In der ZDF-Produktion Schatten der Mörder – Shadowplay, die am 30. Oktober 2020 im Fernsehen ausgestrahlt wird, spielt Mala Emde die Rolle der Karin, einer jungen Frau im Berlin der Nachkriegszeit, die, nachdem ihr ein schlimmes Schicksal widerfahren ist, sich zur Wehr setzt und immer tiefer in einen Strudel von Mord und Gewalt gerät. Im Interview sprechen wir mit der Schauspielerin über ihre Rolle in der Serie, die Dreharbeiten und die Herausforderungen, die eine solche Produktion mit sich bringt.
Hallo, Frau Emde, schön, dass Sie sich Zeit genommen haben für das Interview. Gerade gestern habe ich die ersten beiden Folgen von Shadowplay geschaut und freue mich deswegen mit ihnen über die Serie zu reden.
Wie hat Ihnen die Serie denn gefallen?
Ich fand sie erzählerisch sehr dich, teilweise ist sie ein Geschichtsdrama, dann hat sie aber auch wieder etwas von einem film noir. Am ehesten hat sie mich erinnert an Filme wie Carol Reeds Der dritte Mann, was auch an den Figuren lag wie die, welche Sie spielen und die etwas von einer „damsel in distress“ hat.
Wobei ich zu meiner Figur sagen würde, dass sie entgegen dieses Figurentyps sich eher versucht, selbst zu retten. Das Gefühl von Selbstbestimmung wurde ihr durch die Vergewaltigung genommen.
Dann braucht Karin aber auch wieder die Hilfe von Menschen wie Doktor Gladow, denn sonst wäre sie ja alleine. Sie kämpft für gewisse Freiräume in ihrem Leben, in denen sie selbst entscheiden kann und dieses Gefühl von Selbstbestimmung zurückgewinnt.
In Shadowplay wird an einer Stelle gesagt, dass der Krieg und die Zeit danach schmerzt und Narben hinterlässt. Inwiefern trifft das auf Ihre Figur in der Serie zu?
Ich glaube, diese Figur ist voller Schmerz und ist vernarbt durch das, was ihr widerfahren ist. Wir wissen wenig über ihre Vorgeschichte, aber wir sehen, dass sie alleine ist und so durch den Krieg gegangen ist so wie jetzt auch durch diese Stunde Null. Nach der Vergewaltigung steht sie nun vor der Wahl, ob sie mordet oder sich prostituiert.
Frank-Walter Steinmeier hat zum Gedenken von Hanau diesen Februar den Satz gesagt „Man kann auf Deutschland nur mit einem gebrochenen Herzen gucken.“ Shadowplay zeigt, warum dieses Herz gebrochen sein muss, sie zeigt aber auch, dass es dennoch ein Herz gibt.
Wie nähert man sich als Schauspieler einer solchen Figur? Gab es Referenzen oder besondere Inspirationen?
Die Drehbücher zu Shadowplay haben uns Schauspielern schon sehr viel gegeben. Mans Marlind, der kreative Schöpfer der Serie, hat eine sehr genaue Vorstellung von der Welt und der Figuren, sodass ich ihn zu meinem Charakter immer ansprechen konnte. Über diese wahnsinnige Zeit, die so roh und brutal war, als nichts mehr da war, habe ich ein Buch mit dem Titel Savage Continent: Europe in the Aftermath of World War II (Keith Lowe) gelesen, in dem die Gefühle der Menschen in dieser Zeit wie in einem Vergrößerungsglas gesehen und in größeren Extremen gesehen wird
Ich bin schon einmal gefragt worden, ob das denn so brutal, wie es die Serie zeigt, denn war oder ob es sich um einen dramaturgischen Kniff handle. Aber was ich in diesem Buch gelesen habe, ist unfassbar, sodass vieles in der Serie eben nicht einfach nur im Sinne einer Dramaturgie zu verstehen ist.
Neben Shadowplay sind es auch Serien wie Babylon Berlin, die sich durch einen historischen Kontext der Hauptstadt Deutschlands und unserer Geschichte nähern. Was macht solche Formate interessant für Schauspieler bzw. für den Zuschauer?
