Frankreich im Jahr 1787. Eine Reihe mysteriöser Morde hält die Bevölkerung in Atem, die Angst geht um, der nächste zu sein. Joseph Guillotin (Amir El Kacem) geht diesen Vorfällen nach und kommt dabei zu beunruhigenden Schlüssen. So glaubt er nicht, dass Oka (Doudou Masta), der für den Mord an einer Frau verantwortlich gemacht werden soll, tatsächlich dahinter steckt. Gleichzeitig wird die junge Madeleine (Amélia Lacquemant) von unheimlichen Visionen heimgesucht, nach denen dies alles nur der Anfang ist. Das Land steht vor einem blutigen Kampf, in dem sich die Adligen und das einfache Volk gegenüber stehen …
Die Französische Revolution war sicher eines der einschneidenden Ereignisse in der europäischen Geschichte und übt bis heute eine große Faszination aus. Gerade zu Zeiten, als sich selbst in Demokratien Staatenlenker über Gesetze und Menschenrechte hinwegsetzen, pflegt so mancher eine romantisierte Sympathie dafür, dass sich das Volk erhebt und die Despoten stürzt. Da zeigte Netflix sicher einen guten Riecher, in einer zunehmenden erhitzten Stimmung La Révolution zu veröffentlichen und von der Sehnsucht zu profitieren, dass man doch auch selbst etwas zu sagen hat, nicht allein „die da oben“, die ohnehin machen, was sie wollen.
Ein kruder Genre-Mix
Wer deshalb eine tatsächliche Auseinandersetzung mit den Ereignissen des späten 18. Jahrhunderts erwartet, der wird jedoch bald eines Besseren belehrt. Gleich zu Beginn verkündet ein Mädchen, dass das damals alles ganz anders war, als wir es aus unseren Geschichtsbüchern lehrten. Dass wir ihr vermutlich nicht glauben werden, doch sie allein die Wahrheit kennt. Das weckt Erwartungen auf ein paar schöne Verschwörungstheorien, rund um Geheimbünde und Intrigen, von denen die Menschen nie etwas erfahren sollten. Zum Teil bietet La Révolution genau das. Und doch ist die französische Serie ganz anders. Nicht allein, dass es so gut wie keine Verbindung zu der Französischen Revolution als solchen gibt, wurde hier ein kruder Mix aus Historiendrama und Fantasyelementen angefertigt, der zuweilen auch in Richtung Horror geht.
Zu viel sollte man an der Stelle nicht vorab verraten, da ein Teil des Spaßes bei La Révolution darin liegt, dass die Geschichte immer abstruser wird. Da gibt es Abarten gewohnter Genrekreaturen, Ausflüge in die Zauberwelt, garniert mit etwas Pseudo-Wissenschaft. Geradezu prophetisch ist, dass hier ein Virus eine große Rolle spielt, das höchst ansteckend ist und wofür eilig nach einem Heilmittel bzw. einer Impfung gesucht wird. So als hätte man das Jahr 2020 mal so eben rund 230 Jahre nach vorne verlegt. Polternde Populisten gibt es in der Serie zwar nicht, dafür andere Schurken, denen minderwertige Menschen – sprich alle aus dem Volk – herzlich egal sind.
Aus Spaß an der Übertreibung
Diese Gegenspieler machen dann auch Spaß, gerade weil sie derart überzogen dargestellt sind, als hätten die Schauspieler jahrelang auf die Gelegenheit gewartet und würden alles in diesen einen Moment stecken. Bei La Révolution wird nicht ein bisschen gepiesackt, sondern gleich die Keule ausgepackt. Wenn die Geschichte schon keinen Sinn ergibt, man sich so gar keinen Gefallen damit tut, auch nur im Entferntesten darüber nachdenken zu wollen, wird sie einfach umso lauter erzählt. Bei der Darstellung der Gewalt zeigte man ebenfalls keine Zurückhaltung: Da wird gemordet und gemeuchelt, schon vor der Erfindung der Guillotine fliegen Köpfe durch die Gegend. Und natürlich wartet zum Ende auch ein Gemetzel, so viel Revolution muss dann doch sein.
Das ist einerseits ziemlicher Schund, gleichzeitig aber auch faszinierend. Vor allem ist es hübsch bebildert. Vieles sieht künstlich aus, zudem wird mal wieder ganz übertrieben mit Grautönen gearbeitet, sodass jeder Anflug von Farbe falsch wirkt. Auch an diesen Stellen legte man also so gar keinen Wert auf Authentizität. Aber diese Kombination aus Noblesse und Trash, aus Blut, Dreck und Okkultem ist auf ihre Weise fesselnd in ihrer Kühnheit, dass man sich die acht Folgen doch ganz gut anschauen kann. Zwischenzeitlich kommt es zwar zu Hängern, wenn die Geschichte derart konfus umherirrt, als befände sie sich selbst in einem Virus-Wahn. Zu sehen gibt es jedoch auch dann noch genug.
OT: „La Révolution“
Land: Frankreich
Jahr: 2020
Regie: Jérémie Rozan, Edouard Salier, Julien Trousselier
Drehbuch: Sabine Dabadie, Gaia Guasti, Hamid Hlioua, Aurélien Molas
Musik: Saycet
Kamera: Mathieu Plainfossé, Martial Schmeltz, Antoine Sanier
Besetzung: Amir El Kacem, Marilou Aussilloux, Lionel Erdogan, Isabel Aimé González Sola, Julien Frison, Doudou Masta, Dimitri Storoge, Amélia Lacquemant, Coline Béal, Laurent Lucas, Gaia Weiss
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