100 Jahre Adolf Hitler
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100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker

Kritik

100 Jahre Adolf Hitler
„100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“ // Deutschland-Start: 18. Februar 1989 (Kino) // 23. Oktober 2020 (DVD)

Während sich die Führungselite der NSDAP im Führerbunker versteckt, tobt über ihnen die Schlacht um Berlin und es ist jedem eigentlich klar, dass der Krieg verloren ist. Hitler (Udo Kier) vertreibt sich die Zeit, indem er mit seiner Dogge die Gänge durchstreift, sich, wann immer sich die Gelegenheit bietet, Medikamente, mit Vorliebe Morphin, spritzt und ansonsten nur noch ein Schatten des Führers ist, den seine Untergebenen kennen. Selbst Eva Braun (Brigitte Kausch) scheint sich von ihm distanziert zu haben, was derweil für einigen Gesprächsstoff unter den anderen Bewohnern des Bunkers sorgt. Vor allem Hermann Göring (Alfred Edel), angestachelt von Martin Bormann (Andreas Kunze) und Fegelin (Volker Spengler), sieht sich als neuer Reichskanzler und plant in den dunklen Gängen des Bunkers die Machtübernahme, da der Führer nicht mehr nur geschwächt ist, sondern sein Untergang besiegelt ist. Je länger der Aufenthalt im Bunker, desto deutlicher treten die aufgestauten Aggressionen und Anspannungen zum Vorschein, auch die sexuellen, wie in der Familie Goebbels, in der sich Joseph (Dietrich Kuhlbrodt) über seine Tochter (Marie-Lou Sellem) hermacht). Das Feuer des Krieges an der Oberfläche wird immer lauter und im Bunker läuft derweil alles auf einen Höhepunkt hinaus, eine Explosion aus Wut und Leidenschaft.

Die Zerstörung der Bilder
Im Falle von 100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker dauerte die Erstellung des Drehbuchs wahrscheinlich länger als der eigentliche Dreh, welchen Christoph Schlingensief und sein Team in einer stillgelegten Bunkeranlage innerhalb von nur 16 Stunden hinter sich brachten. Dieser erste Teil von Schlingensiefs Deutschland-Trilogie, die er mit Das deutsche Kettensägenmassaker und Terror 2000 fortsetzte, setzt sich weniger mit den letzten Stunden der NSDAP-Führungsriege auseinander, sondern vielmehr mit der Verarbeitung der Vergangenheit durch die Bilder, ausgehend von der Rede Wim Wenders, als er bei den Filmfestspielen in Cannes einen Preis für Der Himmel über Berlin entgegennehmen durfte und sagte, man könne die Welt mittels Bildern verbessern oder zumindest besser schaffen.

Im Gegensatz zu der Bilderwelt eines Wim Wenders gibt es bei Schlingensief allerdings keine Poesie zu finden, eher Dreck, Dunkelheit und eine tiefgehende Korruption des Geistes. Der Lichtkegel, welcher den Darstellern ins Gesicht scheint und nur ein wenig Licht in die Schummrigkeit des Bunkers bringt, zeigt Menschen vor dem Nervenzusammenbruch oder solche, die diesen schon lange hinter sich haben und sich nur noch erschöpft, dreckig und medikamentenabhängig durch die graue Monotonie ihres neuen und auch letzten Zuhauses schleppen. Zerstört wird in Schlingensiefs Film nicht nur das Konstrukt des Filmes an sich, durch den sichtbaren Schatten von Mikrofonen oder die immer wieder erscheinenden Filmklappen, sondern letztlich auch die Inszenierung von Leuten wie Hitler, Goebbels oder Göring, welche hier nur noch als Menschen erscheinen geplagt von Angst, Gier, Drogen- und Genusssucht, einem letzten Aufbäumen bevor das Ende sie mit aller Härte trifft.

Kleiner Krieg im Bunker
Dies ist dann auch, sofern man mit diesem Begriff arbeiten will, die Provokation in Schlingensiefs Film. Anders als in Werken wie Oliver Hirschbiegels Der Untergang wird jemand wie Hitler nicht auf ein Podest gestellt, sondern vielmehr herausgezerrt aus dem Dunkel des Bunkers und ihm wird wie einem Kriminellen ein helles Licht ins Gesicht gehalten, sodass jeder die Falten, den Dreck und die Verkommenheit sehen kann. Dies gilt ebenso wie die von Margit Carstensen, Volker Spengler und Andreas Kunze gespielten Figuren, die sich über ihre historischen Vorbilder erheben und im Sinne der Inszenierung sich in einem eigenen, privaten Krieg ganz der Selbstzerfleischung und der Leidenschaft widmen.

Credits

OT: „100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“
Land: Deutschland
Jahr: 1989
Regie: Christoph Schlingensief
Drehbuch: Christoph Schlingensief
Musik: Tom Dokoupil
Kamera: Voxi Bärenklau
Besetzung: Udo Kier, Alfred Edel, Margit Castensen, Volker Spengler, Andreas Kunze, Dietrich Kuhlbrodt, Marie-Lou Sellem, Brigitte Kausch

Bilder

Filmfeste

Berlinale 1989

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„100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“ ist eine Mischung aus Drama und Komödie, vor allem aber eine Art Konzeptfilm Christoph Schlingensiefs über die Verarbeitung der Vergangenheit, insbesondere deren Bilder. Hysterisch, unbequem und teilweise unerträglich ist die Welt, die Schlingensief zeigt, aber auch sehr mutig in der Auseinandersetzung mit einer Figur wie Hitler.
6
von 10