Gerade noch haben Karla (Anke Engelke) und Stefan Fazius (Johannes Zeiler) ihre Silberhochzeit gefeiert, sind endlich ihre Gäste losgeworden und waren kurz davor ein bisschen intim zu worden, als das Schicksal erbarmungslos zuschlägt: Stefan ist tot, einfach so am Tisch zusammengeklappt. Während Karla, ihre Tochter Judith (Nina Gummich) und Sohn Tonio (Juri Winkler) nach einem Weg suchen, um mit der Trauer fertig zu werden, lernen sie den Bestatter Andreas Borowski (Thorsten Merten) kennen, der mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen hat. Privat läuft es nicht mehr so, auch das Geschäft hat keine wirkliche Zukunft, da keiner mehr für Beerdigungen Geld ausgeben möchte. Als Karla eher aus der Not heraus die Trauerrede für ihren Mann hält, findet sie Gefallen an der Aufgabe und fasst den Entschluss, dies in Zukunft beruflich zu machen – während sie nach wie vor mit den Erinnerungen an Stefan kämpft, den sie nicht so gut kannte, wie sie eigentlich dachte …
Zuletzt waren die Bemühungen von Netflix, auch der hiesigen Film- und Serienlandschaft zu internationalem Glanz zu verhelfen, von eher ernüchterndem Ergebnis. Ob es das Superheldendrama Freaks – Du bist eine von uns oder der Science-Fiction-Thriller Biohackers war: Man orientierte sich bei diesen Titeln zwar an dem, was da draußen los ist, sowohl erzählerisch wie auch gesellschaftlich, bei der Umsetzung wurde es zum Teil aber schon arg holprig. Man übernahm sich einfach bei dem Versuch, im Genrebereich mitmischen zu können. Umso erfreulicher ist, dass mit Das letzte Wort nun eine hiesige Serie ins Programm aufgenommen wurde, die tatsächlich überzeugt, in sich stimmig ist – ohne das große Brimborium.
Das alltägliche Chaos
Tatsächlich ist die Geschichte um eine Frau, die lernen muss, mit ihrer Trauer und ihrer Familie umzugehen, eine doch ziemlich klassische. Thorsten Merten, der die Idee für Das letzte Wort hatte und auch die Hauptrolle spielt, befasst sich mit Themen, die jeden irgendwie betreffen können, zeigt Menschen, die – trotz einiger Macken – bekannt sind. Und auch strukturell betrat man nicht wirklich Neuland. Die sechs Folgen erzählen einerseits von den Menschen, denen Karla und Andreas während ihrer Arbeit begegnen, geben uns einen Einblick in ihr gescheitertes Leben, ähnlich wie es Der Tatortreiniger oder Der letzte Cowboy getan haben. Verbunden wird dies mit den Handlungssträngen um die beiden Familien, welche jeweils mit ihren Situationen zu kämpfen haben.
Der Ton ist dabei grundsätzlich eher heiter, die Serie kostest die diversen Absurditäten im Leben der Figuren aus, hat großen Gefallen an einem skurrilen Humor. An traurigen Themen mangelt es dennoch nicht. Wenn etwa Eltern sich eingestehen müssen, dass ihre Kinder schlechte Menschen sind oder umgekehrt eine erwachsene Frau feststellt, dass sie ihr Leben lang von ihrer Mutter misshandelt wurde, dann ist das nicht unbedingt der Stoff für einen Wohlfühlabend. Und dann wäre da noch Karlas Begegnungen mit ihrem Mann, den sie anfangs noch in einem peinlichen Lied besingt und von dem sie behauptet, ihn besser zu kennen als er selbst – nur um kurze Zeit später feststellen zu müssen: stimmt nicht. Wesentliches war ihr verborgen geblieben, so wesentlich, dass auf einmal nichts mehr wirklich klar ist.
Das Leben ist anders, als wir denken
Das letzte Wort ist deshalb nicht allein eine Auseinandersetzung mit dem Tod, welche bei uns gern hinter schönen Floskeln versteckt wird, und eine Verarbeitung von Trauer. Die Serie handelt auch davon, sich eigener Grenzen bewusst zu werden, Illusionen, die uns im täglichen Leben begleiten, auch als solche zu erkennen. So etwas kann schnell zu einem Klischee werden, wenn abgegriffene Kalendersprüche plötzlich als tiefe Wahrheit verkauft werden sollen. Die deutsche Tragikomödie hat hingegen den Mut zu sagen, dass vieles nicht so eindeutig ist, wie wir es gerne hätten, dass es nicht immer richtig und falsch gibt, auch wenn wir das als Orientierung bräuchten. Dass es auch völlig in Ordnung ist, wenn wir an der Aufgabe scheitern, in allem einen Sinn erkennen zu wollen.
Das ist mal unterhaltsam, mal bewegend, an der einen Stelle altbekannt, dann wieder erfrischend anders. Vor allem aber ist Das letzte Wort wunderbar gespielt. Im Mittelpunkt steht natürlich Anke Engelke (Frau Müller muss weg!), die hier noch einmal beweisen darf, dass sie mehr ist als die Ulknudel, als welche sie früher einmal verkauft wurde. Um sie herum findet sich ein Ensemble, das sie wertvoll unterstützt, teils selbst Glanzpunkte setzt – etwa Merten als Mann zwischen Pietät und Kommerz oder Gudrun Ritter als Karlas biestige Mutter, die jedem das Leben zur Hölle macht, aus dem Schmerz heraus, selbst noch leben zu müssen. Das ist dann alles vielleicht nicht neu oder besonders originell, manche Themen hätten auch mehr Zeit gebraucht. Aber es macht Spaß, ist kompetent umgesetzt und überzeugt gerade durch die menschliche Komponente, die zu oft vernachlässigt wird. Hier verbringt man einfach gern Zeit mit den Figuren, selbst wenn sie einen manchmal in den Wahnsinn treiben. Und sich selbst gleich mit dazu.
OT: „Das letzte Wort“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Aron Lehmann, Pola Beck
Drehbuch: Aron Lehmann, Carlos V. Irmscher, Nora Valo, Carolina Zimmermann
Idee: Thorsten Merten
Musik: Boris Bojadzhiev
Kamera: Andreas Berger
Besetzung: Anke Engelke, Thorsten Merten, Nina Gummich, Aaron Hilmer, Johannes Zeiler, Claudia Geisler-Bading, Gudrun Ritter, Juri Winkler
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)