Tipografic Majuscul Uppercase Print
© Silviu Ghetie

Uppercase Print

Kritik

Tipografic Majuscul Uppercase Print
„Uppercase Print“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Über Nacht tauchen sie an Häuserwänden im rumänischen Botosani auf: Mit Kreide geschriebene Parolen in Großbuchstaben. Sie verlangen das Ende der Lebensmittelknappheit, faire Löhne und mehr Freiheit. Das Jahr ist 1981 und den örtlichen Vertretern des Ceausescu-Regimes gefallen die Parolen alles andere als gut. Als der Jugendliche Mugur Călinescu (Serban Lazarovici) eines Nachts auf frischer Tat ertappt wird, bekommt er es mit dem totalitären Machtapparat des Ceausescu-Rumäniens zu tun. Die Parolen werden als Angriff gegen den Staat und Aufhetzung der Öffentlichkeit gesehen und damit zur obersten Priorität der totalitären Ordnungshüter in Botosani. Die Wohnung von Mugur wird verwanzt und es entstehen seitenlange Abhör- und Verhörprotokolle, in denen Mugurs Familie, Freunde und Klassenkameraden den Ermittlern Rede und Antwort stehen müssen.

All das wird in Form eines dokumentarischen Montagefilm festgehalten. Auf der einen Seite steht die Nacherzählung der Verhör- und Abhörprotokolle. Mit ernster Miene schlüpfen Schauspieler in die Rolle der Ermittler, von Mugur, seinen Freunden und seiner Familie und geben die Protokolle wörtlich wieder. Auf der anderen Seite ordnen fröhliche Archivaufnahmen des rumänischen Staatsfernsehen die Geschehnisse in Botosani in das Jahr 1981 ein. Dabei wechseln sich zwei grundlegend unterschiedliche Stimmungen im Film konstant ab. Die Nacherzählungen der Protokolle sparen an Emotionen und sind monoton und knapp. Damit wird auf kluge Weise ein Einblick in die technokratische Arbeitsweise der rumänischen Behörden zur Zeit Ceausescus gegeben. Dem gegenüber stehen laute und überschwängliche Propaganda-Aufnahmen des rumänischen Staatsfernsehen. Glückselige Kinder am Klavier, stolze Militärparaden und Aufnahmen des lebhaften Bukarests der 80er-Jahre wechseln sich dort ab und erzeugen die Illusion einer intakten Gesellschaft.

Das sichtbare Theatererbe
Die Dokumentation beruht auf einem Theaterstück von Gianina Carbunariu, das wiederum auf originalen Ermittlungsprotokollen im Fall Calinescu beruht. Die Nähe zum Theater wird gerade in den Szenen, in denen die Protokolle rezitiert werden besonders stark deutlich. Das schlichte, aber imposante Szenenbild besteht aus fünf nebeneinander platzierten Bühnen, welche an Theaterbühnen erinnern. Der Fokus wird dabei auf das Nötigste reduziert. Auch hier wird der Kontrast zu den überladenen Archivaufnahmen eindrucksvoll deutlich. Uppercase Print hat den Anspruch, den Fall Calinescu in Gänze und möglichst detailliert zu präsentieren.

Die Dichte der Informationen ist hierbei bemerkenswert, bei über zwei Stunden Laufzeit allerdings auch zunehmend anstrengend. Auch die Archivaufnahmen scheinen nach gut anderthalb Stunden wenig neues erzählen zu können. Dennoch ist Uppercase Print eine besondere Dokumentation, die einen außergewöhnlichen Einblick in das Rumäniens der 80er Jahre gewährt. Der Film ist die dritte Langfilmdokumentation von Regisseur Radu Jude. Schon in Aferim! und „Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen.“ war der Regisseur durch seinen unkonventionellen Dokumentationsstil aufgefallen. Seine Premiere hatte der Film bei der diesjährigen Berlinale.

Credits

OT: „Tipografic Majuscul“
Land: Rumänien
Jahr: 2020
Regie: Radu Jude
Drehbuch: Gianina Carbunariu, Radu Jude
Vorlage: Gianina Cărbunariu
Kamera: Marius Panduru
Besetzung: Serban Lazarovici, Serban Pavlu, Ioana Iacob

Bilder

Trailer

https://www.youtube.com/watch?v=tW8X-JfwyOQ&feature=emb_logo

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„Uppercase Print“ beschäftigt sich mit der Geschichte von Mugur Calinescu, einem Jugendlichen, der 1981 wegen des Schreibens regimekritischer Parolen von der rumänischen Geheimpolizei verhört wird. Der Film ist eine besondere Dokumentation, die Geschehnisse um die Parolen auf der einen Seite gekonnt pointiert in die brisante Endzeit des Ceausescu-Regimes einordnet, auf der anderen Seite die Technokratie eben jenes Regimes durch reduzierte und monotone Dialoge eindrucksvoll darstellt.
7
von 10