Als Kind, da träumte Yaeji noch davon, einmal Tänzerin zu werden. Doch davon ist nicht viel übrig. Mit den Jahren hat sie nicht nur alle Träume und Ambitionen verloren, sie hat sich in ihrem Kummer viele Kinos angefressen. So viele, dass sie von anderen immer wieder verspottet und übel beschimpft wird. Wie gerne wäre sie hingegen ein beliebtes Model, von allen umschwärmt und für ihre Schönheit bewundert. Da bietet sich ihr die Gelegenheit, ihr Aussehen mittels eines mysteriösen Mittels namens „Beauty Water“ zu verbessern. Nach anfänglichem Zögern nimmt sie das Angebot an. Und tatsächlich: Die Flüssigkeit zeigt enorm Wirkung! Doch sie braucht mehr, will jeden Makel an sich tilgen und ist bereit, dafür jedes Opfer zu bringen …
Auch wenn das südkoreanische Kino in den letzten Jahren einen enormen Popularitätsschub erhalten hat, ob Thriller, Horror oder Drama, da wird inzwischen doch einiges auch bei uns veröffentlicht. Der Bereich Animation fristet hingegen nach wie vor ein Schattendasein. Zwar werden solche Filme in dem fernöstlichen Land durchaus angeschaut. Produziert wird in der Hinsicht jedoch relativ wenig. Immerhin: Dann und wann darf man ziemlich interessante Werke entdecken, meist auf irgendwelchen Festivals. Beim berühmten Animationsfestival von Annecy waren 2020 sogar gleich zwei im Angebot. The Shaman Sorceress ist ein ungewöhnliches Musical-Drama über konkurrierende Glauben, Beauty Water wiederum ist eine bittere Abrechnung mit dem Schönheitswahn.
Ein Gesellschaftsporträt mit Abgründen
Letzterer steht dabei durchaus in einer reichen Tradition: Südkorea ist geradezu dafür bekannt, Gesellschaftsporträts mit Genreanleihen zu verknüpfen, einer inhaltlichen Düsternis eine äußere an die Seite zu stellen. Anfangs meint man es hier noch mit einem recht geradlinigen Drama zu tun zu haben, wenn Yaeji sich für ihr Aussehen zahlreiche Beleidigungen anhören muss und sie in einen Teufelskreis aus geringem Selbstwertgefühl und kompensierender Völlerei gerät. Doch die eigentlichen Abgründe kommen erst noch: Kyung-hun Chos Adaption eines Webtoons aus der Reihe Tales of the Unusual bohrt immer tiefer, bringt weitere, deutlich hässlichere Seiten zum Vorschein.
Dabei spielt es eigentlich auch keine Rolle, welche Figur gerade im Mittelpunkt steht. Yaejis bedauernswerte Eltern einmal außen vor gelassen, welche alles für ihre Tochter tun und damit die Eskalation erst ermöglich, ist hier jeder nur an sich selbst interessiert. Mehr noch, Freundlichkeit gibt es nicht, nicht einmal Respekt: Immer wieder werden verbale Hämmer ausgepackt, mit dem Ziel der maximalen Verletzung. Und wenn doch mal jemand Nettigkeit zeigt, dann kann man sich eigentlich sicher sein, dass die Figur anderweitige Motive pflegt. Beauty Water spielt sehr oft und deutlich mit der Diskrepanz zwischen der äußeren Erscheinung und dem, was dahinter steht, einer Maske, die den Morast dahinter verbirgt.
Der Fluch der Erwartungen
Da drängen sich natürlich Vergleiche zu den frühen Animationsfilmen von Sang-ho Yeon auf. Sowohl in The King of Pigs wie auch The Fake zeichnete er ein wenig schmeichelhaftes Bild seiner Landsmänner, erzählte von Gräben der unterschiedlichsten Art und einer inneren Verrohung. Im Fall von Beauty Water kommt noch das Thema der Normierung hinzu, wenn gerade jungen Frauen kontinuierlich gesagt wird, sie sie zu sein haben, wie sie auszusehen haben. Der Film ist die Geschichte, wie ein Mensch an imprägnierten Erwartungen zugrunde geht, dem Gefühl, nur dann von Bedeutung zu sein, wenn man einem ganz bestimmten Bild entspricht. Dass sie sich, je näher sie diesem Bild kommt, umso stärker in ein Monster verwandelt – ein bisschen wie Dorian Gray – ist der bitterste und pessimistischste Aspekt eines ohnehin nicht mit viel Lichtblicken arbeitenden Films.
Leider entgleist die Geschichte im späteren Verlauf jedoch deutlich, wenn die eigentliche Aussage wohl nicht mehr genug war. Während die langsame Verwandlung in einen Body-Horror-Film noch in sich stimmig ist, wird es dann auf eine bizarre Weise nichtssagend. Dafür dürfen sich Genrefans auf einige verstörende Anblicke freuen, die in mehr als einer Hinsicht Stoff für Albträume sind. Technisch ist der am Computer entstandene 2D- und 3D-Mix hingegen nicht immer auf der Höhe der Zeit. Gerade bei den schnelleren Passagen zeigen die Animation so ihre Mängel. Aber auch mit diesen Mängeln ist Beauty Water ein sehenswerter, gesellschaftskritischer Film, der wenn auch grob seinen Finger in eine pulsierende Wunde steckt und genüsslich darin rumstochert.
OT: „Beauty Water“
Land: Südkorea
Jahr: 2020
Regie: Kyung-hun Cho
Drehbuch: Han-bin Lee
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)