Für mich als Schauspielerin ist es interessant, weil ich so versuchen kann, einen Teil unserer Geschichte zu verstehen und auch unsere heutige Welt besser nachvollziehen kann, indem ich in eine solche Rolle wie Karin Mann in Shadowplay schlüpfe. Die Welt dieser Serien ist eine, die uns tangiert, die uns geformt hat, aber die auch eine gewisse spielerische Freiheit bietet, vielleicht sogar mehr als zeitgenössische Stoffe, bei denen mehr Wert auf Genauigkeit gelegt wird. Bei historischen Stoffen hat meine eine gewisse Freiheit und assoziative Kraft.
Ich finde es aber auch interessant, mich in diese Welt einfach hineinzuversetzen, denn es soll ja auch unterhalten. Diese Zeit und andere, fremde Welten zu sehen, ist eine große Freude von Menschen und gleichzeitig kann man immer Bezüge zum Jetzt herstellten.
Sofern es nicht der Handlung der Serie etwas vorwegnimmt, worin bestand denn dieser Lerneffekt bei einer Serie wie Shadowplay für Sie, da Sie ihn in Ihren Antworten andeuten?
Von der Geschichte der Serie her, würde ich sagen, dass Menschen nicht so einfach zu verurteilen sind und es eben kein Schwarz-Weiß-Denken gibt. Man muss immer die Umstände und die Zeit berücksichtigen.
Theoretisch habe ich verstanden, dass der Wiederaufbau Deutschlands auf Basis einer internationalen Kooperation stattfand, aber bei einer solchen Produktion mitzuwirken, die ja auch international besetzt ist, hat mir dies noch einmal vor Augen geführt.
Es ist auch spannend, diese Stunde Null zu sehen. In der Serie fällt an einer Stelle der Satz „Der Krieg ist hier noch nicht zu Ende, er geht nur über in eine andere Phase.“ Das fand ich eine sehr eindrückliche Aussage.
Welche Szene(n) empfanden Sie als eine Herausforderung (im positiven Sinne) und warum?
Die Mordszenen oder gerade die Szenen, in denen es um die Nachwirkungen der Vergewaltigung geht, empfand ich als eine Herausforderung, weil ich als Darstellerin sozusagen Türen aufmachte, die man für sich als Mensch lieber geschlossen hält.
Eigentlich war aber die ganze Serie eine Herausforderung wie auch eine große Freude, weil die Geschichte einen wahnsinnigen Spannungsbogen umfasst, innerhalb dessen meine Figur ein Teil ist. Dies zu erleben mit einer internationalen Besetzung und Crew war eine große Freude und auch ein neuer Schritt in meinem Leben.
Was es spannend macht, ist, dass man bei einer Figur wie Karin immer wieder an Punkte kommt, wo sie einen mit ihrem Handeln und ihrer Entscheidung überrascht. Sie hat mich, der ich schon sehr viele Serien und Filme geschaut habe, immer wieder verblüfft.
Je mehr ich über Karin nachdenke, desto mehr habe ich den Eindruck, sie ist eigentlich nur am Rennen. Sie fühlt, dass, wenn sie jetzt stehen bleibt, wird sie umgewälzt und vor diesem Hintergrund muss man sie auch, glaube ich, betrachten. Shadowplay hat das Potenzial den Zuschauer so einzufangen, mit diesen Momenten der Entscheidung zu konfrontieren.
Wie war die Zusammenarbeit mit Mans Marlind und Björn Stein, den Regisseuren hinter der Serie?
Ich hatte vorher noch nie bei einem Projekt mitgemacht, bei dem zwei Regisseure am Set waren. Die beiden haben sich immer abgewechselt. Ein Tag hat Mans inszeniert, dann am anderen Björn. Ich bin manchmal ans Set gegangen und hab gefragt: „Wer heute für das Inhaltliche verantwortlich war und mit wem kann man über Quatsch reden?“ Das war eine sehr spannende Erfahrung, denn beiden hatten eine sehr ähnliche Vision von der Geschichte und dem, was sie tun wollten, aber unterschiedliche Herangehensweisen.
Können Sie uns schon etwas zu neuen Projekten sagen, an denen Sie gerade arbeiten?
Am 29. Oktober startet in Deutschland Und morgen die ganze Welt in den Kinos, bei dem Julia von Heinz Regie führte. Der Film lief gerade beim Filmfestival Venedig, wo ich für meine Darstellung den Preis der unabhängigen Kritik bekommen habe. Es ist ein ganz wichtiger politischer Film, der zudem eine Geschichte über Freundschaft und Liebe erzählt. Ich finde Shadowplay und Und morgen die ganze Welt sind zwei Projekte, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit ganz gut ergänzen.
Vielen Dank für das nette Gespräch.
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