Kūki Ningyō Air Doll

Air Doll

Kritik

Kūki Ningyō Air Doll
„Air Doll“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Für Hideo (Itsuji Itao) ist sie die ganz große Liebe: Nozomi (Doona Bae). Dass die streng genommen gar kein Mensch ist, sondern lediglich eine aufblasbare Puppe, stört ihn nicht weiter. Er verbringt trotzdem die Abende mit ihr, isst mit ihr, zieht ihr schöne Sachen an – und vor allem auch wieder aus. Dabei ahnt er nicht, dass Nozomi in seiner Abwesenheit tatsächlich zum Leben erwacht. Während dieser Zeit genießt sie es, ein wenig spazieren zu gehen und die Welt zu erkunden, lernt dabei nach und nach die Sprache und die Menschen kennen. Sie erhält sogar einen kleinen Aushilfsjob in einer Videothek, wo sie Gefallen an den Filmen findet. Aber auch Junichi (Arata Iura), der dort arbeitet, hat es ihr angetan …

Eigentlich ist Hirokazu Koreeda ja für seine sehr alltäglichen Geschichten bekannt, in denen er vor allem den Mikrokosmos Familie immer wieder vorstellt, in den verschiedensten Variationen. Dabei waren seine früheren Werke durchaus etwas anders, sowohl thematisch wie auch vom Setting her abwechslungsreicher. In After Life (1998) erzählte er von mehreren Leuten, die auf das Leben im Jenseits vorbereiten. In Hana (2006) zeigte er eine ganz eigene Form des Samuraifilms. Und dann wäre da noch Air Doll (2009), das ebenfalls mit der strengen Realität brach und sich ins Fantastische begab.

Können Sexpuppen lieben?
Das Szenario des Films war dabei natürlich nicht wirklich neu. Menschenähnliche Figuren, die auf einmal zum Leben erwachen und sich ihrer eigenen Rolle bewusst werden, das kennt man einerseits aus Pinocchio, andererseits aus zahlreichen Science-Fiction-Werken, die mit der Grenze zwischen Mensch und Maschine spielten und dabei ganz grundsätzliche, existenzielle Fragen stellten. Das ist bei Air Doll ähnlich, nur dass es hier eben eine aufblasbare Puppe ist, die sonst zu sexuellen Zwecken genutzt wird und nun mehr vom Leben will. Das könnte man als Kommentar zur Stellung der Frau verstehen, die noch immer zu Objekten degradiert werden, die Funktionen zu erfüllen haben, anstatt sich selbst verwirklichen zu dürfen. Ist die Geschichte einer lebenshungrigen Sexpuppe also letztendlich ein feministischer Film?

Wirklich näher geht die die Adaption eines Mangas von Yoshiie Gōda auf diese Thematik nicht ein. Stattdessen interessiert sich Koreeda eher für die grundlegenden menschlichen Überlegungen zum Leben, zum Altern, zur Liebe und dem Tod, völlig losgelöst von Geschlecht oder anderen Faktoren. Antworten sollte man sich davon jedoch nicht versprechen, was auch an der eher eingeschränkten Protagonistin liegt. Nozomi gleicht einem einen kleinen Kind, das mit großen, staunenden Augen und einem Bauch voller Fragen durch die Gegend stapft, die so universell sind, dass keiner wirklich weiß, was er darauf erwidern soll. Die so universell sind, dass sie nicht mal wirklich als Diskussionsgrundlage funktionieren.

Eine kuriose Malancholie
Bei den Kritikern und Kritikerinnen stieß Air Doll bei der Premiere in Cannes dann auch auf eher verhaltene Resonanz. Der Film um die Menschwerdung einer Puppe ist kein inhaltliches Schwergewicht. Im Gegenteil: Er ist so luftig-leicht wie die Plastikvariante seiner Protagonistin. Dafür überzeugt das Drama auf einer emotionalen Ebene. Es geht hier eben nicht nur um Nozomi, sondern auch um Hideo und all die anderen Menschen, die sich in der aktuellen Welt nicht mehr wirklich wiederfinden, die einen Weg aus der Einsamkeit suchen und sich in Fantasien retten, die sie vor der Wirklichkeit schützen. Auch wenn der Film immer wieder humorvolle Momente hat, an manchen Stellen irgendwie glücklich macht, so ist er doch geprägt von einer gewissen Grundmelancholie, innerhalb derer sich alle bewegen.

Die Atmosphäre ist der eine Anlass, sich den Film einmal anschauen zu wollen. Der andere ist Doona Bae. Die unter anderem aus Sympathy For Mr. Vengeance und The Host bekannte Südkoreanerin verzaubert während der zwei Stunden ihre Mitmenschen ebenso wie das Publikum mit ihrer kindlichen Seite – sofern man sich nicht zu sehr an der sexuellen Komponente stört, die in dem Zusammenhang unangenehm ist. Im Gesamtwerk des japanischen Autorenfilmers ist Air Doll sicher nicht der stärkste Film, dafür stagnieren Geschichte und Beziehung zu sehr. Aber es ist doch ein schönes Drama, das gleichzeitig ermuntert und nachdenklich stimmt.

Credits

OT: „Kūki Ningyō“
Land: Japan
Jahr: 2009
Regie: Hirokazu Koreeda
Drehbuch: Hirokazu Koreeda
Vorlage: Yoshiie Gōda
Musik: World’s End Girlfriend
Kamera: Pin Bing Lee
Besetzung: Doona Bae, Arata Iura, Itsuji Itao

Trailer

Filmfeste

Cannes 2009
Toronto International Film Festival 2009
International Film Festival Rotterdam 2010
Fantasia Film Festival 2010
Fantasia Film Festival 2020

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In „Air Doll“ erwacht eine Sexpuppe zum Leben und sucht nun ihre menschliche Existenz, was mit jeder Menge grundsätzlicher Fragen einhergeht. Das Drama gefällt dabei durch die verträumt-melancholische Stimmung und eine bezaubernde Hauptdarstellerin, auch wenn der Gehalt des Films doch eher überschaubar bleibt.
7
von 10