John (Charles Dance) und Fanny Lye (Maxine Peake) führen im Jahr 1657 zusammen mit dem kleinen Sohn Arthur (Zak Adams) ein bescheidenes, gottesfürchtiges Leben auf einer abgelegenen Farm. Mit anderen Menschen haben sie außerhalb der Kirchenbesuche nicht viel zu tun, der Alltag ist ganz auf die Arbeit und ihren Glauben ausgerichtet. Das ändert sich jedoch schlagartig, als sie eines Tages von Thomas (Freddie Fox) und Rebecca (Tanya Reynolds) heimgesucht werden, zwei bedürftigen Fremden, die in ihrer Scheune Zuflucht gesucht haben. Nach anfänglichem Misstrauen beschließt John, die beiden erst einmal bei sich aufzunehmen – ohne zu ahnen, dass er sich damit sein Unglück ins Haus holt …
Als Die Erlösung der Fanny Lye beim Fantasy Filmfest 2020 Deutschlandpremiere feierte, damals noch unter dem englischen Originaltitel Fanny Lye Deliver’d, gehörte der Titel zu den umstrittensten Beiträgen des beliebten Genrefestivals. Aus gutem Grund, handelt es sich doch nicht um einen klassischen Genretitel, was für so manche bedeutete, dass der Film dort gar nichts verloren hätte. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn es fällt hier allgemein schwer, eine passende Schublade zu finden. Dafür verschiebt sich der Fokus zu oft, wird das Genre gewechselt – und das obwohl lange auf der Leinwand überhaupt nichts geschieht.
Ein Film zwischen allen Stühlen
Der Einstieg lässt zunächst auf einen Home Invasion Thriller schließen, im Sinne von Funny Games etwa. Zwei Unbekannte, die es sich auf der Farm gemütlich machen, während der Herr des Hauses gerade brav in der Kirche betet – das verheißt schließlich nichts Gutes. Verstärkt wird das noch durch das Misstrauen von John, der in Menschen grundsätzlich erst einmal nur das Schlimmste vermutet. Genauer geht der Antagonismus allein von ihm aus. Während der von Veteran Charles Dance (Alien 3) wunderbar knochig-grimmige No-Nonsense-Despot schon die Idee von Vergnügen als künftige Höllenqual brandmarkt, bringen die beiden Fremden Leichtigkeit und Lebenslust in die schlichten Mauern, lassen auch Fanny und Arthur aufblühen.
Der Film ist dann auch, gemäß dem Titel Die Erlösung der Fanny Lye, die Geschichte einer Frau, der übel mitgespielt wurde, die in den Fängen eines Patriarchats gefangen ist, welche Frauen nur als Dekoration einer Männerwelt ansieht. Die im Laufe der Zeit aber zu sich findet, eine innere Stärke findet, zu einem tatsächlichen Menschen wird. Das dauert allerdings recht lange, Regisseur und Drehbuchautor Thomas Clay wählt eine sehr gemächliche Erzählweise. Zudem ist die Titelfigur erst einmal – entsprechend den damaligen Erwartungen an das schwache, mindere Geschlecht – sehr passiv. Dann und wann versucht sie beschwichtigend an die Gnade ihres deutlich älteren Mannes zu appellieren. Ansonsten bleibt ihr nichts anderes übrig als beobachten.
Eine Frau findet die Unabhängigkeit
Und das tut sie. Parallel zu der Geschichte, die mit der Zeit in mehrfacher Hinsicht alles über den Haufen wirft und konfrontativ wird, ist Fanny selbst einem Wandel unterworfen. Die neuen Konzepte und Lebensansichten, welche durch die Fremden Einzug in ihr Leben erfahren haben, zeigen ihr Alternativen auf, lassen sie mutiger werden, Grenzen austesten. Daraus hätte man ein positives Drama machen können, welches das Publikum, gerade das weibliche, dazu aufmuntert, sich selbst zu finden und auszudrücken. In Die Erlösung der Fanny Lye geschieht das jedoch in einem sehr düsteren Umfeld, bei dem früh klar wird, dass das nicht gut ausgehen kann. Ein Film, der den großen Knall erwarten lässt, doch genau diesen zurückhält – was eben zu Frust führen kann.
Spannend ist der Film dabei durchaus, wenn man sich auf ihn einlassen kann. Da wäre zum einen das interessante zeitliche Setting, als Mitte des 17. Jahrhunderts verschiedene Auffassungen von Religion in einen erbitterten Wettstreit traten. Auch die Mischung aus persönlicher Erweckung, Glaubensdrama, Thriller und später Westernanleihen ist so ungewöhnlich, dass ein experimentierfreudiges Publikum auf seine Kosten kommen kann. Nicht zuletzt das Ensemble trägt dazu dabei, dass der kontrovers unscheinbare Film sehenswert ist: Neben Dance sind es gerade Freddie Fox (Cucumber) als verschlagen-verführerischer Lebemann und Maxine Peake (Voll und ganz und mittendrin) in der Rolle der unterdrückten Hausfrau, die deutlich komplexer ist, als man es anfangs meint, die ein Werk auszeichnen, das ebenso kontrovers ist wie die darin ausgelebten Überzeugungen.
OT: „Fanny Lye Deliver’d“
Land: UK, Deutschland
Jahr: 2019
Regie: Thomas Clay
Drehbuch: Thomas Clay
Musik: Thomas Clay
Kamera: Giorgos Arvanitis
Besetzung: Maxine Peake, Charles Dance, Freddie Fox, Tanya Reynolds, Zak Adams
International Film Festival Rotterdam 2020
Fantasy Filmfest 2020
Filmfest Mannheim-Heidelberg 2020
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