Der Zweite Weltkrieg steuert auf seinen Höhepunkt zu, in Europa stehen sich die Alliierten und die Deutschen gegenüber, kämpfen um jeden Meter. Auch das Regiment unter dem Kommando des US-Amerikaners Felix L. Sparks ist darin verwickelt, versucht wo immer es geht, die deutsche Armee zu attackieren und zurückzudrängen. Es ist eine ungewöhnliche Einheit, die sich unter anderem aus Ureinwohnern und mexikanischen Einwanderern zusammensetzt. Doch der Zusammenhalt stimmt: Gemeinsam kämpfen sie sich durch ganz Europa, sind am Ende über 500 Tage im Einsatz. Aber selbst der große Erfahrungsschatz bereitet sie nicht darauf vor, was sie in Dachau vorfinden werden …
Kein Krieg dürfte ähnlich oft in Filmen und Serien dargestellt worden sein wie der Zweite Weltkrieg. Kein Wunder: Nicht allein, dass er ein einschneidendes Ereignis darstellte, nach dem nichts mehr war wie vorher. Es ist zudem ein recht dankbares Thema, bei dem man gut zuordnen kann, wer die Guten sind und wer die Bösen – wie gemacht für Heldengeschichten. Es bedeutet allerdings auch, dass es nicht ganz einfach ist, noch als eigenständiger Titel wahrgenommen zu werden. Gerade weil es hier seit Jahrzehnten einen Dauerbeschuss in Form fiktiver oder biografischer Werke gibt, wird das schnell austauschbar.
Neue Bilder der Vergangenheit
Die Netflix-Serie Der Befreier versucht auf zweifache Weise, aus dieser Masse hervorzustechen. Die erste sieht man auf einen Blick: Es handelt sich um eine Animationsserie mit ganz eigenen Bildern. Genauer wurden reale Schauspieler in Studios gefilmt und diese Aufnahmen dann mit Computeranimationen verbunden. Trioscope nennt sich diese neue Technik, die von Regisseur Grzegorz Jonkajtys mitentwickelt wurde. Prinzipiell ist das dem Rotoskopie-Verfahren nicht unähnlich, bei dem Realaufnahmen nachgezeichnet wurden – siehe etwa Aku no hana – Die Blumen des Bösen oder Alois Nebel. Nur dass dies hier eben am Computer entstand.
So oder so ist Der Befreier ein visueller Genuss, der flüssige Animationen mit stimmungsvollen Bildern verbindet, die mit ihrem schraffierten Look einem Comic-Buch entnommen sein könnten. Teilweise sind die Hintergründe etwas karg, was aber auch mit den jeweiligen Settings zusammenhängt. Gibt es doch mal Anlässe, mehr zu zeigen, etwa bei der Ankunft in Augsburg oder in den Büros der Kommandanten, ist die Serie umso detailverliebter. Da gibt es vollgestopfte Bücherregale, kleine Gegenstände, die in der Ecke liegen. Zuweilen ist man da schon in der Versuchung, einfach mal auf die Pausetaste zu drücken und den Anblick zu genießen.
Zwischen Minderheiten und Pathos
Inhaltlich ist Der Befreier hingegen eine eher zweischneidige Sache. Ein interessanter Aspekt ist der zweite große Unterscheidungspunkt: Hier gibt es nicht die üblichen Strahleweiß-Amis, sondern eine Ansammlung von Minderheiten, die zum einen im wahren Leben wohl kaum zusammenfinden würden. Zum anderen handelt es sich um Leute, die unter normalen Umständen das Ziel von Diskriminierung würden. Einige Menschen an die Front zu schicken, die man sonst gar nicht in den USA haben wollte, das ist natürlich schon zynisch. Zum Teil wird das in der Geschichte auch thematisiert, ohne aber zu sehr in die Tiefe gehen zu wollen. Es geht dann doch weniger darum, etwas gegen Rassismus zu tun, sondern darum, wie ein gemeinsamer Feind einen zu einem Team machen kann.
Zum Ende hin wird es dabei ein bisschen ärgerlich, wenn die auf einem Buch von Alex Kershaw basierende Serie sich zu sehr am eigenen Heldentum berauscht und dann doch die große Pathoskeule schwingt – unterstützt von einer dazu passenden Musik. Dabei wird es gerade an der Stelle eigentlich spannend, wenn die Geschichte eigene Abgründe entdeckt und moralische Ambivalenz entdeckt. Die wird jedoch recht schnell wieder zu den Akten gelegt. Auch die Behauptung des Erzählers, durch den Krieg verändert worden zu sein, hat kein wirkliches Fundament, da die schrecklichen Erfahrungen keinen Unterschied zu machen scheinen. Es gibt eine Aneinanderreihung von Kriegserlebnissen, bis es irgendwann vorbei ist. Doch auch wenn da inhaltlich mehr drin gewesen wäre, sehenswert ist Der Befreier schon, zumal die Serie mit vier Folgen à etwa 50 Minuten nicht besonders lang ist.
OT: „The Liberator“
Land: USA, Polen
Jahr: 2020
Regie: Grzegorz Jonkajtys
Drehbuch: Jeb Stuart
Vorlage: Alex Kershaw
Musik: Benjamin Holst, Jason Todd Shannon, Mikolai Stroinski
Kamera: Michał Łuka
Besetzung/Stimmen: Bradley James, Jose Miguel Vasquez, Martin Sensmeier
Wie ist das eigentlich, in einer Animationsserie mitzuspielen? Und werden irgendwann animierte Charaktere echte Darsteller ersetzen? Diese und andere Fragen haben wir Philipp Christopher in unserem Interview gestellt, der in der Serie einen deutschen Widersacher spielt.
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