Viel Kontakt hatte Thomas (Niels Schneider) nicht mehr mit seiner Familie, nachdem er vor zwölf Jahren die Farm hinter sich gelassen hat. Er wollte weg von allem, etwas Neues anfangen. Doch jetzt ist er zurück aus Kanada, wo er eine zweite Heimat gefunden hat, um in das kleine französische Dorf zu fahren. Seine Mutter Catherine (Hélène Vincent) hat es so gewollt, die im Sterben liegt, um ihn noch einmal sehen zu können – sehr zum Missfallen seines Vaters Michel (Patrick d’Assumçao), mit dem er nie gut ausgekommen war. Dabei lernt Thomas auch Mona (Adèle Exarchopoulos) kennen, die Frau seines verstorbenen Bruders, und ihren Sohn Alex (Roman Coustère Hachez). Während er ihnen dadurch näherkommt, muss er sich gleichzeitig der Vergangenheit stellen – und auch der Wahrheit um seinen Bruder …
Es ist einer der bittersten Anlässe, um wieder in die alte Heimat zu fahren: der Tod eines Familienmitglieds. Aber es ist auch einer der beliebtesten. Zumindest in Filmen gibt es zahllose Geschichten rund um verlorene Söhne und Töchter, die sich nach einem Trauerfall, seien es Eltern, Geschwister oder andere Angehörige, auf eine lange Reise begeben, welche für sie auch eine Reise in die Vergangenheit wird. Manchester by the Sea war so ein Film, der es sogar zu Oscar-Ehren brachte. Weniger bekannte, aber ebenfalls sehr empfehlenswerte Beispiele sind White Sun oder On Happiness Road, bei denen gleichermaßen der Tod eines Familienmitglieds zum Aufhänger wird, sich dem Leben zu stellen.
Leises Drama über Leben und Tod
Aber da geht noch mehr, wie Back Home beweist. Denn in der Familie von Thomas sind gleich zwei Todesfälle zu beklagen: der zurückliegende des Bruders plus der nahende der Mutter. Das hört sich nach ein bisschen viel an, nach einem ganz großen Melodram. Irgendwie ist der Film das aber gar nicht. Im Gegenteil: Regisseurin und Co-Autorin Jessica Palud, die hier einen Roman von Serge Joncour adaptiert, hat ein ausgesprochen leises und zurückhaltendes Drama gedreht. Tatsächlich geschieht eigentlich gar nicht so viel, selbst für einen Film, der gerade mal 77 Minuten lang ist, ist der Aufenthalt von Thomas eher ereignislos. Er kriegt sich mit einem Vater in die Haare, wann immer sie sich sehen, nähert sich dafür Schwägerin und Neffe an und erfährt ansonsten einiges über seinen Bruder.
Letzteres ist auch der gehaltvollere Teil des Dramas. Back Home erzählt eben nicht nur von einer auseinanderbrechenden Familie, sondern von einer ländlichen Gegend, in der es keine wirkliche Perspektive mehr gibt. In der alles nach und nach auseinanderbricht. Das Halten von Tieren ist nicht mehr rentabel, die kleinen Familienbetriebe können nicht mit den Großen mithalten, die billiger verkaufen, als sie selbst überhaupt produzieren können. Die Landwirte der Gegend können sich entweder der Industrialisierung anschließen oder sind ansonsten im Teufelskreis gefangen, von dem viele dieser Provinzporträts erzählen: Da die Arbeit nicht mehr rentabel ist werden Schulden gemacht, denen entweder neue Schulden folgen oder ein Ausverkauf des Bestands und damit der wirtschaftlichen Grundlage.
Düsteres Drama mit kleinen Lichtblicken
Die Stimmung des Films, das bei den Filmfestspielen von Venedig 2019 Premiere hatte und einen Preis für das Drehbuch erhielt, ist dann auch oft recht düster. Weder privat noch beruflich scheint es noch Aussicht auf Besserung zu geben. Wobei Back Home trotzdem immer wieder kleine Lichtblicke einbaut. Das Pflanzen von Bäumen, die sich die Mutter so gewünscht hat, werden zu einem Symbol des Überlebens. Wir sehen ein kleines Kalb, das seine ersten Schritte wagt. Und natürlich gibt es da auch die aufblühende Romanze zwischen Thomas und Mona, die in ihrer Gemeinschaft Trost finden. Die Möglichkeit, einem tristen Alltag zu entkommen, rauszugehen, Sonne und Wasser zu genießen, einfach mal wieder zu leben.
Zu einem Wohlfühlfilm wird Back Home dadurch aber nicht. Hier geht einem nicht das Herz über, es gibt keine Durchhalteparolen, dass alles am Ende gut ausgeht, wenn du nur fest daran glaubst. Es ist mehr ein kleines Lächeln, das sich aufs Gesicht schleicht. Dieses Lächeln, wenn man nach einer langen Reise wieder nach Hause kommt. Das ist dann natürlich nicht neu. Abgesehen von dem Geheimnis um den verstorbenen Bruder weiß man eigentlich schon recht genau, was da alles passieren wird. Es ist nicht einmal so, dass die Selbstbeschäftigung der Figuren spannende Erkenntnisse zu Tage führen würde. Aber es ist doch ein schöner Film, getragen von den guten Leistungen des Duos Niels Schneider (Curiosa – Die Kunst der Verführung) und Adèle Exarchopoulos (Sibyl – Therapie zwecklos) als Paar, das inmitten der Tristesse weniger allein ist.
OT: „Revenir“
Land: Frankreich
Jahr: 2019
Regie: Jessica Palud
Drehbuch: Diastème, Philippe Lioret, Jessica Palud
Vorlage: Serge Joncour
Musik: Mathilda Cabezas, Augustin Charnet
Kamera: Victor Seguin
Besetzung: Niels Schneider, Adèle Exarchopoulos, Roman Coustère Hachez, Patrick d’Assumçao, Hélène Vincent
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