Wege des Lebens The Roads Not Taken
© Universal Pictures

Wege des Lebens – The Roads Not Taken

Kritik

Wege des Lebens The Roads Not Taken
„Wege des Lebens – The Roads Not Taken“ // Deutschland-Start: 13. August 2020 (Kino) // 16. September 2021 (DVD)

Früher einmal, da wusste Leo (Javier Bardem), wie er mit Worten umzugehen hat. Doch das war einmal. Seitdem der Autor an Demenz erkrankt ist, hat er verlernt sich auszudrücken, weshalb er auf die Hilfe seiner Tochter Molly (Elle Fanning) angewiesen ist. Aber selbst die scheitert immer wieder an dem Versuch, aus dem Gemurmel schlau zu werden. Und auch mit seinen Erinnerungen gibt es Probleme. Während vieles von dem, was in seinem Leben derzeit geschieht, sofort wieder verschwunden ist, denkt er immer wieder über früher nach, über seine Jugendliebe Dolores (Salma Hayek), über all das, was hätte sein können …

Je älter die Menschen werden, umso größer ist das Risiko, an Demenz zu erkranken. Bis 2030 soll nach aktuellen Schätzungen die Zahl der Betroffenen auf über 74 Millionen weltweit steigen. So ist es dann auch kein Wunder, wenn immer mehr Filme dieses Thema aufgreifen sowie die damit verbundenen Ängste. Julianne Moore erhielt für ihre Darstellung einer Professorin in Still Alice, die zunehmend ihre sprachlichen, geistigen und körperlichen Fähigkeiten verliert, den längst überfälligen Oscar. Dieses Jahr kamen unter anderem Romys Salon und Die schönsten Jahre eines Lebens in die Kinos, die sich alle irgendwie mit dieser Krankheit auseinandersetzten.

Wenn die Vergangenheit übernimmt

Nun nimmt sich auch Sally Potter mit Wege des Lebens – The Roads Not Taken der Thematik an. Während viele Dramen ihrer Kollegen und Kolleginnen stärker auf persönliche Betroffenheit abzielen, sucht die britische Regisseurin und Drehbuchautorin dabei einen ganz eigenen Zugang. Drei Jahre nach ihrer bissigen Schwarzweiß-Komödie The Party kombiniert sie die üblichen Szenen, die mit einer solchen Erkrankung einhergehen, mit einer fragmentarischen Geschichte, die aus Erinnerungsfetzen und Fantasien besteht. Eine fortlaufende Handlung gibt es dabei praktisch nicht. Die aktuellen Ereignisse werden kontinuierlich durch Momente unterbrochen, die sich allein in dem Kopf von Leo abspielen.

Das ist einerseits ein interessanter Zugang und auch irgendwie passend, um sich der ebenso fragmentarischen Wahrnehmung Betroffener anzunähern. Sally Potter, deren Bruder Nic ebenfalls an einer Form von Demenz litt und dem sie den Film gewidmet hat, versucht sich vorzustellen, wie das ist, wenn sich ständig Gegenwart und Vergangenheit vermischen. Mal sehen wir aktuelle Szenen, wenn sich Molly oder Leos Ex-Frau Rita (Laura Linney) um ihn kümmern, mal kehrt der Geist zu Dolores zurück, deren Namen – zusammen mit dem des Hundes – immer wieder auftaucht. Aber auch andere vergangene Ereignisse schieben sich immer wieder dazwischen. Dass Bardem in all den Szenen gleich aussieht, macht ausnahmsweise mal nichts aus, da es sich eben um keine wirklichen Flashbacks handelt, sondern Einblicke in das Bewusstsein des Protagonisten.

Das Leben hätte auch anders sein können

Verwirrend ist dabei jedoch, dass Potter eben nicht nur auf Szenen zurückgreift, die sich tatsächlich abgespielt haben, sondern auch was-wäre-wenn-Szenarien aufgreift, auf die der englische Originaltitel The Roads Not Taken anspielt. Solche Überlegungen sind für sich genommen schon spannend. Es wird jedoch kein wirkliches Konzept dabei erkennbar, gerade auch in Verbindung zum Thema Demenz. Ein Mann, der kaum noch in der Lage ist, das aktuelle Geschehen wahr- und aufzunehmen, dürfte eher weniger auf seine Vergangenheit zurückblicken und nachdenken, was er wann wie anders hätte machen können. Nicht wenn er sich wie hier nach Fixpunkten sehnt, nach Eindeutigkeiten, an denen er sich festhalten kann.

Das ist dann auch das grundsätzliche Problem des Dramas, das auf der Berlinale 2020 Weltpremiere hatte: Es fehlt eine nötige Konsequenz, die sich aus den Bestandteilen ergibt. Wege des Lebens – The Roads Not Taken beschränkt sich nicht auf das bloße Beschreiben, sondern will auch eine Aussage treffen – ohne dies zu tun. Da gibt es zwar einige stark gespielte Szenen von Bardem, der Film verliert sich jedoch in bedeutungsschwangeren Belanglosigkeiten, die zwar hübsch bebildert sind, aber frustrierend nichtssagend. Die Verzweiflung des Umfelds von Leo, das nicht mehr zu ihm durchdringt, spiegelt sich in der des Publikums, welches keinen Zugang zu der Geschichte und den Figuren bekommt. Denn beide wurden so weit in Stücke zerteilt, dass am Ende nichts übrig bleibt.

Credits

OT: „The Roads Not Taken“
Land: UK, USA
Jahr: 2020
Regie: Sally Potter
Drehbuch: Sally Potter
Musik: Sally Potter
Kamera: Robbie Ryan
Besetzung: Javier Bardem, Elle Fanning, Laura Linney, Salma Hayek

Bilder

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„Wege des Lebens – The Roads Not Taken“ erzählt von einem demenzkranken Mann und dessen Familie, die nicht mehr zu ihm durchdringt. Der Film mischt dabei aktuelle Ereignisse mit Erinnerungen und Fantasien, bleibt dabei jedoch so fragmentarisch, dass Figuren und Szenen gleichermaßen nichtssagend sind.
4
von 10