Eine Schießerei am helllichten Tag ist der Ausgangspunkt der Geschichte. Als die Polizei anrückt und sich die ersten bewaffneten Beamten auf den Weg machen, das Gebäude zu umstellen, versuchen eine junge Frau (Wang An) und ein weiterer Mann zu fliehen, verletzten sich aber bei dem Sprung aus dem Fenster. Während der Frau noch die Flucht gelingt, wird ihr Begleiter festgenommen, was ein junger Amateurfotograf (Mao Shao-chun) auf Film festhält, genauso wie das Ende der Flucht der Frau, die ohnmächtig auf einem Zebrastreifen zusammenbricht. Nach einer Befragung auf der Polizeiwache kann sie wieder gehen, doch weder den Fotografen noch die junge Frau können sich von dem Eindruck der Ereignisse befreien. Die Faszination mit den Bildern des Tages stürzt die Beziehung des Fotografen in eine große Krise. Parallel zu diesen Ereignissen durchläuft die Ehe der Schriftstellerin Zhou Yufen (Cora Miao) und ihres Mannes Li Lizhong (Lee Li-chun), ein aufstrebender Arzt, ebenfalls eine Krise. Frustriert wegen ihrer Schreibblockade und der sich nähernden Abgabefrist für ihr nächstes Buch schließt sich Zhou immer mehr ein in die gemeinsame Wohnung, denkt aber zugleich über eine Alternative zu der Existenz als Schriftstellerin nach. Eine Begegnung mit ihrem Ex-Mann Shen (Chin Shih-chieh), dem mittlerweile eine florierende Firma für Mobiltelefone gehört, zeigt Zhou, wie ihr Leben hätte sein können, wenn sie sich für ihn entschieden hätte. Ein mysteriöser Anruf einer Frau, die ihren Mann sprechen will, lässt die Situation zwischen ihr und Li eskalieren.
Bilder und Begegnungen
Mit seinem insgesamt dritten Spielfilm setzte der taiwanesische Filmemacher Edward Yang seine Serie von Geschichten fort, in denen er die Beziehung von Menschen innerhalb eines urbanen Raumes, in diesem Falle Taipeh, untersucht. Der im Deutschen auch unter dem Titel Die Spur des Schreckens bekannten Spielfilm manifestierte Yangs Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft junger Filmemacher, zu denen unter anderem sein Kollege Hou Hsiao-Hsien (The Assassin) zählt, die für ein junges, modernes taiwanesisches Kino standen. Neben einer Auszeichnung auf den Filmfestspielen in Locarno konnte The Terrorizers noch viele andere Ehrungen auf internationalen Festivals einheimsen und wurde seitens der Kritik mit den Werken Michelangelo Antonionis verglichen, dessen Blow-Up wohl in gewisser Hinsicht Pate stand für den Erzählstrang um den von Mao Shao-chun gespielten Fotografen.
Edward Yangs Geschichten erzählen von Entfremdung und Isolation innerhalb der Stadt. Die Vorkommnisse und Handlungen der einzelnen Figuren beeinflussen zwar aneinander, doch begegnen werden sich die Personen höchstens flüchtig, meist mit nur einer vagen Ahnung, welche Rolle das Gegenüber für das eigene Leben gerade spielt. Über Geschichten und Bilder, wie Zhou Yufen oder der bereits erwähnte Fotograf, versucht man sich der Welt zu nähern, doch dieses Vorgehen verstärkt bestenfalls den Zustand der Verwirrung sowie der Entfremdung von eben dieser Welt. Anders als bei Antonioni ist es weniger die Stadt als solche, sondern deren Bewohner, die jenes Gefühl der Isolation verstärken und Menschen in eine tiefe Sinnkrise werfen.
Dieser Eindruck wird durch die Ästhetik von The Terrorizers noch betont. Scheinbar disparate Bilder werden erst später von einer Figur (und dann natürlich auch vom Zuschauer) zu einem vernünftigen Ganzen verknüpft, während die langen, statischen Einstellungen die Isolation der Figuren verstärken.
Gefängnisse und wie man ihnen entkommt
Besonders schmerzvoll ist die Erkenntnis, dass es nicht die Stadt oder der Raum ist, der einen einschließt, sondern die Beziehung zu anderen Menschen. Wie die Protagonisten von Erich Kästners zeitlosem Gedicht Sachliche Romanze erscheinen beispielsweise Zhou und Li in ihren wenigen Gesprächen, die mehr zu einer Routine geworden sind, die scheinbar nur als Schutzschild dient vor einer für beide schmerzlichen Erkenntnis. Die Kamera begleitet die Versuche der Figuren, diesen Gefängnissen, die sich selbst schufen, zu entkommen und sich neu zu erfinden. All dies geschieht ohne große Dramatik, ohne große Streitigkeiten (von wenigen Ausnahmen abgesehen) und meist ist man als Zuschauer von einer Entscheidung einer Figur ebenso getroffen wie ihr Gegenüber, welches zunehmend jedwede Sicherheit im Leben verliert.
OT: „Kongbu Fenzi“
Land: Taiwan
Jahr: 1986
Regie: Edward Yang
Drehbuch: Hsiao Yeh, Edward Yang
Musik: Weng Shao-chun
Kamera: Chang Chan
Besetzung: Cora Miao, Lee Li-chun, Wang An, Ma Shao-chun, Jin Shih-jye, Gu Bao-ming, Chin Shih-chieh
Berlinale 1987
Locarno Film Festival 1987
Toronto International Film Festival 1987
International Film Festival Rotterdam 2015
Locarno Film Festival 2020
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