Bei Kayla (Joey King) geht es gerade drunter und drüber. Ihre Eltern Rebecca (Mireille Enos) und Jay (Peter Sarsgaard) haben sich getrennt, jede Begegnung artet gleich in einem furchtbaren Streit aus. Doch das größte Problem der Familie wird bald ein anderes sein: Bei einem Streit mit ihrer Freundin Brittany (Devery Jacobs) stößt Kayla sie von einer Brücke. Ob sie den Sturz überlebt hat, kann keiner sagen, da der Körper wohl von dem reißenden Fluss mitgetragen wurde. Klar ist nur, dass niemand etwas davon erfahren darf. Das wiederum ist einfacher gesagt als getan, denn Brittanys Vater (Cas Anvar) sucht überall nach seiner Tochter und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er hinter die Wahrheit kommt …
Es ist eigentlich ein kleines Wunder, dass es The Lie gibt. Zum einen begegnet man nun nicht wirklich alle Tage dem englischsprachigen Remake eines deutschen Films. Zum anderen handelt es sich bei dem Original Wir Monster um einen nur wenig bekannten Titel, der anders als etwa Honig im Kopf nicht mit überragenden Besucherzahlen Werbung von sich machte. Dafür ist das Szenario um so interessanter. In dem Film geht es eben nicht nur um die im Titel angesprochene Lüge. Genauer gibt es in dem Film gar nicht diese eine Lüge, sondern einen ganzen Haufen davon, der sich gegenseitig bedingt. Stattdessen steht die Frage im Raum: Wie weit darf man gehen, um einen anderen Menschen zu schützen?
Moralische Zwickmühle
Antwort: sehr weit, zumindest wenn es nach Veena Sud geht. Die kanadische Regisseurin und Drehbuchautorin hält sich eng an das Original, verändert nur ein paar Nebensächlichkeiten. Wer Wir Monster bereits kennt, weiß also schon recht genau, was ihn erwartet. Kurz nach dem Zwischenfall kommt es zu der Grundsatzfrage der Eltern: Gehen wir zur Polizei und verraten, was vorgefallen ist, und nehmen die Konsequenzen in Kauf? Oder verschweigen wir alles, in der Hoffnung, dass niemand die Verbindung herstellen wird? Das ist eine moralisch äußerst fordernde Situation, wenn zwischen der Pflicht gegenüber der Wahrheit und dem Opfer und der Pflicht dem eigenen Kind gegenüber abgewogen werden muss.
Sud hält sich aber nicht lange mit dem Abwägen auf, sondern lässt die Situation lieber freudig eskalieren und die Figuren mit Karacho gegen die Wand krachen. Dabei gibt es schon die eine oder andere Wendung, die man jedoch nicht zu ernst nehmen sollte. Tatsächlich ist die Geschichte teilweise so absurd, als hätte der Film eher eine schwarze Komödie à la Einer nach dem anderen werden sollen. Nur dass man sich hier nie wirklich sicher genug ist, ob das gerade zum Lachen ist. Das lenkt dann irgendwann schon von den eigentlichen Themen ab. Eben weil The Lie so überzogen ist, wird das Publikum aus der Pflicht entlassen, sich damit auseinandersetzen zu müssen und über eine eigene Reaktion nachzudenken.
Grau in Grau
Auch in anderer Hinsicht ist The Lie, das 2018 auf dem Toronto International Film Festival Premiere feierte, nicht unbedingt ein Musterbeispiel für Zurückhaltung. Dass Farben die Stimmungen eines Films wiedergeben und verstärken sollen, ist bekannt. Gleiches gilt für das Fehlen von Farben. Ganz so übertrieben wie hier muss das aber nicht sein, wenn etwas erzwungen alles aus den Bildern herausgestrichen wurde, was irgendwann mal bunt gewesen ist. Stattdessen dominieren Blau- und Grautöne, welche die familiäre Eiszeit noch weiter unterstreichen sollen. Das gelingt zwar schon irgendwie, ist aber zu auffällig und lenkt letztendlich sogar ein bisschen ab.
Dennoch ist das Thrillerdrama ganz unterhaltsam. Joey King (The Kissing Booth, Slender Man) darf hier mal eine weniger vorzeigbare Seite an sich zeigen, ist weniger Heldin als anstrengender Problemteenie. Und auch Mireille Enos und Peter Sarsgaard zeigen sich willig dabei, alles schön aus dem Ruder laufen zu lassen, während sie gleichzeitig verzweifelt darum kämpfen, eine Art Normalität zu schaffen, während um sie herum alles zu Bruch geht. Das Motto: weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen! The Lie ist zudem gut spannend, da man doch wissen will, wie weit die Familie bei ihren Vertuschungsversuchen noch gehen wird oder ob sich doch irgendwann einmal Grenzen auftun, die nicht überschritten werden sollen.
OT: „The Lie“
Land: USA
Jahr: 2018
Regie: Veena Sud
Drehbuch: Veena Sud
Musik: Tamar-kali
Kamera: Peter Wunstorf
Besetzung: Mireille Enos, Peter Sarsgaard, Joey King, Cas Anvar
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