Im einen Moment ist die Welt noch völlig in Ordnung, im nächsten ist sie komplett auf den Kopf gestellt: In Fritzie – Der Himmel muss warten (ab 1. Oktober 2020 im ZDF ausgestrahlt, parallel in der ZDF Mediathek erhältlich) spielt Tanja Wedhorn eine Lehrerin, die eines Tages die Diagnose erhält, dass sie Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium hat. Die deutsche Dramaserie erzählt, wie es im Anschluss mit ihr weiter geht, welche Auswirkungen diese Hiobsbotschaft auf ihr Leben, aber auch das ihres Umfelds hat. Wir haben mit der Schauspielerin im Vorfeld über ihre Rolle, den Umgang mit Tod und Krankheit, aber auch die schwierige Balance der Verantwortung sich selbst und anderen gegenüber gesprochen.
In Fritzie – Der Himmel muss warten spielen Sie eine Lehrerin, die erfährt, dass sie Krebs hat. Was hat Sie an dieser Rolle gereizt?
Für eine Schauspielerin war diese Rolle ein echtes Geschenk, weil sie eine große Bandbreite bietet. Eine solche Diagnose überlagert alles, man kann nichts machen, ohne dass sie irgendwie mitschwingt. Selbst beim Brötchenkaufen ist alles ganz anders. Man hat schlagartig einen anderen Blick auf die Welt. Wir lernen Fritzie auch gar nicht ohne diese Diagnose kennen, sondern steigen gleich mit der Diagnose ein, die sie wie ein Schlag trifft. Diesen Unterbau, den es durch diese Krankheit gibt, der ist in jeder Szene dabei.
Fritzie steckt dadurch in einer absoluten Ausnahmesituation. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Ich hatte tatsächlich noch nie so Schwierigkeiten, mich darauf vorzubereiten. Ich bin selbst total gesund. Es gibt auch in meinem Umfeld niemanden, der an Brustkrebs oder Krebs allgemein erkrankt ist. Ich kam mir deshalb ein bisschen vor wie eine „Hochstaplerin“. Eine solche Rolle ist mit einer großen Verantwortung verbunden, so zu tun als ob, während viele Menschen eine solche Diagnose haben oder auch Angehörige, die eine solche Diagnose haben. Das ist dann doch etwas anderes, als wenn du eine Weltmeisterin im Rudern spielen sollst. Eine solche Krise durchleben zu müssen, das kann man damit gar nicht vergleichen. Irgendwann habe ich dann aber doch einfach den Schalter umgelegt und mir gesagt: Es ist und bleibt Fiktion. Klar habe ich Bücher gelesen, um mich vorzubereiten. Ansonsten habe ich getan, was ich immer beim Drehen tue. Was will diese Szene? Warum agiert meine Figur gerade so?
Als Fritzie diese Diagnose erhält, agiert sie eigentlich gar nicht. Sie blockt es komplett ab und schiebt alles weg, obwohl ihr klar gemacht wird, dass sie jetzt handeln muss. Warum tut sie das nicht?
Das ist das, was ich meinte, dass diese Diagnose den Blick auf alles komplett verändert. Zu erfahren, dass du so schwer krank bist, obwohl du dich gut fühlst, das haut dir dermaßen die Beine weg. Das ist so riesig und so plötzlich, dass sicherlich auch eine Reaktion sein kann: „Die Schule fängt an. Ich muss jetzt weg.“ Wobei da natürlich jeder Mensch auch anders reagiert. Fritzie ist eben so, dass sie erst einmal das macht, was jetzt konkret ansteht, und Zeit braucht, um das an sich ran zu lassen. Was sie später auch tut.
Beschäftigen wir uns insgesamt zu wenig mit dem Tod und Krankheit?
Wir haben glaube ich alle einen anderen Umgang mit diesen Themen. Das würde ich jetzt so nicht verallgemeinern wollen. Fritzie ist einfach ein sehr aktiver Mensch, sie liebt ihren Beruf, hat eine intakte Familie. Wenn du ein solches Leben hast, bist du weit davon entfernt zu denken, dass du sterben musst. Ich selbst denke auch nicht über das Sterben nach. Mir ist zum Beispiel klar, dass wenn ich auf das Fahrrad steige, ich damit im Straßenverkehr sterben kann. Aber du kannst das nicht ständig im Kopf haben. Du kannst so nicht leben. Deswegen brauchen wir diese Verdrängungsmechanismen.
Dieses Jahr waren wir durch Corona alle zwangsläufig mit den Themen Krankheit und Tod konfrontiert. Es gab da nur wenig Möglichkeiten, das zu verdrängen. Denken Sie, dass sich hierdurch unser Bewusstsein und unser Umgang verändern wird?
Ob wir jetzt wirklich bewusster mit den Themen umgehen werden, weiß ich nicht. Ich glaube aber schon, dass wir alle verstanden haben, wie verletzlich wir sind. In Deutschland leben wir zum Glück sehr behütet und abgesichert, auch wenn das vielleicht nicht allen immer klar ist. Wir haben eine Krankenversicherung, wir haben Netze, die uns auffangen. In anderen Ländern konntest du sehen, wie verheerend ein so kleines Virus sein kann. Die Bilder aus Italien oder Spanien haben sicher bei vielen Angst ausgelöst. Da sind wir bislang recht glimpflich davon gekommen, auch weil wir uns insgesamt recht besonnen und rücksichtsvoll verhalten haben. Klar gibt es die Gegendemonstrationen, bei denen ich selbst fassungslos davor stehe. Aber das ist nicht die Mehrheit.
