Breaking Even
© ZDF/Tim Kuhn

Breaking Even – Staffel 1

Kritik

Breaking Even
„Breaking Even“ // Deutschland-Start: 14. Oktober 2020 (ZDFneo)

Es war die Hoffnung schlechthin für den Technologiekonzern Lindemann: das selbstfahrende Auto. Als jedoch bei einer nicht genehmigten Testfahrt ein Mensch getötet wird, droht das von der Familie Lindemann geführte Imperium auseinanderzubrechen. Während es zu einem erbitterten Richtungsstreit zwischen den Geschwistern Benedikt (Justus von Dohnányi), Charlotte (Laura Berlin) und Maximilian (David Rott) kommt, startet die ambitionierte Firmenanwältin Nora Shaheen (Lorna Ishema) eigene Ermittlungen. Schließlich ist es nicht nur dieser Tod, den die Lindemanns gern vertuschen würden. Da war auch ein anderer Todesfall, der viele Jahre zurückliegt und den die junge Aussteigerin Jenny Rösner (Sinje Irslinger) endlich aufzuklären versucht …

Wie sieht der Verkehr der Zukunft aus? Dass es in der Hinsicht viel Handlungsbedarf gibt, darin ist man sich zwar prinzipiell einig. Vollgestopfte Städte und eine drohende Klimakatastrophe machen ein Umdenken quasi unumgänglich. Teilweise geht es auch in „Breaking Even um dieses Thema, wenn ein altes Familienunternehmen, auch unter dem Druck der sinkenden Absatzzahlen, einen ideologischen Sprung nach vorne macht. Wobei die Antwort hier nicht mehr Umweltfreundlichkeit bedeutet, sondern mehr Bequemlichkeit, potenziell auch mehr Sicherheit, wenn der Unsicherheitsfaktor Mensch aus dem Verkehr gezogen wird. Wie groß dieser Unsicherheitsfaktor ist, das wird hier im Laufe der sechs Folgen deutlich.

Anschluss dringend gesucht
Die eigentliche Frage, ob ein selbstfahrendes Auto nun eine Verbesserung darstellt, die wird in Breaking Even gar nicht gestellt. Stattdessen wird erst einmal genüsslich das Klischee ausgeschlachtet, dass es in Unternehmen grundsätzlich nur um das Geld geht. Abgesehen von Charlotte, die die Entwicklung des Autos betreute und deshalb durchaus mit Leidenschaft bei der Sache ist, sind Innovationen für die anderen nur ein Mittel zum Zweck und Anlass für ein bisschen PR-Gesäusel. Damit steht die Familie durchaus stellvertretend für die deutsche Industriebranche, die inmitten einer sich radikal wandelnden Welt ein bisschen den Anschluss verliert – sei es aus mangelnder Voraussicht, eigenem Desinteresse oder auch Druck einer Politik, die sich um die Arbeiter (und Wähler) der alten Industrien sorgt.

Diesen eher allgemeinen Ausflug zum Industriestandort Deutschland verbindet die von Boris Kunz (Drei Stunden) inszenierte Serie mit einer düsteren Familiensaga. Von Anfang an wird deutlich, dass der Zusammenhang dort im besten Fall aus einem gemeinsamen Interesse heraus erfolgt – Geld. Ist man sich jedoch nicht einig, wie dieses Geld verdient werden kann, oder kommt es zu einem Streit, wem wie viel davon zusteht, dann werden die Messer gewetzt. Auch wenn Breaking Even die Familie schon früh als einen Antagonisten etabliert, der skrupellos ist und im Zweifel über Leichen geht – oder eben fährt –, die größten Feinde sind dann doch die eigenen Verwandten.

Lasst die Kämpfe beginnen!
Darin besteht auch ein beträchtlicher Spaß des Dramas mit Thriller-Elementen: Man sieht irgendwie gerne dabei zu, wie ein Haufen meist widerwärtiger Menschen Intrigen spinnt und sich gegenseitig in den Rücken fällt, vorzugsweise mit einer Waffe in der Hand. Das Ensemble nimmt sich an der Stelle zu keiner Zeit zurück: Gerade die von Nicole Heesters (Lou Andreas-Salomé) gespielte Familien-Matriarchin Leonore Lindemann bereitet Vergnügen. Justus von Dohnányi (Desaster) zeigt sich von seiner verschlagenen Seite. David Rott (Heute bin ich blond) mimt den Lebemann, der sich auch jenseits der 40 wie ein kleiner Junge benimmt, nachdem er wie der Rest der Familie etwas abseits der Realität in einer von Macht und Reichtum befeuerten Blase aufgewachsen ist. Das normale Leben, das sollen mal schön die anderen machen.

Natürlich ist das ziemlich übertrieben, ebenso die zahlreichen Enthüllungen und Wendungen. In Breaking Even sind so viele Leichen im Keller verbuddelt, dass darunter ein zweites Unterschoss angehängt werden musste, welches viele Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückreicht. Dass es zwei Frauen sind, welche eben diese Leichen ausgraben – die eine linke Aktivistin, die andere dunkelhäutige Anwältin – ist eine schöne Abwechslung, ohne sich dabei gleich in anbiedernden Feminismus zu stürzen. Schließlich sind die Frauen in der Familie gleichermaßen große Monster, irgendwo zwischen Cruella und Frankenstein. Für die Welt da draußen ist das am Ende dann zwar weniger relevant, als es das Thema eigentlich hergegeben hätte. Gerade weil es in der Familie von bizarren Gestalten nur so wimmelt, fällt es schwer, daraus eine Aussage abzuleiten. Aber es ist doch ein vergnügliches Wühlen im Dreck, in dem man sich so sehr verlieren kann, bis man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.

Credits

OT: „Breaking Even“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Boris Kunz
Drehbuch: Benjamin Seiler, Jana Burbach, Boris Kunz, Rafael Parente, Romina Ecker
Musik: David Reichelt
Kamera: Tim Kuhn
Besetzung: Lorna Ishema, Sinje Irslinger, Justus von Dohnányi, Laura Berlin, Rafael Gareisen, Nicole Heesters, David Rott, Marion Mitterhammer, Sandra Borgmann, Gerhard Roiß

Bilder

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In „Breaking Even“ führt eine Testfahrt mit einem selbstfahrenden Auto zu einem Tod und einem heillosen Chaos innerhalb eines Technologieunternehmens. Die Serie ist dabei schon sehr überzogen, sowohl in Hinblick auf die Geschichte wie auch die Figuren. Aber es macht eben Spaß, dieser bizarren, skrupellosen Familie dabei zuzusehen, wie sie intrigiert und jeden bekämpft, einschließlich sich selbst.
7
von 10