Der Mensch ist der König der Welt! Zumindest führt er sich so auf, macht sich alles untertan, was ihm in den Weg kommt. Eine Krone bekommt er dafür zwar nicht, die Insignien seiner Macht zeigen sich auf eine andere, deutlich destruktivere Weise. Wie destruktiv er letztendlich ist, wie stark die Auswirkungen seines Handelns auf die Natur und die Erde allgemein tatsächlich sind, darüber wird zwar immer wieder gestritten. Leugner des Klimawandels etwa weisen empört von sich, dass der Mensch wirklich so viel ausrichten kann – meist aus wirtschaftlichen oder Gründen der Bequemlichkeit. Doch die Erderwärmung ist nur eines von vielen Beispielen, überall sind die Spuren seiner Taten sichtbar.
Spuren der Zerstörung
Die Epoche des Menschen geht nun eben diesen Spuren nach. Der Titel der Dokumentation, im englischen Original Anthropocene: The Human Epoch, verweist auf die Theorie, dass der Einfluss des Menschen inzwischen so gravierend ist, dass ihm ein eigenes Zeitalter gewidmet werden sollte. Ob dieses Urteil nun stimmt oder nicht, das steht in dem Film dabei gar nicht wirklich zur Debatte. Jennifer Baichwal, Edward Burtynsky und Nicholas de Pencier, die in gemeinschaftlicher Arbeit das Werk geschaffen haben, behalten ihre Meinungen für sich, mischen sich in keine Diskussionen ein. Stattdessen lassen sie andere sprechen, lassen Bilder sprechen, wenn sie um die Welt reisen und die unterschiedlichsten Beispiele für Eingriff in die Natur zeigen.
Das Ergebnis ist verheerend, zeichnet eine Schneise der Zerstörung nach, die sich nicht nur über den ganzen Globus zieht, sondern auch verschiedenste Bereiche berührt. Da geht es beispielsweise um Tiere, die ausgerottet werden, sei es wie im Falle des Elefanten, auf dessen Elfenbein die Leute scharf sind, sei es weil sie Kollateralschäden sind bei der Veränderung der Natur. Okapi, Sumatra-Tiger oder verschiedene Arten von Schildkröten, Nashörnern, selbst Fröschen – sie alle werden vom Menschen verdrängt, der sich immer mehr Lebensraum einverleibt und dem Rest nichts übrig lässt. Und auch wenn eifrig dagegen angekämpft wird, etwa durch spezielle Schutzprogramme: Die Epoche des Menschen macht nicht viel Hoffnung darauf, dass sich die Umwälzung noch irgendwie aufhalten lässt.
Ein surrealer Anblick
Anders als es bei solchen Umweltdokus üblich ist, schlägt diese dabei kaum alarmierende Töne an. Dann und wann gibt es sie, in der deutschen Fassung meist als Voice-over von Hannes Jaenicke. An vielen Stellen ist Die Epoche des Menschen aber überraschend stumm. Wobei es einem als Zuschauer da ganz ähnlich geht, oftmals steht einem beim Anblick der Mund offen, sei es weil der Anblick so schockierend ist, mal ist er auch auf eine gewisse Weise schön, majestätisch gar. Oder es ist beides zusammen, wenn die Zerstörungen und Veränderungen der Landschaft – der Fachbegriff lautet Terraforming – in Bildern resultiert, die so surreal sind, dass man sie erst einmal irgendwie verarbeiten und verinnerlichen muss.
Einen wirklichen roten Faden gibt es bei dem Dokumentarfilm, der auf dem Toronto International Film Festival 2018 Premiere hatte nicht. Stattdessen springt Die Epoche des Menschen von Thema zu Thema, zeigt im einen Moment eine riesige Kohlegrube, die schon ganze Städte verschlungen hat, nur um dann ein mit Waffen bewachtes Nashorn zu zeigen oder sich den Plastikmüll genauer anzuschauen, den wir auf Schritt und Tritt verstreuen. Daraus wird ein Kaleidoskop des Schreckens, welches trotz der sehr nüchternen Präsentation nicht ohne Wirkung bleibt. Ob Trauer, Wut oder auch Resignation, es ist schwer von den Aufnahmen, so ästhetisch sie ohne jeden Zweifel sind, nicht mitgenommen zu werden. Ob man es nun das Zeitalter des Menschen nennt oder nicht, das bleibt jedem selbst überlassen. Zumindest ist es ein Zeitalter, nach dem vieles nicht mehr sein wird, wie es einmal war.
OT: „Anthropocene: The Human Epoch“
Land: Kanada
Jahr: 2018
Regie: Jennifer Baichwal, Edward Burtynsky, Nicholas de Pencier
Musik: Rose Bolton, Norah Lorway
Kamera: Nicholas de Pencier
Toronto International Film Festival 2018
Sundance Film Festival 2019
Berlinale 2019
DOK.fest München 2019
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