Als der Architekt Sang-won (Jung-woo Ha) mit seiner Tochter Ina (Yool Heo) aufs Land zieht, dann in der Hoffnung, endlich einen Neuanfang wagen zu können. Schließlich leiden beide sehr unter dem Tod der Mutter. Während Sang-won seine Probleme hat, seine Arbeit und das Privatleben unter einen Hut zu bekommen und deswegen ständig unterwegs ist, zieht sich Ina immer weiter zurück. Doch was ihn wirklich beunruhigt, ist ihr eigenartiges Verhalten: Sie führt Selbstgespräche, spielt mit einer seltsamen Puppe, die sie im Schrank gefunden haben will, und ist manchmal kaum wiederzuerkennen. Als sie kurze Zeit später spurlos verschwindet, trifft Sang-won auf den jungen Exorzisten Kyung-hoon (Nam-gil Kim), der behauptet zu wissen, was dem Mädchen zugestoßen ist …
Es gibt so ein paar Bereiche in Häusern, die quasi von Natur aus so unheimlich sind, dass sie in Horrorfilmen zu den Standartplätzen des Grauens werden. Ob es nun dunkle, vollgestopfte Keller sind oder verstaubte Speicher, in denen Sachen gelagert werden, die niemand sehen sollte, schon der bloße Anblick jagt einem einen Schauer den Rücken hinunter. Ebenfalls weit oben auf der Scary-Places-Hitliste ist der gute alte Schrank. Der ist zwar deutlich stärker in den Alltag integriert, eignet sich aber prima als Versteck für Monster, Mörder oder sonstige Wesen, denen wir nicht begegnen wollen. Szenen, in denen sich die Türen von Geisterhand öffnen oder wir zumindest unheimliche Geräusche darin hören, gehören deshalb zum Genrestandard.
Ein Schrank als Mogelpackung
Kwang-bin Kim ist sich der Wirkung dieses zwar praktischen, gleichzeitig potenziell furchteinflößenden Gebrauchsobjekts wohl bewusst und widmet ihm in seinem Spielfilmdebüt The Closet gleich einen ganzen Film. Zumindest ist es das, was einen der südkoreanische Regisseur und Drehbuchautor glauben lassen will. Tatsächlich sind die Szenen rund um den Schrank aber ausgesprochen kurz, machen nur einen winzigen Teil des Films aus. Dass mit dem Schrank etwas nicht stimmt, das wird zwar – selbst ohne den Titel – früh klar, wenn Ina darin etwas findet, das nicht von dieser Welt zu sein scheint. Auch die anschließende Persönlichkeitsveränderung macht deutlich, dass man sich lieber nicht zu weit annähern sollte. Später spielt er aber irgendwie kaum eine Rolle mehr.
Stattdessen wandelt sich The Closet in eine Art Exorzismus-Albtraum, der an eine anfängliche Szene anknüpft. Das Thema gehört zu den festen Teilbereichen des Horrorfilms, wird weltweit immer wieder gepflegt. Südkorea beispielsweise bediente Fans in den letzten Jahren mit dem folkloristischen The Priests und dem gefeierten The Wailing – Die Besessenen, das die unterschiedlichsten Genres in sich vereinte. Wie Ersteres basiert das hier zu einem starken Teil auf den Interaktionen der beiden Hauptfiguren. Wie Letzteres auch siedelt Kwang-bin Kim seine Geschichte in einer ländlichen Gegend seines Heimatlandes an, spielt mit der Idee, dass es böse Kräfte gibt, die verborgen vor den Augen der Menschen am Wirken sind. Anders als sein Kollege bietet Kim dabei jedoch sowohl Lösungen wie eine Auflösung an, ist stärker um eine Aussage bemüht.
Lieber explizit als subtil
Der Versuch, dem Horror etwas mehr Tiefe und Relevanz zu geben, ist natürlich löblich, schließlich können übernatürlicher Schrecken und alltäglicher Schrecken gern Hand in Hand gehen. Sonderlich elegant ist die Verknüpfung jedoch nicht. Zum Ende hin verlässt sich Kim schon ein bisschen sehr auf seinen Holzhammer, damit auch ja jedem klar wird, worum es geht. Aber Subtilität ist ohnehin kein größeres Anliegen des Südkoreaners. Wenn eine Familie, die gerade die Mutter verloren hat, zum Auftakt der Geschichte ein überfahrenes Tier findet, dessen Junges voller Schrecken danebensteht, dann lässt das nicht mehr viel Raum für Transferarbeit. Lieber einmal zu viel als zu wenig zeigen, lautet da wohl die Devise.
Unheimlich ist die Szene aber auf alle Fälle. Immer wieder findet The Closet passende und einprägsame Bilder, um das Grauen zu verdeutlichen – von real bis surreal. Sowohl die einleitenden Haunted-House-Elemente wie auch das Finale können sich dabei sehen lassen. Zwischendurch gibt es aber leider immer wieder Hänger. Gerade die lange Phase zwischen dem Verschwinden von Ina und der konkreten Begegnung strapaziert die Geduld, obwohl der Film mit einer Laufzeit von etwa anderthalb Stunden nicht sonderlich lang ist für eine südkoreanische Produktion. Der erhoffte Geheimtipp aus Fernost ist das Schrank-Abenteuer damit nicht. Aber es reicht für einen ordentlichen Vertreter mit einigen schönen Aufnahmen.
OT: „The Closet“
Land: Südkorea
Jahr: 2020
Regie: Kwang-bin Kim
Drehbuch: Kwang-bin Kim
Musik: Yeong-wook Jo
Kamera: Chan-mi Choi
Besetzung: Jung-woo Ha, Nam-gil Kim, Yool Heo
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