Arjin (Heja Türk) ist eine junge Kurdin, die im Herzen Istanbuls wohnt. Da sie allerdings aus der Türkei wegziehen will, ist sie dabei, die nötigen Papiere zu organisieren sowie ihre Wohnung aufzulösen. Als sie sich mit einem alten Freund in einem Café trifft, ahnt sie noch nicht, dass ihre Unterhaltung von Beamten des türkischen Nachrichtendienstes beobachtet wird, die ihren Freund schon lange im Visier haben, da er unter Terrorverdacht steht. Für ein paar Nächte soll Arjin eine junge Frau bei sich aufnehmen, die nach einem grausamen Massaker, was sie als Einzige überlebt, hat, aus der Türkei fliehen will. Arjin stimmt zu, doch ihre neue Mitbewohnerin hält es nicht lange bei ihr aus und flüchtet in die Stadt, da sich beobachtet und nicht sicher fühlt. Die Vermutung der Frau ist gut, denn wegen eines Missverständnisses beim Abhören des Gespräches mit ihrem Freund, steht nun auch Arjin unter Verdacht, einem Terrornetzwerk anzugehören, welches in Istanbul einen Anschlag plant. Als Arjin sich mit dem jungen Anwalt Sedar (Yavuz Akkuzu) trifft, der seinerseits wegen seiner Arbeit schon den Verdacht hat, von der Polizei überwacht zu werden, werden die Beamten sich ihrer Vermutung sehr sicher und suchen nach weiteren Indizien, auf deren Basis sie endlich zuschlagen können.
Die Sinnesorgane des Staates
Mit Momê legt der kurdische Regisseur Rodi Güven Yalçinkaya sein Debüt als Regisseur vor, welches auf dem Filmfest Hamburg 2020 zu sehen ist. In seinem hochbrisanten Politthriller befasst sich Yalçinkaya mit der Kurdenfrage und hat ein reales Ereignis zum Vorbild, doch soll zudem, wie der Regisseur einer türkischen Tageszeitung sagte, das Leben unter ständiger Kontrolle und Überwachung zeigen oder einen Eindruck davon vermitteln. So ist Momê nicht nur ein ungemein spannender, sondern auch ein ziemlich bedrückender Film, der die Türkei als einen Überwachungsstaat zeigt.
In seiner Geschichte verfolgt Yalçinkaya zwei Sichtweisen, die der Verfolger und der Überwachten, die höchstens ahnen, dass man sie belauscht und beobachtet. Diese Unsicherheit ist zu einer Facette im Alltag der Menschen geworden, die, wie Sedar beim Verlassen der Wohnung, Maßnahmen treffen müssen, damit ersichtlich ist, ob man in ihrer Abwesenheit in ihrer Privatsphäre eingedrungen ist. Auf der anderen Seite werden die Verfolger als ausführende Arme eines Systems gezeigt, als „staatliche Sinnesorgane“, wie es an einer Stelle heißt, die Befehle ausführen und streng nach Protokoll vorgehen. Bisweilen erinnert man sich an die Darstellung des Staatlichen Geheimdienstes der DDR in Das Leben der Anderen, auch wenn von den Beamten in Yalçinkaya teilweise noch weniger Menschlichkeit ausgeht, sind sie doch dem System, dem sie dienen, zu ergeben.
In Momê ist der urbane Raum zu einem riesigen Panoptikum geworden. Yalçinkaya beschreibt in dem eingangs erwähnten Interview, wie die Theorie des Philosophen und Sozialtheoretikers Jeremy Bentham über die totale Überwachung auf die heutige Türkei zutrifft, die das Private unterwandert, Paranoia streut und die Menschen zutiefst verunsichert, wie man es anhand der Figuren im Film sieht.
Verdachtsmomente
Spannend und gleichzeitig tragisch wird es, wenn Yalçinkaya die Fehler dieses Systems offenlegt. Bereits früh zeigt sich, der fatale Fehler, der bei der Überwachung Arjins und ihres Freundes unterlaufen ist und der nun ein gefährliches Eigenleben entwickelt hat. Doch auch ohne diesen Fehler sieht man, wie das System handelt und sanktioniert, nämlich auf Basis von Verdachtsmomenten, eines Zufalls, der für das Individuum katastrophale Folgen haben kann, während sich die Arme des Systems wieder in den Schatten zurückziehen.
OT: „Momê“
Land: Türkei
Jahr: 2019
Regie: Rodi Güven Yalçinkaya
Drehbuch: Rodi Güven Yalçinkaya
Musik: Cansun Küçüktürk
Kamera: Ilker Berke
Besetzung: Heja Türk, Yavuz Akkuzu, Rewşan Çeliker, Aram Dildar, Aziz Çapkurt, Cem Zeynel Kılıç, Onur Ünlü, Selim Akgül
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