Ein Leben ohne Handy, ohne soziale Medien, ohne Internet? Das ist für die Jugendlichen unvorstellbar. Und so sollen sie an einem speziellen Campingtrip teilnehmen. Ein paar Tage im Wald, fernab der Zivilisation, sollen ihnen dabei helfen, die Sucht nach Technik zumindest etwas zu minimieren. So war der Plan. Nicht auf dem Plan stand aber, dass sie nicht alleine dort sein würden. Schon bald müssen sie nämlich feststellen, dass in der Wildnis noch andere leben. Andere, die Jagd auf die Jugendlichen machen und dafür sorgen werden, dass sie in Zukunft nicht mehr über ihre irdischen Probleme werden nachdenken müssen …
Hauptsache blutig
Endspurt! Auf den letzten Metern vor Halloween haut Netflix noch ein paar letzte Horrortitel raus, um die Freunde und Freundinnen düsterer Stoffe weiter zu beschäftigen. Nach der Vampirkomödie Vampires vs. the Bronx, dem Familienalbtraum Il Legame – Die Bindung und der mysteriösen Endzeitposse Kadaver sollen jetzt aber auch diejenigen auf ihre Kosten kommen, die gerne mal wieder etwas Traditionelles sehen wollen. Etwas mit Härte, mit Blut, mit so richtig viel Schmutz, mit brutaler Gewalt, bei der nicht erst noch darüber nachgedacht wird, ob das erlaubt ist oder gezeigt werden sollte.
Der polnische Film Nobody Sleeps in the Woods Tonight bietet all das. Anfangs denkt man noch, er könnte sich vielleicht irgendwie gesellschaftlich relevant äußern wollen, indem das Thema der Techniksucht angesprochen wird. Eigentlich interessiert sich Regisseur und Co-Autor Bartosz M. Kowalski aber nicht dafür, der vor einigen Jahren mit seinem schockierenden Jugendporträt Playground von sich reden machte. Der Raub aktueller technischer und kommunikativer Möglichkeiten dient lediglich dazu, dass die Jugendtruppe auf sich allein gestellt ist. Viele der in Horrorfilmen in Jahrzehnten angesammelten Konventionen, darunter die Isolation der einzelnen Figuren, die dann jeweils alleine dem Bösen gegenüberstehen, funktionieren schließlich in einer komplett durchnetzten Welt nicht mehr so gut. Und anstatt sich etwas Neues auszudenken, tut man eben so, als wäre alles wie früher.
Alles wie früher
Man sollte bei Nobody Sleeps in the Woods Tonight also lieber nicht mit der Erwartung einschalten, in irgendeiner Form überrascht zu werden. Es gibt zwar den einen oder anderen Jump Scare, mit dem das Publikum richtig durchgeschüttelt werden soll. Genrefans dürften die entsprechenden Stellen aber schon weit im Voraus kommen sehen. Es ist auch nicht so, dass dem Drehbuchteam bei der Ausarbeitung der grundsätzlichen Idee sonderlich darum gelegen wäre, für Abwechslung zu sorgen. Das läuft schon alles sehr formelhaft ab, so dass mit der Zeit immer mehr Längen auftreten, trotz eines kontinuierlich erhöhten Body Counts. Wirklich spannend wird der Film nie.
Wer diese Form des Backwoods-Horrors in der Tradition von The Texas Chain Saw Massacre oder Wrong Turn mag, bei denen immer irgendwelche ahnungslosen, meist jüngeren Städter in die Hände brutaler Hinterwäldler gerät, der kann natürlich reinschauen. Zumindest bei der Gestaltung eben dieser Hinterwäldler gab man sich etwas Mühe und kreierte groteske Monster, bei denen der Mangel an Menschlichkeit auch Spuren bei der Optik hinterlassen hat. Außerdem versuchte man, durch etwas Teeniedrama rund um schwierige, teils unterdrückte Gefühle den Menschlichkeitsfaktor auf der Heldenseite zu erhöhen. Aber auch das ist eher vorgeschoben, als aus wirklichem Interesse entstanden. Da war der kürzlich veröffentlichte Kollege Get Duked! doch deutlich cleverer und menschlicher, mit einer tatsächlichen Aussage verbunden.
OT: „W lesie dzis nie zasnie nikt“
Land: Polen
Jahr: 2020
Regie: Bartosz M. Kowalski
Drehbuch: Bartosz M. Kowalski, Jan Kwiecinski, Mirella Zaradkiewicz
Musik: Radzimir Debski
Kamera: Cezary Stolecki
Besetzung: Julia Wieniawa-Narkiewicz, Michal Lupa, Wiktoria Gasiewska
https://www.youtube.com/watch?v=wZ4FVijABVg
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