Der junge Polizist Kurt Wallander (Adam Pålsson) ist noch nicht lange im Einsatz, da hat er seinen ersten kniffligen und grausigen Fall: Ein Jugendlicher wurde ermordet, in aller Öffentlichkeit, indem ihm eine Bombe in den Mund gesteckt wurde. Ganz Malmö redet im Anschluss über nichts anderes und auch die Eltern des Jungen machen Druck, dass der Schuldige gefunden wird. Tatsächlich findet Wallander bald erste Spuren, die ihn unter anderem zu illegalen Flüchtlingen führt, zur rechtsradikalen Szene Schwedens, aber auch zu kriminellen Jugendbanden, welche um die Vorherrschaft auf der Straße kämpfen. Doch gleichzeitig wächst in ihm die Gewissheit, dass die Geschichte viel größer ist und es nicht bei dem einen Toten bleiben wird …
Alles hat einmal ein Ende. Aber eben auch einen Anfang – oder sogar mehrere. Viele Male haben wir den etwas grimmigen Polizisten Kurt Wallander schon auf den Fernsehern sehen dürfen, sei es in der schwedischen Filmreihe, der schwedischen TV-Serie oder in der britischen TV-Serie. Mit dem Tod des schwedischen Autors Henning Mankell, auf dessen Romanen diese Produktionen basierten, schien dies alles vorbei zu sein, schließlich gab es keine weiteren Fälle, die man adaptieren konnte. Aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Und so gab Netflix mit Der junge Wallander eine neue Serie in Auftrag, die von den Anfangsjahren des Polizisten erzählte, also bevor er zu dem Mann wurde, der von Krimifans auf der ganzen Welt bewundert wird.
Bruch mit der Vergangenheit
Nun kann man sich in einem solchen Fall ganz grundsätzlich fragen: Ist das eine gute oder schlechte Nachricht? Ist die Serie reine Geldmacherei oder doch ein Geschenk an die Fans? Letztere zumindest müssen sich auf einige Umstellungen gefasst machen, die nicht allen gefallen wird. So wurde Der junge Wallander zu einem Großteil mit Briten besetzt und auch auf Englisch gedreht. Die Geschichte selbst spielt zwar in Malmö, wurde dort aber nicht gedreht. Außerdem wurde sie in die Gegenwart verlegt, was sie schlecht mit den bisherigen Produktionen vereinbaren lässt. Es ist nicht einmal so, dass man hier so wahnsinnig viel Bezug auf das nehmen würde, was Mankell geschrieben hat. Wer sich also ein tatsächliches Prequel erhoffte, der wird hier nicht fündig.
Lässt man diese ganzen Irritationen aber einmal außen vor und betrachtet Der junge Wallander als eine eigenständige Krimiserie, dann sieht die Sache schon deutlich besser aus. Ob beim regnerischen Einstieg oder auch später, wenn wir in der Stadt, mal auch in der Natur unterwegs sind: Da wurde schon viel Wert auf eine düstere Atmosphäre gelegt. Das gilt gleichermaßen für den Inhalt, der schon mal ganz gerne den Blick in die Abgründe riskiert. Die können persönlicher Natur sein oder einer pragmatisch-kriminellen. Aber auch die Gesellschaft als solche wird zwischendurch hinterfragt, vor allem der Umgang Schwedens mit Immigranten oder Menschen, die wie solche aussehen.
Auf der Suche nach einer Identität
Tatsächlich schwankt Der junge Wallander während der sechs Folgen der ersten Staffel kontinuierlich hin und her, will gleichzeitig den speziellen Fall wie auch das Umfeld beleuchten, in dem dieser stattfand, mit einem größeren Fokus auf die menschliche Komponente. Sonderlich in die Tiefe geht Letzteres nicht. Viele der Figuren, die hier so auftauchen, sind schon nach Schablonen gezeichnet. Wallander selbst ist ebenfalls nicht unbedingt der spannendste Charakter, wird nicht mehr als der junge Heißsporn und Gutmensch, der sich regelmäßig eine blutige Nase holt beim Versuch, gegen das System anzurennen. Mit Adam Pålsson wurde das zwar ansprechend besetzt. Ein entscheidender Faktor, sich die Serie anschauen zu wollen, ist er jedoch nicht.
Dafür nimmt der Fall immer wieder Wendungen. In bester Krimi-Manier lockt einen die von Ben Harris entwickelte Serie immer wieder auf falsche Spuren. Wenn man gerade schon meinte, endlich die Lösung gefunden zu haben, geht es anderweitig weiter, die Geschichte bewegt sich im Zickzack-Kurs weiter. Das Ende ist eher unbefriedigend, wobei offen bleibt, ob das einer etwaigen zweiten Staffel geschuldet ist oder zur Charakterisierung genutzt wird. Es ist auch nicht so komplex, wie sich Der junge Wallander zuweilen gibt. Zumindest aber handelt es sich doch um einen soliden Genrebeitrag, der zwar vielleicht dem großen Namen nicht ganz gerecht wird, ihm aber auch keine Schande bereitet.
OT: „The Young Wallander“
Land: Schweden
Jahr: 2020
Regie: Ole Endresen, Jens Jonsson
Drehbuch: Anoo Bhagavan, Jessica Ruston, Ben Schiffer
Vorlage: Henning Mankell
Idee: Ben Harris
Musik: Matti Bye
Kamera: Gaute Gunnari
Besetzung: Adam Pålsson, Richard Dillane, Leanne Best, Ellise Chappell, Yasen Atour, Charles Mnene, Jacob Collins-Levy, Alan Emrys, Kiza Deen
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