Hat sich Ihre Einstellung zu dem Themen durch die Arbeit an der Serie geändert? Denken Sie jetzt zum Beispiel mehr über den Tod nach?
Ich hatte durchaus schon Todesfälle in der Familie. Insofern musste ich mich damit auseinandersetzen. Ich merke auch in meinem Freundeskreis, dass es einen Unterschied macht, ob jemand noch beide Eltern hat. Es verändert deine Denke. Der Tod wird dadurch sehr viel konkreter. Es ist also nicht so, dass die Serie mein erster Berührungspunkt war. Die Dreharbeiten sind mir aber schon an die Nieren gegangen, keine Frage. Ich habe das noch mehrere Wochen im Anschluss mit mir herumgetragen. Es ist ja auch nicht so, dass Brustkrebs eine seltene Krankheit ist, statistisch gesehen erkrankt jede achte Frau daran. Und du kannst auch nicht wirklich etwas dagegen tun, durch Sport oder gesunde Ernährung.
Manchmal hat man einfach Pech.
Genau. Manchmal hat man einfach Pech. Und gerecht ist es ohnehin nicht.
In der Serie ist es so, dass nicht nur Fritzie lernen muss, mit der Diagnose umzugehen, sondern auch ihre Familie. Wird die Familie in solchen Situationen tendenziell vergessen?
Der Kranke oder die Kranke ist letztendlich allein mit seiner Situation. Sie müssen da durch, sie müssen die Konsequenzen tragen und das körperliche Elend. Die Angehörigen können da nicht wirklich etwas tun, sondern müssen das alles schlucken und hinnehmen.
Zwischendurch überlegt Fritzie auch, ob sie diese Behandlung und die damit verbundenen Strapazen überhaupt auf sich nehmen oder lieber die verbliebene Zeit einfach genießen will. Damit einher geht aber auch eine Verantwortung für andere. Wie wägt man das miteinander ab, die Verantwortung für sich selbst und die Verantwortung für andere?
Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, als ich an die Stelle im Drehbuch kam, habe ich aufgeschrien. Aber wenn man sich ein bisschen umhört, wie es anderen Leuten in der Situation geht, dann denkst du natürlich auch darüber nach. Es gibt in der Serie die parallele Geschichte der Frau vom Kunstlehrer, die immer wieder kämpft und immer wieder Rückschläge hat. Da kann ich schon verstehen, wenn du sagst: Ich genieße lieber die verbleibenden anderthalb Jahre, ohne die Schläuche und alles. Ich selbst würde es definitiv anders machen. Aber ich kann Fritzie verstehen. In einer solchen Situation kannst du als Außenstehender aber nur noch bedingt Einfluss nehmen, weil die Entscheidung eine einsame ist.
Bei Fritzie kommt noch hinzu, dass sie nicht nur Verantwortung für sich und ihre Familie hat. Als Lehrerin hat sie auch Verantwortung für ihre Schüler und Schülerinnen. Wie sehr beeinflusst das ihre Entscheidung?
Ihre Entscheidung in Hinblick auf den Krebs beeinflusst das glaube ich gar nicht. Aber diese eigene Endlichkeit zu spüren und nichts mehr zu verlieren zu haben, beeinflusst ihr Verhalten als Lehrerin. Da sie jetzt nicht mehr die Zeit hat, behutsam Entscheidungen zu fällen, kann sie schon sehr direkt sein – was ich erfrischend finde. Ich finde es auch schön, dass sie keine kleinen Kinder unterrichtet, sondern Jugendliche, die gerade in ihrem „Quark“ sitzen und auf dem Weg sind, Erwachsene zu werden. Die mit ihrem Körper hadern, mit ihren Eltern hadern. Und denen sie jetzt sagen kann: Vergeude nicht deine Zeit, das Leben ist zu kurz.
Wie war das eigentlich für Sie, eine Lehrerin zu spielen? Zwischenzeitlich hatten Sie ja selbst überlegt, eine zu werden.
Tatsächlich habe ich sogar das Grundstudium abgeschlossen und wollte Grundschullehrerin werden. Ich könnte mir das auch immer noch vorstellen. Aber als ich einen Platz an der Schauspielschule bekommen habe, war dennoch für mich klar, dass ich den annehme, da das mein größerer Wunsch war.
Und wie geht es jetzt weiter? Gibt es noch eine zweite Staffel?
Ja, am 26. Oktober fangen wir damit an. Sie soll sehr eng an das Ende der ersten anschließen. Ansonsten drehe ich noch weiterhin meine Serie Praxis mit Meerblick. Da haben wir trotz Corona noch drei Filme gemacht. Dann hoffe ich, dass das Theaterspielen wieder möglich ist und würde mit Oliver Mommsen im März auf Theatertournee gehen. Die ist dieses Jahr abgebrochen worden nach zwei Vorstellungen, ist aber nach wie vor für 2021 geplant.
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