Altes Land
© ZDF/Boris Laewen/Christine Schroeder

Altes Land

Kritik

Altes Land
„Altes Land“ // Deutschland-Start: 15. November 2020 (ZDF) // 11. Dezember 2020 (DVD)

Mit Menschen hat es Vera (Iris Berben) eher nicht so. Sieht man einmal von Hinni (Peter Kurth) ab, der nebenan wohnt und den sie schon ein Leben lang kennt, will sie mit niemandem etwas zu tun haben – und schon gar nicht auf ihrem Hof, den sie gegen jeden verteidigt, der es wagt, einen Fuß darauf zu setzen. Ihre Begeisterung hält sich dann auch in Grenzen, als eines Tages Anne (Svenja Liesau), die Tochter von Veras entfremdeter Halbschwester Marlene (Nina Kunzendorf) vor ihrer Tür steht und für sich und ihren Sohn Leon (Marian Dilger) ein neues Zuhause sucht. Eher widerwillig lässt sie sich darauf ein, den beiden einen Platz im Haus zu bieten, erinnern diese sie doch daran, wie sie selbst als Kind mit ihre Mutter als Flüchtlinge angekommen waren und Zuflucht auf dem Hof fanden …

Der Titel Altes Land, so stellt sich schnell heraus, ist ein doppeldeutiger. Zum einen bezieht er sich auf die Gegend, in der die Geschichte spielt und die im Norden Deutschland liegt. Gleichzeitig erzählte Dörte Hansen in dem 2015 erschienenen Roman, der die Grundlage für den Zweiteiler bildet, von einem Hof und dessen Umgebung, der eine bewegte Vergangenheit hat. Eine Vergangenheit, die sich immer noch an vielen Stellen zeigt und die Menschen bestimmt, die diesen Ort ihre Heimat nennen. So wie Vera, die seit ihrer frühen Kindheit auf dem Hof lebt und eisern an allem festhält, was ihn ausmacht. Jede Veränderung empfindet sie als eine Kriegserklärung, als Verrat gegenüber ihrer Vergangenheit.

Auf der Suche nach Antworten
Davon ahnt man zu  Beginn natürlich wenig, als sich die inzwischen grau gewordene, alte Frau und ihre Nichte gegenüberstehen. Denn da geht es erst einmal um einen familiären Konflikt: Sie kennen sich und tun es doch nicht, sind trotz des gemeinsamen Blutes Fremde. Warum dem so ist, das verraten Hansen bzw. Sherry Hormann (Nur eine Frau), die den Roman adaptierte und inszenierte, jedoch erst später. Die Begegnung der Gegenwart wird gleichzeitig zu einer Begegnung mit der Vergangenheit, sowohl für Vera, die sich auf einmal mit vielem auseinandersetzen muss, was sie tief vergraben hatte. Aber auch für das Publikum, das wie in einem Krimi auf Spurensuche geschickt wird. Überall liegen Puzzleteile versteckt, die zusammen das Bild einer Familie wie auch einer Gegend ergeben.

Konkret bedeutet das, dass Altes Land unentwegt in der Zeit hin und her springt. Während die Rahmenhandlung, die mit der Ankunft von Anne beginnt, voranschreitet, kommt es ununterbrochen zu Flashbacks. Manche liegen nur kurze Zeit zurück und verraten, warum die junge Mutter und ihr Kind auf einmal am Hof auftauchen und kein Zuhause mehr haben. Andere liegen Jahrzehnte in der Vergangenheit. Das bedeutet schon eine kleine Herausforderung für das Publikum, um da noch die Übersicht zu behalten. Ähnlich zu Ein Schritt zu viel kürzlich sind die Zeitsprünge teils recht willkürlich. Anstatt die Szenen thematisch zu gruppieren, wurde einfach zusammengewürfelt, was auch immer es so zu erzählen gab.

Viel Stoff im Laufe der Zeit
Und das ist jede Menge. Da sind nicht nur die Hauptthemen rund um vertriebene Ostpreußen, eine schwierige Familie und eine betrogene Frau. In Altes Land tummeln sich auch Landwirte und Landwirtinnen, die mit Bio hadern, andere, die genau das wollen, Neuankömmlinge, von denen niemand etwas wissen will, Stadt-Land-Konflikte, enttäuschte künstlerische Träume, eine Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit und Tod und was einem sonst noch so alles passieren kann. Das ist selbst für eine Laufzeit von drei Stunden ein bisschen viel, weshalb nicht alles wirklich befriedigend abgeschlossen wird. Für eine Momentaufnahme ist das zu lang, für ein tatsächliches Porträt wiederum zu wenig. Die TV-Produktion bleibt irgendwo in der Mitte stecken und füllt die Lücken mit ein wenig Kitsch und viel Hintergrundmusik, die jeden Moment der Stille unter sich begräbt.

Doch dazwischen finden sich immer wieder starke Szenen. Iris Berben (Nicht tot zu kriegen, Das Unwort), die sowohl eine Vera in eher mittleren Jahren wie auch als alte Frau spielt, darf beispielsweise zwischen verbittert, stinkwütend und zärtlich schwanken, mit mal abrupten, mal eher nuancierten Übergängen. Interessant ist Altes Land zudem als Beschäftigung mit dem Konzept der Heimat, das wir zwar vielleicht intuitiv verstehen, aber doch die verschiedensten Aspekte und Bedürfnisse umfassen kann. Und natürlich endet so etwas auch mit einer versöhnlichen Note und betont die Wichtigkeit von Familie, selbst wenn diese einem unentwegt das Leben schwer macht. Aber so ist das nun mal, so muss es auch sein, egal ob man sich nun in der Stadt oder auf einem Hof aufhält, auf einem seit Kinderzeiten bekannten Gefängnis oder irgendwo in der Fremde.

Credits

OT: „Altes Land“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Sherry Hormann
Drehbuch: Sherry Hormann
Vorlage: Dörte Hansen
Musik: Jasmin Shakeri, Beathoavenz
Kamera: Armin Golisano
Besetzung: Iris Berben, Maria Ehrich, Nina Kunzendorf, Milan Peschel, Kilian Land, Peter Kurth, Marius Ahrendt, Svenja Liesau, Marian Dilger, Jacob Matschenz

Bilder

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„Altes Land“ beginnt mit einer jungen Frau ohne Zuhause, die bei der entfremdeten Halbschwester ihrer Mutter Zuflucht sucht. Was folgt ist ein komplexes Geflecht aus Familienbeziehungen, schwieriger Vergangenheitsbewältigung, aber auch der Sehnsucht nach Heimat. Das hat vereinzelt starke Momente, ist aber gleichzeitig etwas überfrachtet und doch wieder nicht genug, wenn dauernd zwischen Zeitebenen hin und her gesprungen wird bei dem Versuch der Annäherung.
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von 10