Der Krieg liegt nun schon eine ganze Weile zurück, doch für Leonida Riva (Fabrizio Gifuni) hat dieser nie wirklich aufgehört. Die posttraumatischen Belastungsstörungen machen ihm schwer zu schaffen, auch wenn er dies nie zugeben würde und seine Schmerzen mit Medikamenten zu betäuben versucht. Und auch innerhalb seiner Familie hat seine Arbeit tiefe Spuren hinterlassen, ihn von vielen entfremdet, die ihm einmal nahe standen. Doch als irgendwann seine junge Tochter Teresa (Giada Gagliardi) entführt wird, ist für ihn die Stunde gekommen, sich noch einmal zu beweisen und seine im Krieg gewonnenen Erfahrungen einzusetzen. Denn nur er kann sie jetzt noch retten …
Ein Kampf, der nicht endet
Das Szenario ist im Filmbereich so weit verbreitet, dass man daraus eigentlich längst hätte ein eigenes Subgenre machen können: Ein Mann, der früher in irgendeiner Form viel gekämpft hat – als Polizist, Soldat, Auftragsmörder oder Agent – nimmt es mit einer ganzen Reihe von bösen Männern auf, um sich entweder für ein Verbrechen zu rächen oder jemanden zu befreien. Das kann durchaus ertragreich sein, 96 Hours wurde beispielsweise zu einem weltweiten Hit und machte Liam Neeson auf dessen alten Tage noch einem zu einem Actionstar. Nicht nur er, zahlreiche andere sind seither in diese Rolle geschlüpft, die mit wenigen Variationen gerade im B-Movie-Bereich einfach nicht tot zu kriegen ist – in mehr als einer Hinsicht.
Ludovico Di Martino ließ sich davon aber nicht abhalten, auch selbst noch einmal seine eigene Version dieses Szenarios unters Volk bringen zu wollen. Dafür wählte der italienische Regisseur und Drehbuchautor die Variante des Kriegsveteranen. Das geht immer, gibt zudem die Möglichkeit, noch ein paar seelische Abgründe einzubauen, die ein bisschen Tiefe vorgaukeln sollen. Im Netflix-Actionthriller Die Bestie bedeutet das die üblichen Leiden, die solche Erfahrungen mit sich bringen: körperliche Schmerzen, eine emotionale Verrohung und eine Entfremdung von allem, was irgendwie schön und heil ist. Erzählt wird, wie sich jemand aus dem tiefsten Sumpf hervorkämpft, hervorkämpfen muss, um das Böse zu besiegen.
Ein Blick in die Gosse
Eines muss man Fabrizio Gifuni (Die süße Gier – Il Capitale Umano) dabei lassen: Er nimmt seine Aufgabe sehr sehr ernst. Der mit seinem wilden Zottelbart kaum wiederzuerkennende, eher wie ein Obdachloser aussehende Schauspieler blickt mit einem konstanten Ausdruck tiefsten Missfallens, gekoppelt mit offensichtlicher Übermüdung in die Kamera, damit auch ja jeder sieht: Sprich mich bloß nicht an! Aber gesprochen wird ja ohnehin eher weniger in Die Bestie. Hier steht der Actionteil klar im Fokus, wenn sich Riva ohne Rücksicht auf persönliche Verluste durch die Stadt kämpft. Muss ja, da die Polizei zwar vorhanden, aber kein wirklicher Ersatz für den alten Haudegen ist. Ein Mann allein gegen die (Unter-)Welt, das Publikum will es so.
Das kann man sich zwar alles anschauen, es fehlt nur irgendwie der zwingende Grund. Wenn schon die Geschichte an sich nichts hergibt, sollten im Idealfall die Figuren oder eben die Action als Anziehungspunkt fungieren. Riva ist für eine solche Aufgabe letztendlich aber zu langweilig und nichtssagend, hat sich so sehr in seine Kriegstätigkeit eingeigelt, dass drumherum nicht viel geblieben ist. Die Kämpfe selbst sind ordentlich, bieten aber ebenfalls nicht genug, um tatsächlich die Aufmerksamkeit an sich zu binden. Das gelingt der Musik deutlich besser, wenn auch nicht so wie gedacht: Sie ist gleichzeitig so aufdringlich und unpassend, dass man sich fragt, ob da nicht versehentlich der falsche Soundtrack eingespielt wurde. Wer unbedingt einen neuen Film des bewährten Schemas sehen will, macht mit Die Bestie zwar nicht wirklich etwas verkehrt. Mehr als das ist es aber nicht.
OT: „La Belva“
Land: Italien
Jahr: 2020
Regie: Ludovico Di Martino
Drehbuch: Claudia De Angelis, Ludovico Di Martino, Nicola Ravera
Musik: Andrea Manusso, Matteo Nesi
Kamera: Luca Esposito
Besetzung: Fabrizio Gifuni, Lino Musella, Monica Piseddu, Andrea Pennacchi, Emanuele Linfatti, Nicolò Galasso
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