Wie viele bist du
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Wie viele bist du?

Kritik

Wie viele bist du
„Wie viele bist du?“ // Deutschland-Start: 22. Oktober 2020 (Kino) // Österreich-Start: 17. September 2020 (Kino)

2020 war ein sehr seltsames Jahr, welches die Konzepte von Nähe und Distanz noch einmal völlig in Frage stellte. Denn auf einmal mussten auf der ganzen Welt die Menschen eine gemeinsame Erfahrung machen: Sie durften nicht mehr gemeinsam sein. Zumindest nicht im Realen, an Ort und Stelle. Aber schon zuvor hat sich unsere Vorstellung von Gemeinsamkeit durch eine Verlagerung aufs Virtuelle stark verändert. Auf einmal sind wir der ganzen Welt nahe, können an all dem teilhaben, was der andere macht. Gleichzeitig ist dabei eine Distanz entstanden, eine Beliebigkeit und Anonymität, wenn nichts mehr wirklich zusammenfindet, wenn in dem Schwarm das Individuum verschwindet.

Auf Corona nimmt Wie viele bist du? natürlich keinen Bezug, an das Virus dürfte niemand gedacht haben, als der Film gedreht wurde. Er ist auch keine direkte Antwort auf soziale Medien oder die Frage, ob es in der Welt noch echte Nähe gibt. Und doch gibt es immer wieder Überschneidungen, wenn das Werk diese Thematik aufgreift, es auch eine Art Gegenbewegung zu sein scheint, welches beides verbinden will: den Schwarm und das Individuum. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Börsenmagnat und Milliardär Victor d’Oro (Bruno Würtenberger), der die Theorie verfolgt, dass drei Menschen einen Cluster bilden. Jedoch nicht irgendwelche Menschen. Vielmehr soll jeder zwei solcher auf wundersame Weise verbundene Leute haben, die irgendwo auf der Welt sind und die eine Art Gegenstück zu einem selbst bilden. Kommen diese nun zusammen, ergänzen sie sich gegenseitig so gut, dass im Prinzip alles möglich ist.

Eine Idee mit vielen Fragen
Vorgeführt wird das anhand der Cellistin Anna (Lexa Craft), des Bewegungskünstlers Flo (Alex Schauer) und des Startup-Unternehmers Benjamin (Valentin Frantsits). Wie viele bist du? folgt nun dem schwerreichen Victor, wie er wahlweise irgendwelche Angestellten beschimpft, über den Sinn seines Verdienstes nachdenkt oder eben diese Cluster-Theorie verfolgt. Wie er auf diese Idee kam, wird nicht ganz klar, auch nicht, woran man im Vorfeld merken soll, wer nun Teil eines solchen Clusters sein könnte, ob es da tatsächlich erkennbare Kriterien gibt. Überhaupt werden nach dem Anschauen des Films vermutlich mehr Fragen zurückbleiben, als man im Vorfeld mit hinein genommen hat.

Die Aussage, wonach Menschen zusammenkommen sollen, die ist zwar klar, sie ist auch sympathisch. Aber es ist doch immer recht willkürlich, was hier zusammengeworfen wird. So hat beispielsweise Alex Schauer eine der Hauptrollen, der jetzt weniger für seine schauspielerische Arbeit als vielmehr für seine Parkour-Fähigkeit bekannt ist. Die darf er dann auch mehrfach im Film unter Beweis stellen. Sowas ist prinzipiell immer beeindruckend und spannend anzusehen, wie etwa Brick Mansions oder Tracers es vorgemacht haben. Während dort die Action-Szenen jedoch durchaus in die dünne Geschichte integriert waren und innerhalb des Genrerahmens Sinn ergaben, sind die entsprechenden Aufnahmen in Wie viele bist du? einfach nur irgendwie da, ohne narrativ etwas beizusteuern. Schauer tut, was er kann, eben weil er es kann, nicht weil es einem Ziel folgen würde.

Ein experimentelles Event
Der Film wirkt aber auch losgelöst davon ziemlich künstlich, mehr ein Experiment als ein wirklicher Film. An einigen Stellen fällt beispielsweise unschön auf, dass hier eben nicht ausschließlich ausgebildete Schauspieler und Schauspielerinnen bei der Arbeit sind. Nun kann auch das eine Stärke sein, in den letzten Jahren hat es sogar viele Filme gegeben, die aus der Arbeit mit einem Laienensemble Kraft bezogen haben, wenn die Grenzen zwischen Spielfilm und Dokumentation aufgelöst werden. Bei Wie viele bist du? funktioniert das aber nicht, da hier eben nicht die Authentizität im Mittelpunkt ist, auch nicht das Bedürfnis einer Geschichte. Vielmehr baut alles auf der Idee der Gemeinsamkeit auf, auf der Lust einer Begegnung, bei der jeder etwas einbringen kann, ohne sich zurücknehmen oder unterordnen zu müssen.

Als Theorie ist das interessant, eine Art filmisches Pendant zu einer Kommune. Und auch der Weg zum Film selbst liest sich spannend, wenn nicht der übliche Weg über Pitch, Förderung und Redaktion gegangen wurde, sondern viel über persönliche Verbindungen lief. Das Ergebnis hat dann aber doch eher Event-Charakter für die Beteiligten, als dass einem außenstehenden Publikum viel geboten würde. Diese Willkürlichkeit hat ihren Reiz, gleiches gilt für die streckenweise märchenhafte Anmutung. Aber gerade weil hier irgendwie alles geht, alles möglich ist, jeder eingeladen ist, gibt es zu wenig Greifbares, um damit zwei Stunden zu füllen. Der Film ist zu sehr mit dem eigenen Meta-Anspruch beschäftigt, mit den grenzenlosen Möglichkeiten und verliert dabei sich selbst aus dem Blick.

Credits

OT: „Wie viele bist du?“
Land: Österreich, Schweiz, Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Roman Padiwy
Musik: Mark Joggerst
Kamera: Roman Padiwy
Besetzung: Bruno Würtenberger, Lexa Craft, Alex Schauer, Valentin Frantsits, Christian Dungl, Erwin Leder, Sandra Schuller, Hannes Lieb

Bilder

Trailer

 



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„Wie viele bist du?“ beschäftigt sich inhaltlich, aber auch produktionstechnisch mit dem Miteinander von Menschen, welche zusammenkommen und etwas schaffen, das größer ist als sie selbst. Das ist interessant und sympathisch, aber doch mehr Experiment als tatsächlicher Film, wenn willkürlich zusammenkam, was zusammenkommen durfte.
5
von 10