Wie jedes Jahr fahren Marie (Charlotte Rampling) und ihr Mann Jean (Bruno Crémer) in der vorlesungsfreien Zeit auf ihr Landhaus in der Nähe der Küste. Als sie eines Tages am Strand sind, ist von Jean plötzlich keine Spur mehr zu finden und auch als die Küstenwache den Strandabschnitt absucht, bleibt er unauffindbar. Schließlich kehrt Marie nach einiger Zeit in ihre gemeinsame Wohnung in der Pariser Innenstadt zurück, wo sie wieder ihrer Tätigkeit als Literaturprofessorin nachgeht und sich mit ihren Freunden trifft. Ein Jahr später ist Marie immer noch nicht über das Verschwinden Jeans hinweg. Wenn sie in der Wohnung ist, ist es für sie so, als sei ihr Mann anwesend, hätte auf sie gewartet. Ihr Freunde machen sich hingegen Sorgen um Marie, versuchen sie mit dem charmanten Verleger Vincent (Jacques Nolot) bekanntzumachen, mit dem sie zwar eine Beziehung eingeht, ohne jedoch Jean vergessen zu können. Ein Zufall konfrontiert sie dann mit einer möglichen Wahrheit über ihren Mann, die ihr gemeinsames Glück in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Etwas, das man verloren hat
In seinem insgesamt vierten Spielfilm verarbeitet der französische Regisseur François Ozon (8 Frauen, Gelobt sei Gott) eine Kindheitserinnerung. Als er mit seinen Eltern einmal am Strand war, beobachtete er eine holländische Touristin, deren Mann auf einmal verschwunden war und auch nach Einsatz der Küstenwache nicht mehr auftauchte. Der Schock über das Ereignis zusammen mit der Frage, was nun mit der Frau geworden ist, beschäftigte Ozon und er entschloss sich, dieses Ereignis mit der Frage ins Zentrum von Unter den Sand zu stellen, welcher den ersten Teil seiner Trilogie der Trauer bildet, die er mit Die Zeit die bleibt und Rückkehr ans Meer komplettierte.
Als Zuschauer gibt einem die von Charlotte Rampling gespielte Marie mehr als nur ein Rätsel auf. Während eines Abendessens mit ihren Freunden meint man für einen Augenblick, ihr Mann sei wieder zurückgekehrt, spricht sie doch über Jean, als wäre er schlicht verhindert, würde aber daheim auf sie warten. In den verdutzten Mienen der Freunde spiegelt sich jene Mischung aus Überraschung, Schock und Unglaube über das Gesagte, über die Aussage, morgen werde Jean mit einem der Anwesenden ins Fitnessstudio gehen oder er würde noch an anderen Aktivitäten teilnehmen. Die Mimik Maries ist freundlich und bestimmt, der Kommunikation unter Freunden angemessen und einer Normalität, die sich für sich selbst immer noch behauptet.
Als Hauptdarstellerin ist Charlotte Rampling ein echter Glücksfall für den Film, wie auch Ozon selbst in Interviews zugibt. Subtil und nuanciert spielt sie eine Frau, die sich teils durch Imagination, teils durch das Behalten von gewissen Routinen eine Normalität versucht zu erhalten, die es so vielleicht nie gegeben hat. So erscheint Jean dann in der gemeinsamen Wohnung, liest ein Buch, sitzt ihr beim Frühstück gegenüber oder hat sogar Sex mit Marie. Ähnlich der Stelle auf Virginia Woolfs Roman Die Wellen ist es eine Wiederholung von Gesten, die zu einer Routine geworden ist, zu einem emotionalen Schutzschild vor der Einsicht, etwas Fundamentales verloren zu haben. Durch ihr Spiel, ihre Mimik und Gestik macht Rampling dies dem Zuschauer begreifbar, ohne dabei alles preiszugeben, was der Handlung ihre Offenheit und ihr Mysterium bewahrt.
Innere Unruhe
Die Stärke des Kinos François Ozons ist seine präzise Inszenierung, die auch in Momenten großer Unruhe ihren genauen Blick nicht verliert. Mit dem Fokus auf den Charakteren und ihren Emotionen sind die Bildkompositionen klar, verbinden das Imaginäre mit dem Realen und wechseln gerade bei den Szenen am Strand ins Metaphorische. Wie die Figur so verändern sich mit der Zeit und der Handlung auch die Orte, an denen sie sich befinden oder werden anders wahrgenommen. Gerade für das subtile Spiel einer Rampling ist Ozons Inszenierungsstil sehr passend, konzentriert es sich auf die Trauer und die Verweigerung des Verlusts, ohne aber übermäßig zu analysieren oder zu deuten.
OT: „Sous le sable“
Land: Frankreich
Jahr: 2000
Regie: François Ozon
Drehbuch: François Ozon, Emmanuèle Bernheim, Marina de Van, Marcia Romano
Musik: Philippe Rombi
Kamera: Antoine Héberlé, Jeanne Lapoirie
Besetzung: Charlotte Rampling, Bruno Crémer, Jacques Nolot, Alexandra Stewart, Pierre Vernier, Andrée Tainsy
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
César | 2002 | Bester Film | Nominierung | |
Beste Regie | François Ozon | Nominierung | ||
Beste Hauptdarstellerin | Charlotte Rampling | Nominierung | ||
Europäischer Filmpreis | 2001 | Beste Regie | François Ozon | Nominierung |
Beste Hauptdarstellerin | Charlotte Rampling | Nominierung |
Toronto International Film Festival 2000
International Film Festival Rotterdam 2001
Locarno Film Festival 2012
Berlinale 2019
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