Es setzt sich fort bei den Figuren, die nur in den seltensten Fällen bei ihm tatsächlich spannend sind. Dass die Hauptfigur offiziell nur als „Protagonist“ bezeichnet wird, was Anlass einiger unfreiwillig komischer bis pathetischer Wortwechsel ist, ist angesichts seiner fehlenden Charaktereigenschaften geradezu konsequent. Auch beim Rest verlässt er sich auf Klischees. Dass beispielsweise Kat, die einzige nennenswerte weibliche Figur des Films, über weite Strecken auf ihre Rolle als Mutter und Damsel in Distress reduziert wird, das muss in einem Film von 2020 nun wirklich nicht sein. Zwar bemüht sich Elizabeth Debicki (Widows – Tödliche Witwen), ebenso wie ihr Filmpartner Kenneth Branagh (Mord im Orient-Express), redlich, gegen diese Stereotypen anzukämpfen. Aber erst ganz zum Schluss gewährt Nolan ihnen mal ein paar Nuancen, macht aus ihnen mehr als Wegwerfware.

Der Kampf mit der Zeit

Etwas zwiespältig ist zudem der Umgang mit dem Hauptthema, welches eine Variation der Zeitreise darstellt. Das Konzept von Tenet ist zwar irgendwie umständlich und nur sehr begrenzt zu gebrauchen, aber durchaus interessant. Enttäuschend ist in der Hinsicht aber vor allem, dass Nolan selbst nicht wirklich etwas damit anfangen kann. Wenn es mal zum Einsatz kommt, dann in erster Linie für die Actionszenen. Ansonsten ist es ein klassischer MacGuffin, der alleine zu dem Zweck dient, die beiden Männer durch die Gegend hetzen zu lassen. Alternativ darf der Protagonist sich auch in die umkämpfte Herzdame verlieben. Dass der zuvor so abgebrühte Einzelkämpfer, dem auch die schlimmste Folter nichts anhaben kann, für sie plötzlich alles aufgibt und dieselben Fehler macht, die jeder Mann in Hollywood-Actionstreifen so machen kann, da darf man schon etwas mit den Augen rollen. Wenn um den Film vorher ein so großes Geheimnis gemacht wurde und nichts verraten werden durfte, dann vielleicht deshalb, weil er nichts Interessantes zu erzählen hat. Selbst die obligatorischen Twists sind so offensichtlich, dass kaum einer von diesen überrascht sein dürfte.

Was Tenet aber davor bewahrt, in der eigenen inhaltlichen Belanglosigkeit zu ertrinken, das sind tatsächlich die besagten Actionszenen. Die Idee einer Zeit, die in mehrere Richtungen laufen kann, wird hier für eine höchst originelle Optik genutzt, die ein bisschen so aussieht, als würde man gleichzeitig einen Film vorspulen und rückwärts laufen lassen. Schon die ersten Beispiele, die in einem eher kleinen Rahmen stattfinden, verblüffen. Später schöpft Nolan dann komplett aus den Vollen, inszeniert Materialschlachten, bei denen man nicht mehr weiß, was oben und unten ist, vorne und hinten. Immer mal wieder wurde dem Filmemacher im Laufe seiner Karriere vorgeworfen, reine Gimmicks zu verwenden. Das trifft hier ganz besonders zu. Aber man muss ihm lassen: Es ist ein Gimmick, das so ungewöhnlich ist, dass wohl kaum einer außer ihm die Chuzpe hätte, das in diesem Ausmaß auszuspielen. Ob es dafür nun unbedingt einen 150 Minuten langen Film gebraucht hätte, dem man seine Länge durchaus anmerkt, darüber kann man sich streiten. Zumindest aber darf man hier wieder einmal im Kino staunen, was zuletzt nicht nur aus hygienischen Gründen alles andere als selbstverständlich war.

Credits

OT: „Tenet“
Land: UK, USA
Jahr: 2020
Regie: Christopher Nolan
Drehbuch: Christopher Nolan
Musik: Ludwig Göransson
Kamera: Hoyte van Hoytema
Besetzung: John David Washington, Robert Pattinson, Elizabeth Debicki, Kenneth Branagh, Aaron Taylor-Johnson, Dimple Kapadia, Himesh Patel

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Sehnsüchtig von vielen erwartet ist Christopher Nolans „Tenet“ ein Spektakel, wie man es tatsächlich nur selten sieht. Die Stärke des etwas anderen Zeitreise-Films liegt dabei jedoch in erster Linie bei den ungewöhnlich inszenierten Action-Szenen, die nach ganz eigenen Regeln ablaufen. Inhaltlich darf man sich nicht viel erhoffen. Die Dialoge sind ungeschickt, die Figuren teils schreckliche Stereotype, auch sonst verlässt sich der Filmemacher auf zu viele Klischees, anstatt sein Thema mal weiter auszureizen.
7
von 10