Das Cabinet des Dr Caligari

Das Cabinet des Dr. Caligari

Kritik

Das Cabinet des Dr Caligari
„Das Cabinet des Dr. Caligari“ // Deutschland-Start: 27. Februar 2020 (Kino) // 27. Juni 2014 (DVD/Blu-ray)

Zusammen mit seinem besten Freund Alan (Hans Heinrich von Twardowski) erlebt Franzis (Friedrich Fehér) in seiner Heimatstadt Holstenwall ein sehr eigenartiges Ereignis. Auf einem Jahrmarkt werden die beiden jungen Herren von dem mysteriösen Dr. Caligari (Werner Krauß) angesprochen, der ihnen gegen einen kleinen Geldbetrag eine wahrlich außergewöhnliche Kuriosität zeigen will, einen Somnambulen namens Cesare (Conrad Veidt), der ausgewählten Zuschauer Fragen über ihre Zukunft beantwortet. Auf die Frage, wie lange er noch zu leben habe, erhält Alan von Cesare die düstere Prophezeiung, er würde noch nicht einmal das Licht des nächsten Tages erblicken. Verunsichert und verärgert verlassen die beiden Freunde das Spektakel und kehren in ihr Nachtdomizil zurück. Als Alan am nächsten Morgen tatsächlich tot aufgefunden wird, fällt der Verdacht sofort auf Caligari und Cesare. Mit der Hilfe der schönen Jane (Lil Dagover), der sowohl Alan als auch Franzis den Hof machten, sowie ihres Vaters informiert er die Polizei, die sich sogleich an die Ermittlungen in dem Fall macht. Die Untersuchungen konzentrieren sich zwar auf einen Verdächtigen, den viele Anwohner gesehen haben wollen, als er mit einem Messer durch die Straßen lief, doch Franzis ist sich sicher, dass es Cesare war, der seinem Freund nicht nur eine Prophezeiung gemacht hat, sondern auch für deren Erfüllung gesorgt hat. Derweil gehen die Morde in der Stadt weiter.

„Du musst Caligari werden!“
Mit Das Cabinet des Dr. Caligari schuf Regisseur Robert Wiene nicht nur einen der wohl bekanntesten Vertreter des deutschen Films der 1920er Jahre, sondern einen Vorreiter für das Genre des Horrorfilms, dessen Einfluss bis heute noch unverkennbar ist und sich in Werken wie beispielsweise Jennifer Kents Der Babadook niederschlägt. Jedoch ist Wienes Film, welcher zugleich eine Art Visitenkarte für den Regisseur werden sollte für die Arbeit in Hollywood, zugleich ein Spiegel seiner Zeit, wie bereits der bekannte Filmkritiker Siegfried Kracauer bemerkte, der in der Geschichte nicht nur ein Abbild einer Welt im Chaos sah, sondern zugleich einer, in der eine Diktatur des Willens, wie sie Deutschland unter dem Nationalsozialismus erfuhr, bereits prophezeit wurde.

In Das Cabinet des Dr. Caligari erzählt Wiene eine Geschichte über Manipulation und Macht. Ähnlich dem Grafen Orlok aus Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens gelingt es ihm, Menschen durch die Macht seines Willens und seiner Wortes zu manipulieren und sie gefügig zu machen. Caligari ist ein Mann erfüllt von dem Wunsch nach Macht und Kontrolle, eine Sehnsucht, die bereits seine Arbeit als Leiter einer Nervenheilanstalt begleitete und zu der Erschaffung des Dr. Caligari führte, einem zweiten Ich, welches, ähnlich einem Mr. Hyde, die dunkle Seite dieses Menschen in den Vordergrund treten ließ. Interessanterweise beschreiben viele Autoren Wienes Film bis heute als einer der ersten Versuche Krankheiten wie Schizophrenie mit den Mitteln des Mediums darzustellen.

Ihm gegenüber steht Conradt Veidts Cesare, eine wahrlich bemitleidenswerte Figur. Veidt, ein Pionier, wenn es um die Darstellung gemarterter Figuren ging, spielt einen Verdammten, der dem Willen seines Meisters gehorchen muss und mit der fragwürdigen Gabe ausgestattet ist, in die Zukunft der Menschen sehen zu können, allerdings nur die schlimmen oder schrecklichen Ereignisse. Die Trauer und die Erschöpfung sind seiner Mimik und seinen schlurfenden Schritten deutlich anzumerken und komplettieren das Bild eines Mannes, der nur noch ein Schatten seiner selbst ist und sich hilflos dem Willen eines anderen ergeben hat.

Die Verdammten und die Verrückten
Typisch für einen expressionistischen Film ist die Darstellung der Welt. Nicht unähnlich dem Bühnenbild eines Theaterstücks betonen die Sets, entworfen von Walter Reimann, Hermann Warm und Walter Röhrig, den Eindruck einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Im Verlauf der Handlung nehmen nicht nur die Gräueltaten des Mörders zu, sondern die gesamte Welt scheint sich immer mehr einem Strudel hinzugeben ins Chaos und des Wahnsinns. Jedes Bild des Films vermittelt den Eindruck eines Labyrinths, aus welchem keine der Figuren entkommen kann und nur noch die Verrückten und die Verdammten überleben können.

Credits

OT: „Das Cabinet des Dr. Caligari“
Land: Deutschland
Jahr: 1920
Regie: Robert Wiene
Kamera: Willy Hameister
Drehbuch: Hans Janowitz, Carl Mayer
Besetzung: Werner Krauß, Conrad Veidt, Friedrich Fehér, Lil Dagover, Hans Heinrich von Twardowski

Bilder

Filmfeste

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Berlinale 1989
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Auch nach 100 Jahren hat Robert Wienes „Das Cabinet des Dr. Caligari“ nichts von seiner Wirkung eingebüßt. Kunstvoll inszeniert und mit einem tollen Darstellerensemble, aus dem Conrad Veidt und Werner Krauß herausstechen, erzählt der Film von einer Vision einer dem Wahnsinn verfallenen Welt, was im Jahre 2020 gar nicht so weit weg von der Realität zu sein scheint.
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