Letztes Jahr schrieb Mati Diop Geschichte, als sie die erste schwarze Regisseurin wurde, die im prestigeträchtigen Wettbewerb in Cannes um die Goldene Palme konkurrierte. Wer jedoch hofft, dass das neue Werk mit Atlantique vergleichbar wäre, der wird enttäuscht. Zum einen kehrt sie mit In My Room wieder zu den reinen Dokumentarfilmen zurück, nachdem sie letztes Jahr das Dokumentarische mit dem Magischen verband und dabei Grenzen zwischen Fakt und Fiktion auflöste. Außerdem wendet sie sich nach dem Spielfilmdebüt wieder dem kürzeren Format zu, gerade mal 20 Minuten Laufzeit hat das hier.
Gefangen in der Geschichte
Entstanden ist der Kurzfilm, welcher bei den Venice Days in Venedig 2020 Weltpremiere hatte, während der durch Corona verursachten Lockdown-Phase. Grundsätzlich erinnert In My Room damit an andere Werke, welche die plötzlichen und massiven Einschränkungen künstlerisch nutzen wollen – siehe etwa Homemade. Diop nimmt den Rahmen jedoch weniger dazu, um ihr eigenes Leben in diesen Ausnahmezeiten zu thematisieren. Vielmehr erzählt sie von ihrer verstorbenen Großmutter und der schwierigen Phase, als ihr Gedächtnis nachließ, sie immer mehr auf Hilfe angewiesen war, diese aber nicht zulassen wollte.
Das Thema wurde in den letzten Jahren schon in vielfacher Weise aufgegriffen. Ungewöhnlich ist an In My Room, dass Diop ihre Großmutter gar nicht zeigt. Stattdessen sehen wir Aufnahmen von außen, Fassaden, mal auch ein kurzer Blick in ein Fenster. Also all das, was wir selbst während des Lockdowns sehen mussten. Diese verbindet die Filmemacherin mit Audio-Aufnahmen der Verstorbenen, welche verdeutlichen, wie schwierig es zuletzt gewesen war. Das Ergebnis ist eine eigenwillige Mischung aus Nähe und Distanz, ein Kurzfilm, der einerseits sehr realistisch ist und doch ein bisschen fern von der Welt wirkt – womit er dann doch irgendwie an Atlantique anschließt.
OT: „In My Room“
Land: Italien, Frankreich
Jahr: 2020
Regie: Mati Diop
Musik: Dean Blunt, Giuseppe Verdi
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