1968 sind die USA schon seit einigen Jahren in den Vietnamkrieg verstrickt, die hohen Opferzahlen provozieren zunehmend Protest in der Bevölkerung. Als im Umfeld eines Parteitags der Demokraten mehrere Demonstrationen für einen Wandel eintreten, kommt es zu einer blutigen Auseinandersetzung mit der Polizei. In Folge werden acht Männer, darunter Abbie Hoffman (Sacha Baron Cohen), Jerry Rubin (Jeremy Strong), Tom Hayden (Eddie Redmayne), David Dellinger (John Carroll Lynch) und Bobby Seale (Yahya Abdul-Mateen II), der Verschwörung und Anstiftung zur Gewalt angeklagt, worauf bis zu zehn Jahre stehen. Staatsanwalt Richard Schultz (Joseph Gordon-Levitt) soll im Auftrag des Justizministeriums dafür sorgen, dass es auch zu dem erwünschten Urteil kommt. Doch so einfach lassen sich die Antikriegsgegner nicht mundtot machen – sehr zum Ärger des leitenden Richters Julius Hoffman (Frank Langella) …
2020 hat so viele Filme ihren Kinoauftritt gekostet. Während diverse Hochkaräter aufs nächste Jahr verschoben wurden, in der Hoffnung auf Besserung, wurden andere zu Streamingdiensten und Video on Demand abgeschoben, um damit wenigstens noch irgendwie Geld machen zu können. Mulan, Artemis Fowl, Die Turteltauben, The Hunt – Filme der unterschiedlichsten Genres sind betroffen. Und es werden immer mehr, für Ende des Jahres sind noch ein paar Schwergewichte in der Planung. Zu einem solchen dürfte man auch The Trial of the Chicago 7 zählen, wobei die Hoffnungen hier weniger wirtschaftlicher Richtung gewesen sein dürften, sondern auf Prestige abziehen. Der Idealfall: der eine oder andere Filmpreis.
Erinnerung an eine ungerechte Gesellschaft
Der Zeitpunkt ist zumindest gut gewählt. Beispiele dafür, dass die USA nur bedingt ein Rechtsstaat sind, gab es dieses Jahr schließlich mehr als genug. Urteile werden nicht aufgrund von Gesetzen oder dem Versuch um Gerechtigkeit gefällt, sondern entlang der von oben vorgegebenen Parteilinien, die Demokratie wird zum Zwecke des Machterhalts mit allen Mittel ausgehöhlt. Da kommt es gerade recht, wenn The Trial of the Chicago 7 an einen früheren Schauprozess erinnert, der sich Ende der 1960er zutrug und die Folge gewaltsamer Unruhen war. Dass es hierbei aber nicht um Recht und Ordnung ging, das erfährt das Publikum schon früh. Die ersten Szenen machen bereits deutlich, dass das Ergebnis der Anklage vorweggenommen wurde, man die Ereignisse so zurechtbog, um irgendwie ein passendes Gesetz dafür zu finden. Das Ziel: Die Proteste gegen den Vietnamkrieg im Keim zu ersticken.
Regisseur und Drehbuchautor Aaron Sorkin (Molly’s Game) versucht dann auch nicht wirklich etwas zu beschönigen. Von der ersten Minute an inszeniert er den Prozessverlauf als einzige Farce. Teile davon sind tatsächlich belegt, wie der bizarre Hinweis des Richters, er sei nicht mit einem der Angeklagten verwandt, trotz des gemeinsamen Nachnamens. An anderen Stellen hat der ursprünglich als Schreiber bekannt gewordene Filmemacher ein bisschen nachgeholfen, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Das besagt: Ob nun der Richter, die Regierung oder die Polizei, sie sind alle durch die Bank weg korrupt und antidemokratisch. Allenfalls Richard Schultz darf hin und wieder etwas innehalten, einen Blick auf den inneren, moralischen Kompass werfen und daran zweifeln, dass ein Befehl gut ist, nur weil es ein Befehl ist.
Viele Wege, ein Ziel
Spannender ist da schon, was sich auf der Seite der Demonstranten so versammelt hat. Auch wenn die Anklage darauf pocht, dass sie alle unter einer Decke steckten, so könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Da laufen brave Politiker herum, verpeilt dreinblickende Hippies, dazu ein Familienvater, der eher nach Autoverkäufer aussieht. Ein besonders schockierender Nebenstrang bringt auch noch das Thema Rassismus unter, wenn die Black Panthers in die Sache hineingezogen und mit Maßnahmen unterdrückt werden, die an die Sklaverei von einst erinnern. Für dieses Potpourri der unterschiedlichsten Strömungen stand Sorkin ein absolutes Star-Ensemble zur Verfügung. Sacha Baron Cohen und Eddie Redmayne stehen dabei etwas stärker im Vordergrund auf der Angeklagtenseite. Aber auch Langella als despotischer Richter und Mark Rylance als zunehmend frustrierter Verteidiger setzen in The Trial of the Chicago 7 immer wieder Glanzpunkte.
Dennoch, so ein bisschen hat der Film seine Schwierigkeiten damit, alle Figuren ausgeglichen unterzubringen. Auch wenn acht, später sieben Menschen auf der Anklagebank sitzen, die meisten davon sind dann doch nur irgendwie Deko, die zwischendurch mal als Stichwortgeber herangezogen wird. Das hat schon etwas Berechnendes und Kalkuliertes. So unterschiedlich die Hintergrundgeschichten angelegt sind, so wenig Zeit bleibt für die eigentliche Entfaltung der Charaktere. Doch auch wenn das Rationale hinter dem Film gern häufiger dem Menschlichen hätte Platz machen dürfen und die Dialoge etwas zu geschliffen sind, bewegend sind die Szenen natürlich schon. Schon früh darf man hier wütend sein über die so ungeniert an den Tag gelegte Ungerechtigkeit, darf an einem grotesken System verzweifeln, an Bigotterie und Rassismus. The Trial of the Chicago 7 rüttelt auf mit einer vergangenen Ungerechtigkeit, um Mut zu machen für weitere Kämpfe. Kämpfe, welche die unterschiedlichsten Menschen zusammenführen, die letztendlich nur eins gemeinsam haben: den Glauben an eine bessere Welt. Und manchmal tut genau das ziemlich gut.
OT: „The Trial of the Chicago 7“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Aaron Sorkin
Drehbuch: Aaron Sorkin
Musik: Daniel Pemberton
Kamera: Phedon Papamichael
Besetzung: Yahya Abdul-Mateen II, Sacha Baron Cohen, Daniel Flaherty, Joseph Gordon-Levitt, Michael Keaton, Frank Langella, John Carroll Lynch, Eddie Redmayne, Noah Robbins, Mark Rylance, Alex Sharp, Jeremy Strong
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